| # taz.de -- Keine Klage gegen Linken-Abgeordneten: Blamage für den Hamburger V… | |
| > Das Landesamt für Verfassungsschutz zieht seine Klage gegen den | |
| > Linken-Abgeordneten Deniz Çelik zurück. Er hatte die Behörde scharf | |
| > kritisiert. | |
| Bild: Rettung durch Rückzieher nach peinlichem Vorstoß: Hamburgs Verfassungss… | |
| Das Ende ist so abrupt wie peinlich: Die Hamburger Innenbehörde hat ihren | |
| Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den Linken-Abgeordneten Deniz | |
| Çelik zurückgezogen. Denn die zuständige Kammer des Hamburger Landgerichts | |
| habe signalisiert, dass sie die Kritik Çeliks am Landesamt für | |
| Verfassungsschutz (LfV) als zulässiges Werturteil und nicht als unzulässige | |
| Tatsachenbehauptung einstufen würde, so ein Sprecher. | |
| Der Innenbehörde schreibt das Gericht ins Stammbuch, was jeder vorher hätte | |
| wissen können: Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „sei | |
| juristischen Personen des öffentlichen Rechts zivilrechtlicher Rechtsschutz | |
| gegen herabsetzende Äußerungen lediglich in eingeschränktem Umfang | |
| eröffnet“. | |
| Im Oktober hatte Çelik das LfV in einer [1][Pressemitteilung der Fraktion] | |
| zur geplanten Regelabfrage der Stadt beim Verfassungsschutz das LfV scharf | |
| kritisiert: „Wer künftig im öffentlichen Dienst arbeiten will, soll erst | |
| durch das Nadelöhr des Verfassungsschutzes – eines Inlandsgeheimdienstes, | |
| der sich demokratischer Kontrolle weitgehend entzieht und durch | |
| Vertuschung, V-Leute-Skandale und immer wieder auch durch den Schutz | |
| rechter Netzwerke aufgefallen ist.“ | |
| [2][Die Innenbehörde sah in der Formulierung über den Schutz rechter | |
| Netzwerke eine unzulässige Tatsachenbehauptung, forderte eine | |
| Unterlassungserklärung] und [3][zog schließlich, als Çelik diese | |
| verweigerte, vor Gericht]. | |
| Der Fall ist nicht nur eine juristische Fußnote, sondern eine schallende | |
| Ohrfeige für Innensenator Andy Grote (SPD) und seine Behörde – und ein | |
| wichtiger Sieg für die Redefreiheit des Parlaments. | |
| Denn Çeliks Aussage zielte ja auf historisch belegte und immer | |
| wiederkehrende Defizite des Geheimdienstes: die [4][Verstrickungen im | |
| NSU-Komplex], die [5][Rolle von V-Leuten in der rechten Szene] und die | |
| mangelnde Transparenz. Çelik hat scharf formuliert – aber auf der Grundlage | |
| einer durch zahlreiche Untersuchungsausschüsse bestätigten Realität. | |
| Dass die Innenbehörde sofort die juristische Keule geschwungen hat, ist | |
| bezeichnend. Man hat versucht, einen kritischen Parlamentarier, der in | |
| seiner Funktion zur Kontrolle der Exekutive ja verpflichtet ist, durch die | |
| Androhung von Gerichtsverfahren und Gerichtskosten zum Schweigen zu | |
| bringen. | |
| Die Linke hat vollkommen recht: Wenn eine Behörde Kritik an sich selbst so | |
| für „unzulässig“ erklärt, ist das ein autoritärer Reflex. Er zeugt von | |
| einem tiefen Missverständnis demokratischer Spielregeln: Parlamente | |
| kontrollieren Regierungen – nicht umgekehrt. | |
| ## Muster behördlicher Abwehrhaltung | |
| Der Rückzieher vor Gericht ist dabei nur die Spitze des Eisbergs. Es geht | |
| um die Kultur der Kontrolle und Transparenz im Umgang mit dem | |
| Verfassungsschutz. Geheimdienste neigen naturgemäß dazu, sich der Kontrolle | |
| zu entziehen. Gerade in Hamburg, wo das LfV seit Jahren durch einen | |
| restriktiven Umgang mit der Presse und seine Nähe zur Regierung auffällt, | |
| muss die Kontrolle durch die Bürgerschaft deshalb besonders scharf sein. | |
| Senator Grote hat sich in der Vergangenheit mehrfach als vehementer | |
| Verteidiger seines Apparats positioniert, wenn der in die Kritik geriet. | |
