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# taz.de -- BMZ-Ministerin vor der UN-Klimakonferenz: „Wir ziehen uns nicht z…
> Ihre Mittel wurden gekürzt. Doch laut Entwicklungsministerin Alabali
> Radovan steht Deutschland zu seiner Verantwortung im Kampf gegen den
> Klimawandel.
Bild: Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan will sich an Zusagen ha…
taz: Frau Alabali Radovan, Sie haben vor sechs Monaten das
Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit
übernommen, dessen Budget im vierten Jahr in Folge [1][massiv gekürzt
wurde]. Bei der UN-Klimakonferenz in Belém werden viele Länder mit Bitten
nach mehr Geld auf Sie zukommen. Wie werden Sie reagieren?
Alabali Radovan: Trotz der wirklich schmerzhaften Kürzungen sind wir
international einer der verlässlichsten Partner. Allein 2024 hat die
Bundesregierung über 6 Milliarden Euro für den Klimaschutz bereitgestellt –
80 Prozent davon aus dem BMZ-Haushalt. Nimmt man private Mittel dazu, sind
es fast 12 Milliarden Euro. Das ist der deutsche Beitrag zur
internationalen Klimafinanzierung. Dass wir mit dem Bundeskanzler, mit
Umweltminister Carsten Schneider als Verhandlungsführer und mir in Belém
vertreten sind, ist ein starkes Signal: Deutschland steht zu seiner
Verantwortung – und zum 1,5-Grad-Ziel.
taz: Die Industrieländer haben letztes Jahr zugesichert, 300 Milliarden
US-Dollar bis 2035 an Klimafinanzierung beizusteuern, eine Verdreifachung
der bisherigen Zusage. Das deutsche Versprechen, noch von Angela Merkel, 6
Milliarden im Jahr dazuzugeben, läuft dieses Jahr aus. Gibt es schon eine
Zahl, mit der Sie nach Brasilien reisen? Eine Verdreifachung wären ja 18
Milliarden.
Alabali Radovan: Natürlich wollen wir einen angemessenen Beitrag leisten.
Aber die Haushaltslage heute ist eine andere. Klar ist: Öffentliche Mittel
allein reichen nicht – wir brauchen mehr private Investitionen und
innovative Partnerschaften – wie unsere Klimapartnerschaften, die JETPs,
die Länder beim Umstieg auf erneuerbare Energien unterstützen. Wir brauchen
die deutsche Wirtschaft an Bord. Darum geht es: neue Wege zu finden, neue
Partnerschaften, die Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung verbinden.
taz: Aber eine konkrete Zahl bringen Sie nicht mit nach Belém?
Alabali Radovan: Sie können sicher sein: Deutschland wird zu seiner
Verantwortung stehen. Große Sorge macht mir, dass Länder sich komplett
zurückziehen, die früher verlässliche Partner im Klimaschutz waren, wie zum
Beispiel die USA. Wir brauchen alle an einem Tisch. Wenn das wegbricht,
gefährdet das mehr als jede Zahl – denn der Klimawandel betrifft uns alle,
er macht nicht an Grenzen halt.
taz: Aus dem Globalen Süden kommt der Vorwurf, dass der Globale Norden
gerne Regeln aufstellt und Rahmenwerke vorgibt, aber nicht das nötige Geld
zur Umsetzung dazugibt. Es macht Ihre Position auf der Klimakonferenz
komplizierter, wenn Sie dann nicht mit einem halbwegs großzügigen Angebot
auftreten können, oder?
Alabali Radovan: Deutschland ist international einer der Staaten, die
vorangehen. Wir sind einer der größten Geber in der internationalen
Klimafinanzierung – ob für die Klimaanpassung, Emissionsminderung und den
neuen Fonds für Verluste und Schäden. Im Gegensatz zu anderen stehen wir zu
unserer globalen Verantwortung, wir ziehen uns nicht zurück – und das
wissen auch unsere Partner.
taz: Sie haben eben [2][von Privatpartnerschaften gesprochen], um weniger
auf öffentliche Mittel angewiesen zu sein. Welche sind das?
Alabali Radovan: Ein Beispiel ist die Kooperation mit der lokalen Metro in
São Paulo, die ich mir auf meiner Reise anschaue: Dort wird deutsche
Technologie eingesetzt für klimafreundliche öffentliche Verkehrsmittel, die
wir mit Krediten unterstützen. Kredite, die mit Zinsen zurückgezahlt
werden. Alle Seiten gewinnen – Arbeitsplätze, weniger Emissionen, moderne
Mobilität. Genau so funktionieren Zukunftsprojekte. Und unsere JETPs in
Ländern wie Südafrika, Indonesien oder Senegal zeigen: Klimapolitik schafft
Chancen.
taz: Das funktioniert aber nur in Bereichen, die profitabel sind, wo Sie
dementsprechend Investoren locken können. Ein Großteil der nötigen
Klimafinanzierung wird in Bereichen gebraucht, die nicht profitabel sind,
und von Ländern, die viel zu hohe Zinsen auf ihre Kredite zahlen. Was für
Ansätze gibt es da?
