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# taz.de -- UN-Klimakonferenz in Brasilien startet: Amibitionierte Action-Agenda
> Die COP verhandelt wieder über die Rettung des Weltklimas. Streit dürfte
> es um Gelder für Klimafolgenanpassung geben. Die wichtigsten Knackpunkte.
Bild: Im Anmarsch: Zehntausende Weltklima-Gesandte treffen sich für zwei Woche…
Wenn die Delegierten der UN-Klimakonferenz am Montag in die Konferenzhallen
strömen, werden sie erst einmal erleichtert aufatmen. Klimaanlagen sollen
den Austragungsort des Gipfels kühlen, damit es am Ende nicht das
zermürbende Tropenwetter ist – 32 Grad, 70 Prozent Luftfeuchtigkeit – die
Verhandlungserfolge gefährden.
Ins Schwitzen kommen werden alle Beteiligten trotzdem: „Die Verhandlungen
sind nicht mehr wie früher“, sagt Petter Lydén, der den Bereich
Internationale Klimapolitik bei der NGO Germanwatch leitet. Was Lydén damit
meint: Die Abkommen und Regeln, die nach dem Pariser Klimaschutzabkommen
2015 vereinbart werden mussten, sind inzwischen nahezu vollständig
ausgearbeitet. „Aber jetzt geht es um Inhalte: Wie schnell kriegen wir die
CO2-Emissionen runter, wer macht das, woher kommt das Geld dafür und an wen
geht es?“
Konkret wird sich in Belém an einer Reihe von Fragen zeigen, ob die
Verhandler*innen mit diesen neuen Fragen der Klimadiplomatie
zurechtkommen.
## 1. Wann geht es denn jetzt endlich so richtig los in Belém?
Zunächst einmal werden sich die Delegierten auf eine Agenda einigen müssen.
Der Start der Vorverhandlungen vor vier Monaten in Bonn verzögerte sich um
zwei Tage, weil einige Entwicklungsländer die finanzielle Verantwortung der
Industriestaaten sowie offene Handelsfragen auf die Tagesordnung setzen
wollten: Ersteres waren Nachwehen eines enttäuschenden Ergebnisses der
vorangegangenen Weltklimakonferenz in Aserbaidschan. Mit offenen
Handelsfragen waren die Zölle gemeint, die die EU und andere
Industriestaaten auf Importe aus dem Globalen Süden erheben.
Die brasilianische Präsidentschaft versucht, die Zollfrage jenseits der
offiziellen Tagesordnung zu klären. Was Jochen Flasbarth (SPD),
Staatssekretär im Bundesumweltministerium, [1][im taz-Interview] auch
durchaus als Erfolg wertete. Und dennoch: realpolitische Konflikte werden
sich kaum aus dem Geschehen in den Konferenzhallen von Belém heraushalten
lassen.
## 2. Wer zahlt am Ende für Klima-Anpassung?
Der zentrale Punkt auf der offiziellen Agenda ist die Klima-Anpassung. Sie
ist im Pariser Klimaschutzabkommen offen geblieben und ziemlich
kompliziert: Fortschritte im Klimaschutz kann man messen, weil der
CO2-Ausstoß sinkt. Aber wie misst man die Anpassung an die Erderhitzung?
8.000 Indikatoren hierfür haben die Vorverhandlungen auf gerade mal 100
eingestampft, [2][inklusive Excel-Tabelle]. Da wird zum Beispiel
festgehalten, wie sich der Wassermangel verändert, oder die Zahl der
Menschen, die von Frühwarnsystemen erreicht werden, oder die Bedrohungslage
von Tier- und Pflanzenarten, die bei der Klima-Anpassung helfen können.