| Die gescheiterte Klage gegen Çelik reiht sich ein in ein Muster | |
| behördlicher Abwehrhaltung, die darauf abzielt, kritische Debatten zu | |
| unterbinden, statt sie zu führen. | |
| Tatsächlich hat sich das Hamburger LfV in den vergangenen Jahren vor allem | |
| damit hervorgetan, dass es unbescholtene Bürger:innen öffentlich an den | |
| Pranger stellte, weil die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit | |
| wahrgenommen und eine Demonstration angemeldet hatten. In seinem | |
| Jahresbericht, aber auch immer wieder in aktuellen, anlassbezogenen | |
| Pressemitteilungen nannte es Aktivist:innen namentlich und unterstellte | |
| ihnen Extremismus. | |
| ## Versuch, den politischen Raum einzuengen | |
| Wenn die Behörde beispielsweise [6][die Volksinitiative Hamburg enteignet | |
| und ihre Anmelder in die Nähe linksextremistischer Bestrebungen rückt] – | |
| oft mit dem Vorwurf, [7][es würden harmlose Themen wie Mieten oder | |
| Umweltschutz instrumentalisiert] – dann arbeitet das LfV nicht gegen | |
| Verfassungsfeinde, sondern versucht, legale zivilgesellschaftliche | |
| Forderungen zu delegitimieren, [8][linke Proteste zu diskreditieren] und | |
| damit den politischen Raum einzuengen. | |
| Solche Aktionen senden ein deutliches Zeichen der Einschüchterung in die | |
| Zivilgesellschaft. Die Einschätzung des Gerichts ist deshalb ein wichtiges | |
| Signal: Die politische Meinungsäußerung, erst recht die eines Abgeordneten, | |
| genießt hohen Schutz. Die Kritik Çeliks am Amt war keine justiziable | |
| falsche Tatsachenbehauptung, sondern eine zulässige politische Bewertung | |
| der Rolle des Verfassungsschutzes. | |
| Und auch diesmal will sich die Behörde nicht korrigieren. Sie beharrt | |
| darauf, dass Çelik inhaltlich Unrecht habe, die Bekämpfung des | |
| Rechtsextremismus gehöre zur DNA des Landesamts. Aber: „Die dem | |
| entgegenstehende unzutreffende Äußerung von Deniz Celik (sic!) wird das LfV | |
| Hamburg aus Respekt vor der juristischen Wertung nicht weiter abwehren.“ | |
| ## Vertrauen weiter beschädigt | |
| Die Innenbehörde hat nun nicht nur eine Blamage erlitten, sondern auch | |
| Steuergelder für einen aussichtslosen Rechtsstreit verschwendet. Sie hat | |
| das Vertrauen in die Hamburger Sicherheitsbehörden weiter beschädigt. Und | |
| sie hat Çelik damit im Nachhinein – natürlich nicht ausdrücklich – im Fa… | |
| der Regelabfrage recht gegeben: Soll solch ein Verfassungsschutz darüber | |
| entscheiden, wer künftig im öffentlichen Dienst arbeiten darf? | |
| Grote muss sich fragen lassen, wer dieses juristische Vorgehen genehmigt | |
| hat und welche Konsequenzen er daraus zieht. Eine souveräne Behörde wäre in | |
| den inhaltlichen Dialog getreten oder hätte die Kritik als Teil der | |
| demokratischen Auseinandersetzung hingenommen. | |
| Der nun blamabel gescheiterte Versuch, einen Abgeordneten zu verklagen, ist | |
| eine Bankrotterklärung an die eigene Souveränität. Demokratie lebt vom | |
| Dissens. Wer Kritik durch staatliche Klagen unterdrücken will, macht sie | |
| kaputt. | |
| 11 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.linksfraktion-hamburg.de/regelanfrage-im-oeffentlichen-dienst-l… | |
| [2] /VS-geht-gegen-Linken-Abgeordneten-vor/!6127679 | |
| [3] /Streit-um-Regelabfrage-in-Hamburg/!6132061 | |
| [4] /14-Jahre-NSU-Prozess/!6122841 | |
| [5] /NPD-Verbotsverfahren-in-Karlsruhe/!5283459 | |
| [6] /Warnung-vor-Hamburg-enteignet/!5877684 | |
| [7] /Instrumentalisierung-von-Jugendarbeit/!5743043 | |
| [8] /Instrumentalisierung-von-Jugendarbeit/!5743043 | |
| ## AUTOREN | |
| Robert Matthies | |
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