| # taz.de -- Abgeordneter zu neuem Radikalenerlass: „Das verunsichert Menschen… | |
| > Um Islamisten aus dem Staatsdienst zu halten, plant Hamburg Regelabfragen | |
| > beim Verfassungsschutz. Laut Linken-Politiker Celik reicht eine | |
| > Einzelprüfung. | |
| Bild: Déjà-vu: Demonstration gegen Berufsverbote 1975 in Stuttgart | |
| taz: Deniz Celik, Hamburg plant eine [1][Regelabfrage an den | |
| Verfassungsschutz] für alle Staatsbediensteten. Was stört Sie daran? | |
| Deniz Celik: Auch wir möchten nicht, dass zum Beispiel Rechtsextreme wie | |
| Höcke etwa als Lehrer arbeiten. Aber wir haben ein großes Problem damit, | |
| dass alle Bewerber*innen unter Generalverdacht gestellt werden. Diese | |
| Regelabfrage beim Verfassungsschutz soll bei jeder Einstellung, Versetzung | |
| oder auch Beförderung erfolgen. Zugleich heißt es in dem Gesetzentwurf, | |
| dass die überwältigende Mehrheit verfassungstreu sei. Dann verstehen wir | |
| nicht, weshalb man nicht wie bisher eine Einzelfallprüfung bei konkreten | |
| Anhaltspunkten auf den Weg bringt. | |
| taz: Im [2][Gesetzentwurf] heißt es, Islamisten hätten das Ziel, den Staat | |
| zu unterwandern. Es seien bereits 50 Islamisten im Staatsdienst gewesen. | |
| Das wäre nicht anders zu verhindern. | |
| Celik: Aber diese 50 wurden ja enttarnt. Ich habe das ja auch beobachtet. | |
| Das sind ja zum Teil Menschen aus dem [3][Spektrum ‚Muslim interaktiv]', | |
| die auch öffentlich und auf Social Media durch Aussagen auffielen, die man | |
| als verfassungsfeindlich einstufen könnte. | |
| taz: Wie „Kalifat ist die Lösung“? | |
| Celik: Genau, das ist öffentlich. Diese Demos waren nicht irgendwie | |
| konspirativ und geheim. Im Gegenteil. Man konnte mit einer | |
| Internetrecherche relativ schnell herausfinden, dass diese Menschen diese | |
| Aussagen tätigen und entsprechend agieren. Und dieses Beispiel zeigt mir, | |
| dass es mit einer Einzelfallprüfung und den jetzigen Instrumenten | |
| funktioniert. | |
| taz: Woher nehmen Sie, dass sich dieses Gesetz auch gegen Linke richten | |
| wird? | |
| Celik: Wir haben ja die Erfahrung mit dem Radikalenerlass in den | |
| 1970er-Jahren gehabt. Damals hieß es auch, es sollen alle Extremisten aus | |
| dem Staatsdienst rausgehalten werden. Aber betroffen von dem Berufsverbot | |
| waren in sehr großer Mehrheit linke Aktivisten. Und wir haben jetzt das | |
| Beispiel mit Lisa Poettinger aus Bayern, der ja als Klimaaktivistin ihr | |
| Referendariat verweigert wurde. Auch wer die Eigentumsverhältnisse oder den | |
| Kapitalismus infrage stellt, gerät schnell unter Extremismusverdacht. | |
| taz: Das ist aber Bayern und nicht Hamburg. | |
| Celik: Es gibt auch aus Hamburg Beispiele. Der Verfassungsschutz warnte | |
| davor, bei „Hamburg enteignen“ mitzumachen. Oder die [4][Marxistische | |
| Abendschule] wurde als extremistisch eingestuft, was nur durch eine Klage | |
| wieder zurückgenommen wurde. Das zeigt, dass linke Strukturen im Visier | |
| sind. Menschen, die sich kritisch engagieren, die vielleicht auch an einem | |
| Marx-Lesekreis teilnehmen oder bei einer Demo mitlaufen möchten, die | |
