# taz.de -- Versprechen der Ampel beim Klima: Habeck plant Klima-TÜV | |
> Das Wirtschaftsministerium bastelt an einem „Klimacheck“, der den | |
> CO2-Fußabdruck aller Gesetze dokumentiert. Die anderen Ressorts müssen | |
> zustimmen. | |
Bild: Würde diese Autobahn einem Klimacheck standhalten? Ausbau der Stadtautob… | |
BERLIN taz | Auf einem zentralen Feld ihrer Klimapolitik hat die | |
Bundesregierung bisher [1][nur vage Vorstellungen]: Für den im | |
Koalitionsvertrag geplanten „Klimacheck“ für alle Gesetze hätten im | |
zuständigen Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz „erste | |
konzeptionelle Vorüberlegungen“ stattgefunden, erklärte ein Sprecher des | |
Ministeriums auf Nachfrage. Ein Jahr nach dem Beginn der Ampelkoalition | |
soll dann dieses Instrument auf den Weg gebracht werden, um das gesamte | |
Regierungshandeln aus Perspektive des Klimaschutzes zu bewerten. Das geht | |
aus taz-Recherchen und der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine | |
Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor, die der taz vorliegt. | |
Ziel ist es, „Klimaschutz zu einer echten Querschnittsaufgabe aller | |
Ministerien zu machen“, erklärte der Ministeriumssprecher. Demnach legt das | |
Klimaministerium einen Prüfkatalog vor, der dann mit allen Ressorts in der | |
Regierung abgestimmt werden muss. In einem mehrstufigen Verfahren, so die | |
Idee, sollen die Auswirkungen von neuen Gesetzen dokumentiert werden: Wie | |
viele Treibhausgase entstehen durch das Gesetz? Wie sind sie zu mindern | |
oder zu vermeiden? Was wird getan, um die Emissionen auszugleichen? | |
Diese Arbeit soll in den einzelnen Ministerien geleistet werden, die den | |
Rat von Fachleuten etwa vom Umweltbundesamt oder dem Expertenrat | |
hinzuziehen können. Das Klimaministerium „strebt an, noch in diesem Jahr | |
ein Konzept für den Klimacheck vorzulegen“, sagt ein Sprecher. Allerdings | |
heißt es in der schriftlichen Antwort: „Das konkrete Verfahren wurde | |
bislang noch nicht festgelegt.“ | |
Bis zu einer Vorlage aus dem Klimaministerium halten sich die anderen | |
Ressorts bedeckt: Man warte auf die Vorschläge aus dem federführenden | |
Ministerium, heißt es von den Ministerien für Verkehr, Umwelt und Finanzen. | |
## Klimacheck ist im Koalitionsvertrag verankert | |
Die Idee hinter dem „Klimacheck“: Zukünftig soll alles | |
[2][Regierungshandeln] darauf abgeklopft werden, ob es Deutschland dabei | |
hilft, seinen Anteil an der Erreichung des 1,5-Grad-Ziels zu erbringen – | |
oder ob einzelne Gesetze eher das Gegenteil bewirken. So dürfte es etwa | |
eine Debatte über den Bundesverkehrswegeplan geben, wenn er den Bau neuer | |
Straßen und Flughäfen vorsieht. | |
Deshalb wurde im Klima-Kapitel des Koalitionsvertrags gleich am Anfang | |
prominent darauf hingewiesen: „Wir werden Klimaschutz zu einer | |
Querschnittsaufgabe machen, indem das jeweils federführende Ressort seine | |
Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den | |
nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden | |
Begründung versieht (Klimacheck)“, heißt es in dem Koalitionsvertrag. | |
## Kein Stoppschild aus dem Klimaministerium | |
Angelehnt ist diese Forderung, die besonders den Grünen wichtig war, an das | |
Vetorecht des Finanzministeriums in Geldfragen und an die nötige Zustimmung | |
von Innen- und Justizressort in verfassungsrechtlichen Fragen. Beide | |
Ministerien werden von der FDP geleitet. Die Idee, dem Wirtschafts- und | |
Klimaministerium ein solches Vetorecht zu geben, ließ sich allerdings nicht | |
