| # taz.de -- Neuer Radikalenerlass in Hamburg: „Da werden Spitzeldienste organ… | |
| > Hans-Peter de Lorent warnt vor einer Regelabfrage beim Verfassungsschutz | |
| > für den Staatsdienst. Es erinnert ihn an die 70er, als er Berufsverbot | |
| > bekam. | |
| Bild: Gegen Berufsverbote: In den 70ern hab es viel Protest gegen den Radikalen… | |
| taz: Hans Peter De Lorent, der rot-grüne Senat in Hamburg plant ab Januar | |
| eine [1][Regelanfrage beim Verfassungsschutz] für den Staatsdienst. Was | |
| sagen Sie dazu? | |
| Hans-Peter de Lorent: Das finde ich überhaupt nicht gut, weil es mich an | |
| die 70er und 80er Jahre erinnert, wo es diese Regelanfrage gegeben hat. Da | |
| gab es 3,5 Millionen Regelanfragen beim Verfassungsschutz. Daraus | |
| resultierten 11.000 Berufsverbotsverfahren und 2.200 Disziplinarverfahren. | |
| Und es wundert mich, dass Hamburg das machen will, weil die Stadt sich | |
| gerade vor zwei Jahren von der [2][Berufsverbote-Praxis dieser Zeit | |
| distanziert] hat und ihr Bedauern aussprach, auch gegenüber den damals | |
| Betroffenen und Verfolgten. | |
| taz: Aber nun fürchtet die Stadt die Unterwanderung des Staatsdiensts durch | |
| Islamisten. Das soll 50 Personen schon gelungen sein. Ist das nicht | |
| besorgniserregend? | |
| de Lorent: Es ist zumindest nicht erfreulich. Aber die Personen sind ja | |
| offensichtlich bekannt, sodass man [3][aufgrund ihrer Aktivitäten konkrete | |
| Verfahren durchführen] kann. Dafür braucht man keine 100.000-fache Anfragen | |
| für alle Leute, die in den öffentlichen Dienst wollen. Und man argumentiert | |
| ja [4][auch mit der AfD]. Auch die wird ohnehin beobachtet. Auch | |
| Funktionäre der AfD, auch Abgeordnete, werden erfasst. Und wenn denen | |
| konkret etwas Verfassungswidriges nachzuweisen ist, kann man Verfahren | |
| gegen sie führen. Auch dazu braucht man nicht diese Regelanfrage. | |
| taz: Man könnte sagen, wer zu unserer Verfassung steht, hat nichts zu | |
| befürchten. | |
| de Lorent: Ja, aber nach meinen Erfahrungen von vor 50 Jahren war es so, | |
| dass bei allen studentischen und gewerkschaftlichen Veranstaltungen immer | |
| Vertreter oder Spitzel des Verfassungsschutzes waren. Die schrieben alles | |
| mit und gaben es weiter. Das habe ich selber erlebt. | |
| taz: Sie schrieben darüber ein Buch, „Die Hexenjagd“. | |
| de Lorent: Genau. Und als ich Schriftleiter der Hamburger Lehrerzeitung, | |
| der HLZ, war, wurde die im Bericht des Bundesverfassungsschutzes erwähnt. | |
| Weil es einen aufgeblähten Apparat gab, der interne Mitgliederzeitungen | |
| durchsah und Personen meldete, die etwas schrieben, was nicht passend | |
| schien. Das möchte ich wirklich nicht noch mal wieder erleben. | |
| taz: Die Regelabfrage führt also zu einem aufgeblähten Beobachtungsapparat? | |
| de Lorent: Ja. 3,5 Millionen Regelanfragen gab es in der Zeit von 1970 bis | |
| 1980. Für so eine Regelabfrage müssen zusätzliche Personen beim | |
| Verfassungsschutz eingestellt werden. Das führt nicht nur dazu, dass diese | |
| Personen staatlich tätig sind, sondern auch, dass Spitzeldienste | |
| organisiert werden. Und das ist unerträglich. | |
| taz: Die Regelanfrage soll wieder auch Schulen betreffen. | |
| de Lorent: Ganz genau. In Bayern wird Lisa Poettinger nicht als | |
| Lehramts-Referendarin eingestellt, weil sie Klimaaktivistin ist. Meine | |
| Vision ist, dass junge Leute aus [5][Angst vor Berufsverbot] nicht mal mehr | |
| bei Fridays for Future aktiv sein wollen. Wenn ich mir angucke, wer damals | |
| nach dem Studium nicht eingestellt worden wäre, fallen mir auch Grüne wie | |
| [6][Winfried Kretschmann] oder Krista Sager ein. Deshalb ist mein Appell: | |
| Gebt jungen Leuten die Möglichkeit, sich zu entwickeln, politisch sich | |
| Gedanken zu machen und haut nicht gleich mit der Keule drauf. | |
| taz: Sie sind bei den Grünen. Gibt es intern Kritik an dem geplanten | |
| Gesetz? | |
| de Lorent: Das kann ich nicht sagen, weil ich jetzt lange Zeit mit | |
| Schreibarbeiten beschäftigt war und die interne Diskussion nicht | |
| miterlebte. | |
| taz: Für Ihre Bücher bekommen Sie am 17. November das Bundesverdienstkreuz. | |
| de Lorent: Ja. Für meine NS-Forschungen und die Veröffentlichungen dazu. | |
| taz: Aber erst mal diskutieren Sie am Montag mit Gewerkschaftlern über | |
| diese neue Regelabfrage, unter dem Titel „[7][Nie wieder Berufsverbote“]. | |
| Ist das Gesetz noch zu verhindern? | |
| de Lorent: Das kann ich nicht beurteilen. Aber die Tatsache, dass alle | |
| Hamburger Gewerkschaften, die mit dem öffentlichen Dienst zu tun haben, | |
| also DGB, GEW, Verdi, vehement dafür plädieren, diese Entwicklung zu | |
| stoppen, stimmt mich ein bisschen optimistisch. | |
| 9 Nov 2025 | |
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| [1] /Verfassungsschutz-soll-Bewerber-checken/!6062156 | |
| [2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/behoerde-fuer-inner… | |
| [3] /Durchsuchungen-in-mehreren-Bundeslaendern/!6127075 | |
| [4] /Gesellschaft/!6100492&s=Berufsverbot/ | |
| [5] /Abgeordneter-zu-neuem-Radikalenerlass/!6123189 | |
| [6] /Das-war-keine-Erfolgsgeschichte/!5825816&s=Regelabfrage/ | |
| [7] https://www.linksfraktion-hamburg.de/termine/nie-wieder-berufsverbote-keine… | |
| ## AUTOREN | |
| Kaija Kutter | |
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