| verunsichert man damit ungemein, weil sie schnell ins Visier des | |
| Verfassungsschutzes geraten können. Und das wird dazu führen, dass sich | |
| viele entweder nicht mehr politisch engagieren oder nicht mehr im | |
| öffentlichen Dienst bewerben werden. Das wäre fatal und fördert | |
| Duckmäusertum. | |
| taz: Vor allem wahrscheinlich im Lehrerbereich? | |
| Celik: Es trifft den ganzen öffentlichen Dienst. Auch Müllfahrer oder | |
| Hausmeister. Es ist unverhältnismäßig und autoritär. | |
| taz: Wie erklären Sie sich, dass die Grünen das mitmachen? Deren Gründer | |
| waren früher teils selbst betroffen. | |
| Celik: Die Grünen wollen keine Konflikte mit der SPD und geben in der | |
| Innenpolitik häufig nach. | |
| taz: Wie sollte die Stadt stattdessen vorgehen? | |
| Celik: Es sollte bei konkreten Anhaltspunkten eine Einzelfallprüfung | |
| erfolgen. Kommt man dann zu dem Ergebnis: Das ist ein gewaltorientierter | |
| Islamist oder Rechtsextremist – dann muss diese Person aus dem Staatsdienst | |
| entfernt werden oder darf gar nicht zugelassen werden. Aber das kann man | |
| mit bestehenden Instrumenten verhindern. Was mich auch stört ist, dass man | |
| mit dieser Regelanfrage die Gesinnung prüft. Also man guckt nicht: Gibt es | |
| Fehlverhalten oder strafbares Verhalten? Man guckt: Welche Gesinnung hat | |
| XY? Das schießt über das Ziel hinaus. | |
| taz: Ist das Gesetz noch zu stoppen? | |
| Celik: Wir werden alles dafür tun. Mir macht auch Mut, dass sich in Hamburg | |
| jetzt ein „[5][Bündnis gegen Berufsverbote]“ gebildet hat. Dass sich auch | |
| in der [6][Zivilgesellschaft] Protest organisiert. | |
| taz: Aber es soll schon ab Januar gelten? | |
| Celik: Ja, die machen Tempo. Rot-Grün will das Thema schnell abräumen, weil | |
| es so kontrovers ist. Zumal ja die Bürgerschaft und deren Präsidentin sich | |
| erst 2022 für den Radikalen-Erlass der 1970er-Jahre entschuldigt hat. Jetzt | |
| kommt er wieder als Radikalenerlass 2.0. Ich finde, so ein weitreichendes | |
| Gesetz muss ordentlich beraten werden. Es müsste eine | |
| Expert*innenanhörung im Parlament erfolgen. Dafür braucht man Zeit. | |
| taz: Beantragen Sie so eine Anhörung? | |
| Celik: Leider reichen die Stimmen der Linken dafür nicht. Wir wären auf die | |
| CDU angewiesen oder auf die Regierungsfraktionen. Das wird schwierig. | |
| taz: Könnte es in der grünen Partei noch eine [7][Diskussion] geben? Sie | |
| planen ja am 10. November eine Diskussion mit dem früheren | |
| [8][Grünen-Abgeordneten] Hans Peter De Lorent, der in den 1970ern [9][Opfer | |
| von Berufsverbot] war. | |
| Celik: Zumindest die grüne Jugend hat signalisiert, dass sie sich dem | |
| Bündnis anschließen will. Und ich weiß auch, dass es in der Grünen-Fraktion | |
| einzelne Abgeordnete gibt, die dieses Gesetz ablehnen. Wir werden, wenn das | |
| Gesetz beschlossen werden soll, eine namentliche Abstimmung anstreben, | |
| damit transparent wird, wie sich einzelne Abgeordnete dazu verhalten. Aber | |
| ich hoffe ja auch, dass innerhalb der grünen Basis auch noch mal Druck | |