durchsetzen. Auf die Frage, ob es nun ein Einspruchsrecht des grünen | |
Klimaschutzministers Robert Habeck gebe, heißt es in der Antwort nur: „Die | |
Regelungen interner Abläufe werden unter den Ressorts abgestimmt.“ Ein | |
Stoppschild aus dem Klimaministerium für Planungen in anderen Ressorts gibt | |
es also nicht. | |
Andreas Jung, energie- und klimapolitischer Sprecher der Unionsfraktion, | |
kritisiert an der Antwort: „Vom Bundeskanzler ist nirgends die Rede. Olaf | |
Scholz hat sich im Wahlkampf als Klimakanzler ausgerufen, jetzt fällt das | |
Kanzleramt bei der Koordinierung des Klimaschutzes komplett aus: Da fehlt | |
jegliche Führung.“ Den Kabinettsausschuss Klima, den Angela Merkel 2019 | |
einführte, gibt es bei der Ampel nicht mehr. Jung kritisiert auch, dass die | |
Regierung auf seine Anfrage im Dezember die Antwort immer wieder | |
verschleppt habe. Normalerweise beträgt die Frist zwei Wochen. | |
## Klimaschutz als Querschnittsaufgabe | |
Nach langen Wochen und Monaten des Sortierens zwischen den Ministerien | |
erklärt die Antwort der Regierung nun allerdings, wo in der Regierung | |
welche Zuständigkeiten beim Klimaschutz liegen: Zentral im | |
Wirtschaftsministerium, das dafür laut Haushaltsplan insgesamt 46,5 neue | |
Stellen bewilligt bekommen hat. Im Auswärtigen Amt wird die internationale | |
Klimapolitik gemacht, dafür wurden 16,5 Stellen aus dem Umweltministerium | |
dorthin verschoben. Der Klimaschutz per Naturschutz bleibt dort in der | |
Umweltverwaltung, die Klimafinanzierung liegt weiter beim | |
Entwicklungsministerium. Die Regierung sieht darin den „Gesamtansatz“, bei | |
dem jedes Ressort seine „eigene fachliche Expertise einbringt“. Ein | |
Superministerium für Klimaschutz, das den anderen Ressorts Vorschriften | |
machen könnte, führt Robert Habeck demnach nicht: „Das Prinzip der | |
sektoralen Verantwortung wird unverändert fortgesetzt“, heißt es in dem | |
Papier. | |
„Der Klimacheck ist wichtig, denn eine gute Klima-Regierungsführung ist | |
zentral“, sagt dazu Lutz Weischer, Politikexperte der | |
Entwicklungsorganisation Germanwatch. | |
„Es bringt wenig, wenn ein solcher Klimacheck nur hinten an einem | |
Gesetzesvorhaben dranhängt, wie es jetzt oft mit Fragen der Nachhaltigkeit | |
gemacht wird.“ Spannend wäre es aber, wenn „man diesem Check Zähne | |
verleihen könnte und vom Wirtschaftsministerium da eine gute Methodik | |
vorgelegt werden würde“. Dann würde sich zumindest öffentlich zeigen, | |
welches Ressort den Klimaschutz ernst nehme. | |
## Entscheidend bleibt der politische Wille | |
Auch Christian Flachsland, Professor für Nachhaltigkeit an der Hertie | |
School und Experte für Verwaltungsfragen im Klimaschutz, hält es | |
grundsätzlich für eine gute Idee, „alle Portfolios auf Änderungsbedarfe zu | |
überprüfen: Verkehrswegeplan, Wassermanagement, Forstmanagement“, sagt der | |
Sozialwissenschaftler. Ob ein „formalistischer Klimacheck“ dafür das | |
richtige Instrument sei, bleibe allerdings offen. „Entscheidend ist die | |
politische Bereitschaft des jeweiligen Ministeriums, wenn man das will, | |
kann und sollte man das auch ohne Klimacheck machen.“ | |
Ein solches Verfahren könne „helfen beziehungweise nicht unbedingt schaden“ | |
und „ambitionierten Beamten möglicherweise ein zusätzliches Instrument in | |
die Hand geben“. Aber, so Flachsland: „Wo kein politischer Wille ist, wird | |
wohl auch ein Klima*check als neue Institution keine völlig neuen Wege | |
eröffnen.“ | |
14 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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