# taz.de -- Expertenrat zu Klimaschutzprogrammen: Nicht sofort und nicht genug | |
> Der Expertenrat kritisiert die „Sofortprogramme“ zum Klimaschutz: Bei | |
> Gebäuden sei der Erfolg zweifelhaft, bei Verkehr bisher kaum Ehrgeiz zu | |
> sehen. | |
Bild: Zu viele LKWs auf den Straßen: Stau auf der A4 bei Bautzen | |
BERLIN taz | Die Sofortprogramme zum Klimaschutz aus den Bundesministerien | |
für Bauen und Verkehr wirken entweder nicht sofort oder praktisch gar | |
nicht. Das ist kurz zusammengefasst [1][das Fazit des Prüfberichts vom | |
„Expertenrat für Klimafragen“, der laut Klimaschutzgesetz] (KSG) die Pläne | |
der Regierung begutachtet und sein Urteil am Donnerstag vorgestellt hat. | |
Neben Kritik an den Plänen fordern die fünf ExpertInnen des Rates von der | |
Bundesregierung auch, Lücken im Klimaschutzgesetz zu beseitigen. | |
Die Bereiche Bauen und Verkehr hatten 2021 die Emissionslimits laut KSG | |
überschritten und mussten deshalb Sofortprogramme vorlegen, wie sie ihre | |
Ziele künftig erreichen wollen. Das Ministerium für Wohnen, | |
Stadtentwicklung und Bauwesen unter Klara Geywitz (SPD) hat 15 Maßnahmen | |
vorgelegt, die – wenn alles gutgeht – bis 2030 die Einsparziele erreichen | |
können, so die Experten. Vor allem mit einem besseren | |
Gebäude-Energiegesetz, mehr Geld für effiziente Häuser und bessere | |
Heizungen sei es möglich, die geforderten 137 Millionen Tonnen CO2 bis 2030 | |
einzusparen. Allerdings sei die Erreichung dieser Ziele „nur teilweise | |
wahrscheinlich“, eine Einhaltung des Gesetzes damit „für diesen Sektor | |
nicht sichergestellt“. | |
Noch trüber sind die Aussichten beim Ministerium für Digitales und Verkehr | |
von Volker Wissing (FDP). Die sechs vorgeschlagenen Maßnahmen – vor allem | |
besserer Radverkehr und mehr Homeoffice – brächten nur eine Minderung von | |
14 Millionen Tonnen, ein Bruchteil der laut Gesetz erforderlichen 261 | |
Millionen, die im Verkehrsressort bis 2030 vermieden werden müssen. Was das | |
Ministerium vorgelegt hat, „erfüllt nicht die Anforderung des Gesetzes an | |
ein Sofortprogramm“, man habe deshalb davon abgesehen, die Maßnahmen im | |
Detail überhaupt zu prüfen. | |
Das Verkehrsministerium beharrte dagegen darauf, man habe ein „den | |
Anforderungen des KSG entsprechendes Sofortprogramm vorgelegt“. Um die | |
Ziele im Verkehr bis 2030 zu erreichen, stimme man derzeit das | |
„übergreifende Klimaschutzprogramm der Bundesregierung“ ab, erklärte eine | |
Sprecherin. Der grüne Klimaminister Robert Habeck wiederum erklärte, der | |
Bericht des Expertenrats zeige, dass die Klimakrise „schnellstmöglich | |
Antworten“ verlange. „Wir sind in der Pflicht, noch im September das | |
Klimaschutzsofortprogramm zu beschließen. Dabei müssen alle Sektoren ihren | |
Beitrag leisten, sonst werden wir die Klimaziele nicht erreichen.“ | |
Die ExpertInnen im Rat monieren außerdem, im Gesetz sei unklar, wann der | |
Rat zur Prüfung der Sofortprogramme eingebunden werde und was genau er | |
eigentlich prüfen solle – um eine ähnliche Klarstellung hatte er schon vor | |
einem Jahr gebeten. Damals wurde aber klar, dass auch ein schlechtes | |
Zeugnis des Expertenrats die Regierung nicht zum Handeln zwingt. | |
## FDP will weniger strikte Regeln | |
Ohnehin ist der zentrale Hebel des KSG bedroht: Neu an dem Gesetz von 2019 | |
ist, dass jeder Bereich wie Verkehr, Gebäude, Industrie, Energie, Abfall | |
und Landwirtschaft für jedes Jahr eigene Klimagas-Obergrenzen bekam. Diese | |
„sektorscharfen Ziele“ will die FDP gern loswerden, wie Finanzminister | |
[2][Christian Lindner letzte Woche wieder verkündet hat: Man wolle „stärker | |
sektorübergreifend die Klimaziele miteinander verrechnen“,] weil man in | |
bestimmten Bereichen schneller Fortschritte machen könne und in der | |
Regierung seien „alle verantwortlich“ für die Erreichung der Ziele. | |
Im Koalitionsvertrag steht dazu, man wolle die Einhaltung der Ziele | |
[3][„anhand einer sektorübergreifenden […] mehrjährigen Gesamtrechnung | |
überprüfen“.] Vonseiten der Grünen und Teilen der Klimaszene gibt es die | |
Befürchtung, damit könnte dieser zentraler Pfeiler des KSG angekratzt | |
werden. | |
Umweltverbände sparten deshalb auch nicht mit Kritik aus Anlass des | |
Berichts: Campact nannte ihn eine „Watsche für den Verkehrsminister“. Die | |
Klima-Allianz forderte Kanzler Scholz auf, „Wissing seine | |
Arbeitsverweigerung in Sachen Klimaschutz nicht mehr durchgehen zu lassen“ | |
und bald ein Sofortprogramm der Regierung vorzustellen, „das diesen Namen | |
verdient hat“. | |
Darauf will die Deutsche Umwelthilfe nicht mehr warten. Sie kündigte an, | |
Klage zu erheben, um ein „gesetzeskonformes“ Sofortprogramm im Verkehr | |
durchzusetzen. „Auch in dieser Bundesregierung lässt sich der Klimaschutz | |
offensichtlich nur über die Gerichte durchsetzen“, erklärte | |
DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. „Ohne Tempolimit, ein Ende der | |
Dienstwagen-Förderung für Fahrzeuge mit zu hohen Klimagasemissionen und den | |
massiven Ausbau des ÖPNV ist kein gesetzeskonformes Sofortprogramm | |
denkbar.“ | |
25 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://expertenrat-klima.de/content/uploads/2022/08/ERK2022_Pruefbericht-S… | |
[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sommerinterview-lindner-105.h… | |
[3] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_… | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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