| Richtung Senatsmitglieder entsteht. Vielleicht tut sich ja was. | |
| 23 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Verfassungsschutz-soll-Bewerber-checken/!6062156 | |
| [2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/97876/23_01870_gesetz_zum_… | |
| [3] /Neue-Forderung-von-Muslim-Interaktiv/!6007368 | |
| [4] /Klage-der-Marxistischen-Abendschule/!6101920 | |
| [5] https://www.instagram.com/bundnisgegenberufsverbote/ | |
| [6] https://www.gew-hamburg.de/themen/hamburg-politik/2025-03/ich-dachte-mich-b… | |
| [7] https://www.linksfraktion-hamburg.de/termine/nie-wieder-berufsverbote-keine… | |
| [8] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Peter_de_Lorent | |
| [9] /Berufsverbot-wegen-falscher-Gesinnung/!5822539 | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
| ## TAGS | |
| Berufsverbot | |
| Radikalenerlass | |
| Verfassungsschutz | |
| Islamismus | |
| Rechtsextremismus | |
| Öffentlicher Dienst | |
| Die Linke Hamburg | |
| Die Linke Hamburg | |
| Berufsverbot | |
| Radikalenerlass | |
| Rechte Szene | |
| Bayern | |
| Berufsverbot | |
| Radikalenerlass | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Keine Klage gegen Linken-Abgeordneten: Blamage für den Hamburger Verfassungssc… | |
| Das Landesamt für Verfassungsschutz zieht seine Klage gegen den | |
| Linken-Abgeordneten Deniz Çelik zurück. Er hatte die Behörde scharf | |
| kritisiert. | |
| Streit um Regelabfrage in Hamburg: Verfassungsschutz zerrt Linken-Abgeordneten … | |
| Deniz Çelik hat gesagt, der Verfassungsschutz sei durch den Schutz rechter | |
| Netzwerke aufgefallen. Der will das dem Abgeordneten verbieten lassen. | |
| Verfassungscheck für Staatsdiener: Berufsverbot heißt in Hamburg jetzt Regela… | |
| Ein Berufsverbotsopfer hat das Bundesverdienstkreuz bekommen. Auf der | |
| Verleihung warnte er vor Hamburgs neuer Regelanfrage beim | |
| Verfassungsschutz. | |
| Neuer Radikalenerlass in Hamburg: „Da werden Spitzeldienste organisiert“ | |
| Hans-Peter de Lorent warnt vor einer Regelabfrage beim Verfassungsschutz | |
| für den Staatsdienst. Es erinnert ihn an die 70er, als er Berufsverbot | |
| bekam. | |
| VS geht gegen Linken-Abgeordneten vor: Der Wächter wird selbst zur Gefahr | |
| Der Hamburger Verfassungsschutz will Deniz Celiks Kritik an der Behörde | |
| juristisch verbieten. So schützt man keine Demokratie, so untergräbt man | |
| sie. | |
| Berufsverbot für Klimaaktivistin: Zulassung zum Referendariat wird untersagt | |
| Die Klimaaktivistin Lisa Poettinger darf definitiv nicht Lehrerin in Bayern | |
| werden. Das geht aus einem Bescheid des Bildungsministeriums hervor. | |
| Verfassungsschutz soll Bewerber checken: Und täglich grüßt das Berufsverbot | |
| Rot-Grün in Hamburg erwägt Regelanfragen beim Verfassungsschutz, um | |
| Extremisten aus dem Staatsdienst zu halten. Das erinnert an den | |
| Radikalenerlass. | |
| Peter Schulz als Schul-Namenspatron: „Eine ungeheuere Provokaktion“ | |
| Peter Schulz ist der Erfinder des Radikalenerlasses. Der ehemalige | |
| Hamburger Bürgermeister könnte Namenspatron für eine Schule werden. |