Streit, so viel ist sicher, wird es ums Geld geben: Die ärmsten Länder
fordern eine Verdreifachung der versprochenen Anpassungsfinanzierung auf
120 Milliarden US-Dollar bis 2030 – mehr, als die Industriestaaten bisher
für Klimafinanzierung zur Verfügung gestellt haben. „Der globale Norden
will erst die nötigen Bedingungen im Süden schaffen“, erklärt Sabine
Minninger, Anpassungsexpertin bei der Entwicklungsorganisation Brot für die
Welt. „Der Süden sagt: Gebt uns das Geld und wir kriegen das schon hin,
wälzt das Problem nicht auf uns ab.“
Vor allem sei die Anpassung aber „ein klassisches Kidnapper-Thema“, sagt
Minninger. Die Verhandlungen seien weit genug, um am ersten Tag
verabschiedet zu werden. Aber beim Geld „werden am Schluss die Messer
ausgepackt“. Anders gesagt: Wer an anderer Stelle Druckmittel braucht, kann
bei der Anpassung super blockieren und zum Schluss Zugeständnisse
erzwingen.
## 3. Was bringt Präsident Lulas Waldschutzfonds?
Ein Kompromiss bei der Klima-Anpassung lässt sich der Weltöffentlichkeit
aber kaum als Durchbruch im Klimaschutz verkaufen. Das weiß die
brasilianische Konferenzleitung und will deswegen die sogenannte Action
Agenda in den Mittelpunkt stellen: freiwillige Initiativen von Regierungen,
Unternehmen und der Zivilgesellschaft.
„Um die Action Agenda umzusetzen, brauchen wir keinen Konsens“, sagt Tulio
Andrade, Chefstratege der Konferenzleitung. Der unübersichtliche Wuchs
verschiedenster Initiativen soll zusammengefasst und besser koordiniert
werden.
Lula will außerdem einen anderen großen Schritt in Richtung
Klima-Stabilität an den offiziellen Verhandlungen vorbei machen: Ein 125
Milliarden US-Dollar schwerer Waldschutzfonds wird aufgesetzt, in den
Regierungen zu Anfang 10 Milliarden einzahlen sollen. Insgesamt 25
Milliarden US-Dollar [3][öffentlicher Gelder sollen dann weitere 100
Milliarden privates Kapital anziehen]. Umweltschützer*innen loben die
Idee, den Aufschlag machte Lula schon vor Konferenzbeginn.
Tatsächlich sind 10 Milliarden US-Dollar durchaus erreichbar – so will sich
Brasilien einen Erfolg sichern, egal, was in den Verhandlungssälen
passiert.
## 4. Was passiert bei Ambitionslosigkeit?
Die gute Stimmung könnte aber schnell vorbei sein. Denn dieses Jahr mussten
die Unterzeichner des Paris-Abkommens ihre Klimaziele für das Jahr 2035
einreichen. Viele haben ihr Klimaziel zu spät eingereicht, und fast
[4][alle] Klimaziele sind [5][unzureichend], um die globale Erwärmung im
Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter unter 1,5 Grad zu halten.
„Es braucht eine Antwort auf diese Ambitionslücke“, sagt Martin Kaiser von
Greenpeace. Das Problem: Offiziell verhandelt wird über die Klimaziele erst
nächstes Jahr. Die Brasilianer*innen müssen sich also überlegen, wie
sie das adressieren wollen. Fentje Jacobsen vom WWF hat einen Vorschlag:
Die beschleunigte Umsetzung des Beschlusses zur „Wende weg von fossilen
Brennstoffen“, die vor zwei Jahren auf der COP in Dubai beschlossen wurde.
Die Konferenzleitung wolle jedenfalls einen Beschluss zur Energiewende,
betonte Jacobsen, vielleicht auch im Rahmen der Action Agenda.
## 5. Welchen Einfluss hat die Zivilgesellschaft auf die Verhandlungen?
Seit 2022 haben alle Klimakonferenzen in autoritär regierten Staaten
stattgefunden: Ägypten, die Emirate, Aserbaidschan. Zivilgesellschaftlicher
Protest war schwierig zu organisieren und hatte [6][massive Repressionen zu
befürchten]. In Belém haben sich die zivilgesellschaftlichen Gruppen
deshalb vorgenommen, endlich wieder mehr Druck zu machen und gemeinsam die
„Peoples' COP“ angekündigt, die Klimakonferenz der Völker.