Alabali Radovan: Wir helfen ihnen, selbst investieren zu können. Etwa durch
Schuldenumwandlungen – also Staaten verpflichten sich gegenüber
Deutschland, eigene Entwicklungsprojekte zu finanzieren, und erhalten im
Gegenzug Schuldenerleichterungen. Wir wollen aber auch illegale
Finanzströme bekämpfen, die allein in Afrika mehr Geld über
Steuerhinterziehung abziehen, als weltweit an Entwicklungsfinanzierung
bereitsteht. Das ist echte Armutsbekämpfung.
taz: Viele Entwicklungsländer fordern, dass sie bei solchen Diskussionen
mit am Tisch sitzen. Sie fordern etwa einen Schuldenrahmen in der UN und
nicht der G20 unter Leitung des IWF. Was sagen Sie denen?
Alabali Radovan: Ich war im Oktober in Washington bei der Jahrestagung der
Weltbank. Dort waren wir eins der wenigen Länder des Globalen Nordens, die
klar fordern: Der Globale Süden muss mehr Mitsprache haben. Es geht um eine
Partnerschaft auf Augenhöhe – und genau das nehme ich auch mit nach Belém.
taz: Es gibt auch andere Vorschläge, wie Staaten Geld eintreiben könnten.
Frankreich, Kenia, Barbados und andere Länder wollen auf dem Klimagipfel
eine globale Solidaritätsabgabe starten. In einem ersten Schritt sollen
Privatflüge und Business-Class-Flüge höher und einheitlicher besteuert
werden. Die Bundesregierung hat noch nicht gesagt, ob sie mitmachen will.
Warum nicht?
Alabali Radovan: Die Verhandlungen laufen ja jetzt erst. Grundsätzlich gilt
für mich: Wir brauchen viele Stränge, um die notwendigen Summen zu
mobilisieren. Es gibt auch viele Ideen, die man diskutieren kann.
Entscheidend ist, dass gemeinsam verabredet Maßnahmen auch tatsächlich
umgesetzt werden und wirken – und dass wir zeigen, dass Multilateralismus
funktioniert.
taz: Mit dem [3][Rückzug der USA aus der globalen Klimaschutzarchitektur]
muss China eine deutlich prominente Rolle einnehmen. Gibt es Bereiche in
der Entwicklungspolitik, in denen Sie enger zusammenarbeiten können?
Alabali Radovan: China ist ein zentraler globaler Akteur, vor allem auf dem
afrikanischen Kontinent. Es arbeitet anders, als wir es tun – stärker
interessenbasiert. Aber gerade deshalb sind Räume wie die
Weltklimakonferenz unverzichtbar, in denen wir gemeinsam sprechen. Dass es
Räume gibt, in denen alle mit am Tisch sitzen und wir gemeinsam in der
Weltgemeinschaft Meinungen und Positionen austauschen können. Denn
Klimapolitik ist eine globale Aufgabe, und wir alle teilen die
Verantwortung.
taz: Sie wollen die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken, private Gelder
mobilisieren. Wie legen Sie die Rahmenbedingungen dafür fest, dass nicht am
Ende die Profite privatisiert, aber die Kosten dafür verallgemeinert
werden?
Alabali Radovan: Wir wollen viel mehr deutsche und europäische Unternehmen
an Projekten der Entwicklungszusammenarbeit beteiligen, aber klar ist:
Jedes Projekt muss den Menschen vor Ort nützen – gute Arbeitsplätze
schaffen, lokale Wertschöpfung stärken und nachhaltige Entwicklung fördern.
Das ist unsere Leitlinie.
taz: Sie wollen zum Beispiel Rohstoffe auch für die Energiewende hier
sichern. Das steht in den meisten Fällen i[4][m direkten Zielkonflikt mit
Indigenen oder Umweltschützern vor Ort], die sagen: „Wir wollen das nicht.“
Gibt es konkrete Vorgaben für die Beteiligung der Unternehmen und auch
Vorgaben, wie sich die Zivilgesellschaft einbringen kann?
Alabali Radovan: Bei den Rohstoffpartnerschaften stimmen wir uns in der
Bundesregierung ab. Die Position des Entwicklungsministeriums ist sehr
klar: Lebenswerte Bedingungen vor Ort, Schutz indigener Gemeinschaften und
Ökosysteme stehen bei uns im Fokus und dürfen nicht gegeneinander
ausgespielt werden.
taz: Lokale Gruppen, die zu Menschenrechten oder Umweltschutz arbeiten,
werden häufig von ihren Regierungen unterdrückt. Gleichzeitig treffen die
Kürzungen öffentlicher Gelder sie am härtesten.
Alabali Radovan: Absolut. Darum arbeiten wir weiter eng mit ihnen zusammen.
Es ist mir sehr wichtig, dass wir die Menschen vor Ort unterstützen. Wo
immer möglich, stärken wir lokale Gruppen – sie sind zentral für
Menschenrechte, Umweltschutz und Anpassung an Klimafolgen.
taz: Aber die Bundesregierung kürzt trotzdem?
Alabali Radovan: Ja, die Kürzungen in diesem Ausmaß treffen leider alle
Bereiche. Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist mir aber besonders
wichtig, weil sie für Resilienz und Demokratie entscheidend ist.
7 Nov 2025
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## AUTOREN
Jonas Waack
Leila van Rinsum
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