| # taz.de -- Analyse der Klimapolitik der Ampel: Besser und trotzdem zu wenig | |
| > Experten haben die Klimapolitik der Regierung untersucht. Ihr Fazit: | |
| > mangelhaft, mit einigen Lichtblicken. Kritik üben sie vor allem an | |
| > LNG-Terminals. | |
| Bild: Kommt nicht gut an: Robert Habeck (2. von l.) will Flüssiggasterminals i… | |
| Berlin taz | In einem Schulzeugnis wäre das wohl eine 5 plus mit Tendenz | |
| nach oben: Als mangelhaft mit einigen Lichtblicken haben die | |
| Klima-Analysten des „Climate Action Tracker“ (CAT) die Klimapolitik der | |
| Ampelkoalition bezeichnet. In einer [1][aktuellen Bewertung] der Pläne der | |
| neuen Regierung heißt es, „Ziele, Politik und Finanzen zur Klimafrage“ | |
| seien „unzureichend“. Deutschlands Maßnahmen benötigten trotz vieler | |
| positiver Ansätze „substanzielle Verbesserungen“, um mit der | |
| „1.5-Grad-Grenze des Pariser Abkommens im Einklang zu stehen.“ | |
| Der „Climate Action Tracker“ gilt als Goldstandard der internationalen | |
| Klimaszene, um die Anstrengungen der UN-Staaten beim Klimaschutz zu | |
| durchleuchten. Die Initiative bringt WissenschaftlerInnen der Thinktanks | |
| „New Climate Institute“ und „Carbon Analytics“ zusammen, die regelmäß… | |
| Klimaversprechen der 40 wichtigsten Länder mit 85 Prozent der globalen | |
| Emissionen auf ihre Bedeutung abklopfen. | |
| Sie untersuchen, welche Auswirkungen verschiedene Maßnahmen haben, welcher | |
| Temperaturanstieg dadurch erreicht wird und wie groß die Lücken zwischen | |
| Versprechen und Realität sind. Finanziert wird die Arbeit von der | |
| Europäischen Klimastiftung ECF und dem Bundesumweltministerium. | |
| Die detaillierten CAT-Länderstudien sind im Netz abrufbar und gelten in | |
| Ermangelung offizieller Vergleichsdaten als quasi-offizielles Ranking der | |
| Staaten. Die Regeln sind streng. Kein Land schafft es laut CAT bislang, den | |
| 1.5-Grad-Pfad zu erreichen. Nur ein Industrieland, Großbritannien, bekommt | |
| das Etikett „ausreichend“, neben Äthiopien, Gambia., Costa Rica, Marokko, | |
| Kenia, Nepal und Nigeria. Unter „unzureichend“ fallen etwa die EU, die USA, | |
| Schweiz oder Japan. | |
| ## „Kritisch unzureichend“: Russland und Iran | |
| „Höchst unzureichend“ ist demnach die Klimapolitik in der größten Gruppe | |
| mit 15 Ländern wie China, Indien, Indonesien, Brasilien, Ägypten, | |
| Saudi-Arabien oder Australien. Und ganz schlimm, nämlich „kritisch | |
| unzureichend“ sieht es laut CAT aus in Russland, Iran, Türkei, Singapur, | |
| Vietnam und Thailand. | |
| Jetzt also Deutschland: „Fast ausreichend“, wenn die Politik mit dem | |
| 2-Grad-Ziel verglichen wird, aber „unzureichend“, wenn eingerechnet wird, | |
| was Deutschland nach globalen Fairness-Maßstäben noch alles tun müsste – | |
| besonders etwa seine internationale Klimafinanzierung von derzeit etwa 4 | |
| Milliarden Euro jährlich zu verdreifachen. Davon ist in Berlin nicht die | |
| Rede – die Regierung ist schon stolz darauf, dass sie diese Ausgaben bis | |
| 2025 auf 6 Milliarden erhöhen will. | |
| Immerhin: „Die neue deutsche Regierung legt bei der Umsetzung der | |
| heimischen Klimapolitik deutlich an Tempo zu“, lobt der Bericht. Wenn alle | |
| bisherigen Pläne umgesetzt würden, könnte die versprochene CO2-Reduktion | |
| von 65 Prozent bis 2030 in Reichweite sein. Für 1,5-Grad bräuchte es aber | |
| 69 Prozent – und deutlich mehr Geld für die Klimahilfen an arme Länder. | |
| Im Klimaschutzministerium von Robert Habeck (Grüne) nimmt man die Analyse | |
| als Bestätigung der eigenen Politik: „Sie unterstreicht den dringenden | |
| Handlungsbedarf und die Notwendigkeit eines wirksamen | |
| Klimaschutz-Sofortprogramms, um den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 | |
| Prozent abzusenken, wie es das Bundesklimaschutzgesetz vorsieht“, erklärt | |