Besonders Bündnisse von Indigenen aus dem Amazonasgebiet wollen erreichen,
dass ihre Anliegen auf der Konferenz gehört werden: Landrechte, Schutz vor
Gewalt, Mitbestimmung, und direkter Zugang zu Klimafinanzierung. „Sie
werden die Stadt mit Protestbildern fluten“, kündigt Anika Schröder der
katholischen Entwicklungshilfeorganisation Misereor an. „Lula wird von der
Zivilgesellschaft daran gemessen werden, wie viel Raum ihnen gegeben wird.“
Die COP findet auch ein Jahr vor den nächsten Präsidentschaftswahlen in
Brasilien statt.
## 6. Was machen eigentlich die USA?
„Solche Aggression habe ich noch nie gesehen“, sagt Laurence Tubiana, eine
der Architekt*innen des Pariser Klimaabkommens. Im Oktober hatten die
USA ein Abkommen zu Klimaschutz in der Schifffahrt verhindert, indem sie
Ländern und sogar Delegierten persönlich mit Konsequenzen wie
Visa-Einschränkungen drohten, sollten sie zustimmen.
Ob die USA auch die Konferenz in Belém torpedieren und wie die anderen
Staaten darauf reagieren, wird im Hintergrund jeder Verhandlungsrunde eine
Rolle spielen. „Wird Europa sich den USA entgegenstellen?“, fragt Tubiana.
Li Shuo von der US-Denkfabrik Asia Society glaubt: Nicht Europa wird
gestärkt aus der Konferenz herausgehen.
„Der Gipfel könnte die gemeinsame Absolventenfeier des Globalen Südens
sein“, sagt er. Vielleicht seien es die Entwicklungsländer, die mit einem
stärkeren Fokus auf Wachstum, Entwicklung und Klimaschutz zusammenfinden –
herbeigeführt nicht durch Druck aus dem Norden, sondern durch die
Abwesenheit von dessen größtem Mitglied, den USA.
## 7. Und retten wir den Planeten jetzt oder nicht?
Diese Frage kann keine Klimakonferenz beantworten. Paris war ein
Durchbruch, weil das Ziel beschlossen wurde – 1,5 bis 2 Grad Erderhitzung
bis 2100. Seitdem wurden immer wieder kleinere Erfolge errungen, 2021
tauchte erstmals das Wort „Kohle“ in einem Kompromiss auf, 2023 die „Wende
weg von den Fossilen“.
Die UN-Klimakonferenzen müssen zehn Jahre nach Paris erst herausfinden,
welchen Beitrag sie zum globalen Klimaschutz leisten können. Brasilien
betreibt schon Erwartungsmanagement: „Das erste Ziel muss es sein, den
Multilateralismus zu stärken“, sagt Tulio Andrade. „Und wir müssen bewahr…
und beschützen, was wir in den letzten zehn Jahren erreicht haben, um in
den nächsten zehn Jahren das Tempo anzuziehen.“ Nach Durchbruch klingt das
nicht, eher nach Übergang.
Und auch Klima-Staatssekretär Jochen Flasbarth sagte im taz-Interview, die
Konferenz sei vor allem dann ein Erfolg, „wenn von ihr das Gefühl ausgeht,
dass der Rest der Welt außer den USA zusammenhält und sich zum UN-Prozess
bekennt“. Und dennoch: Ohne Antworten auf komplizierte Fragen nach Geld,
Verantwortung und Geschwindigkeit werden die UN-Klimagipfel dem Klimachaos
der Welt nicht gewachsen sein.
9 Nov 2025
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=d1WHagggwZo
[2] https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&a…
[3] /Brasilien-mit-neuartigem-Vorschlag/!6115634
[4] /Klimaziele-weltweit/!6111820
[5] /EU-Klimaziel-2040-beschlossen/!6126983
[6] https://www.amnesty.de/pressemitteilung-aserbaidschan-weltklimakonferenz-co…
## AUTOREN
Jonas Waack
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