| ein Sprecher auf Anfrage. | |
| ## Es gibt auch Positives im Bericht | |
| Der Bericht hebe hervor, dass „Deutschland dieses Ziel dann – | |
| möglicherweise mit geringeren Abweichungen – erreichen könnte, wenn alle | |
| Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden.“ Derzeit werde ein | |
| „umfangreiches Klimaschutz-Sofortprogramm mit den anderen Ministerien | |
| abgestimmt, das alle Sektoren in die Lage versetzen soll, die jeweiligen | |
| Sektorziele zu erreichen.“ | |
| Das Positive erkennt auch der CAT-Bericht: Die ehrgeizigen Pläne bei den | |
| Erneuerbaren und ein Kohleausstieg vor 2030, wie im Koalitionsvertrag | |
| versprochen, könnten die Emissionen beim Stromsektor stärker als gedacht | |
| drücken – aber andere Sektoren wie Gebäude und Verkehr verderben das Bild, | |
| so die Forscher. | |
| Der verstärkte Ausbau von Wind- und Solarenergie und bessere Planung | |
| könnten für den Ausbau der Erneuerbaren „den Unterschied machen“ und „a… | |
| ein gutes Beispiel für andere Länder dienen“. Insgesamt, so das Urteil: | |
| wenn alle Länder der Welt ähnlich wie Deutschland agierten, könnte die | |
| globale Erwärmung auf 2 Grad begrenzt werden – eine „signifikante | |
| Verbesserung gegenüber dem vorherigen deutschen Ziel“ – aber eben nicht | |
| genug für 1,5 Grad. | |
| Auch für die Reaktionen der deutschen Energiepolitik auf den Krieg in der | |
| Ukraine gibt es Lob und Tadel. Positiv werten die Prüfer den schnelleren | |
| Ausstieg aus den fossilen Energien aus Russland – kritisch sehen sie den | |
| Aufbau von neuen Terminals für LNG-Flüssiggas. | |
| ## Senegal-Hilfe in der Kritik | |
| Vor allem das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei seinem | |
| Besuch im Senegal Ende Mai für die Hilfe bei der Ausbeutung von neuen | |
| Gasfeldern stößt auf Kritik: Neue fossile Infrastruktur im Ausland wollten | |
| die Industriestaaten eigentlich nicht mehr finanzieren – das wurde auf der | |
| Klimakonferenz in Glasgow Ende 2021 beschlossen und gerade erst beim | |
| G7-Umweltministertreffen in Berlin bestätigt. | |
| Was Scholz’ Ankündigung bedeutet, ist unklar: Hält er die Kriterien ein, | |
| weil es sich im Senegal nicht um ein neues Gasfeld handelt? Gegen die | |
| Richtlinien der bundeseigenen KfW-Bank jedenfalls verstößt der Vorschlag | |
| offenbar nicht. Die KfW erklärt auf Anfrage, sie habe 2021 eine | |
| „Paris-kompatible“ Regelung eingeführt: Für jeden Euro in neue | |
| Gasinfrastruktur werde man zwei Euro in erneuerbare Strukturen investieren. | |
| Derzeit werde überprüft, „inwiefern diese Regel mit Blick auf das | |
| 1,5-Grad-Ziel nachgeschärft wird“. | |
| Auch im Wirtschaftsministerium will man dem Kanzler nicht offen | |
| widersprechen. Dort heißt es: „Die Beschlüsse der COP26, wonach die | |
| internationale öffentliche Finanzierung fossiler Energieträger bis 2022 zu | |
| beenden ist – außer in limitierten Einzelfällen –, gelten für uns | |
| weiterhin“. Details zur Umsetzung würden „derzeit in der Regierung | |
| erarbeitet.“ | |
| Für Bill Hare, Chef des CAT-Partners „Climate Analytics“, ist die Sache | |
| klar: „Gas ist keine Brückentechnologie, es ist ein fossiler Energieträger, | |
| und Vorschläge für massive neue Gasinfrastruktur auf der ganzen Welt, | |
| einschließlich im Senegal und in Westaustralien, werden die globalen | |
| Bemühungen zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad untergraben“. Er | |
| hoffe, „dass der deutsche Bundeskanzler seinen Vorschlag zur Unterstützung | |
| einer massiven LNG-Erschließung im Senegal zurückzieht.“ | |
| 6 Jun 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://climateactiontracker.org/press/die-neue-deutsche-regierung-nutzt-di… | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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