| # taz.de -- MIT-Professorin Yael Tauman Kalai: „In fünf Jahren werden versch… | |
| > Yael Tauman Kalai hat Grundlagen von Verschlüsselungsmethoden | |
| > mitentwickelt. Sie zeigt, wie wir trotz KI und Quantencomputern mündig | |
| > bleiben können. | |
| Vertrauen ist gut, Beweise sind besser. Mathematische Beweise, die keinen | |
| Zweifel lassen: Diese Informationen sind echt. Hier liest niemand mit. | |
| Jeder Eintrag in der Datenbank ist authentisch. Nichts würde funktionieren | |
| in unserem digitalen Alltag ohne solche Beweise. Onlinebanking, | |
| verschlüsselte Textnachrichten, die Steuererklärung im Internet – alles | |
| undenkbar. | |
| Mit genau solchen Problemen beschäftigt sich Yael Tauman Kalai. Sie ist | |
| Professorin am Massachusetts Institute of Technology (MIT), zählt zu den | |
| führenden Köpfen auf dem Gebiet der Kryptografie – der Kunst, | |
| [1][Informationen so zu verschlüsseln], dass sie nachweisbar vor den Augen | |
| Unbefugter geschützt sind. Einen Namen gemacht hat sie sich vor allem durch | |
| ihre Arbeit an Sicherheitszertifikaten, die nur minimalen Rechenaufwand | |
| verlangen. Das Prinzip ist wie gemacht für Blockchain-Anwendungen [2][und | |
| Kryptowährungen], bei denen jede Transaktion dezentral verifiziert werden | |
| muss. | |
| Yael Tauman Kalai konzentriert sich längst auf neue Aufgaben: das | |
| Entwickeln von Verschlüsselungsmethoden, die auch im Zeitalter von | |
| Quantencomputern sicher sind – [3][denn die Superrechner von morgen | |
| bedrohen die bisher gängigste Methode der Kryptografie]. Ende August ist | |
| Kalai nach Lindau im Bodensee als Gast zum Jahrestreffen der | |
| Wirtschaftsnobelpreisträger gereist. Am Rande der Konferenz nimmt sie sich | |
| Zeit für ein Gespräch mit der taz. | |
| taz: Frau Kalai, die meisten Leute mögen kein Mathe. Verstehen Sie das? | |
| Yael Tauman Kalai: Durchaus. Mathematik an sich ist ja sehr trocken. Da | |
| fragen sich Menschen schnell: Wozu brauche ich das überhaupt? Was ich an | |
| Kryptografie mag, ist, dass es dabei um beinahe philosophische Fragen geht, | |
| die aber eine konkrete Anwendung haben. Was bedeutet es, Dinge zu beweisen? | |
| Wie kann ich etwas tatsächlich wissen? Wie kann ich Dinge vor anderen | |
| verbergen? Das kann ich auch meiner Großmutter leicht erklären. Die | |
| versteht sofort, dass es wichtig ist, den Inhalt einer Nachricht vor | |
| anderen zu verbergen, wenn niemand mitlesen soll. Und der Weg dahin führt | |
| eben über die Mathematik. | |
| taz: Die allerdings sehr komplex ist und für Normalsterbliche kaum zu | |
| begreifen. | |
| Kalai: Mich hat Mathe schon von klein auf fasziniert. Einfach die | |
| Rätselaufgaben: Warum kommt am Ende diese Zahl heraus, wenn ich die eine | |
| mit der anderen multipliziere, dann hier noch etwas abziehe oder dort etwas | |
| hinzufüge? Warum funktioniert das überhaupt? Das hat mich begeistert – aber | |
| gute Noten hatte ich in Mathe nie. | |
| taz: Wie kann das sein? | |
| Kalai: Weil man in der Schule keine Fehler machen darf. Ich dachte zwar | |
| immer, dass ich gut rechnen kann, habe mir aber keine Mühe gegeben, immer | |
| alles zu prüfen, damit es korrekt ist. Also gab es Punktabzug. | |
| taz: Trotzdem gehören Sie heute zu den angesehensten | |
| Mathematiker:innen der Welt. Sind Sie einfach extrem schlau? | |
| Kalai: Das ist ein wirklich bedauerliches Klischee, dieser Gedanke: [4][Oh, | |
| du bist gut in Mathe], dann musst du aber schlau sein! Das ist ja sehr | |
| verbreitet, zumindest in westlichen Ländern, und ich frage mich immer: | |
| Warum? Wenn jemand künstlerisch begabt ist, sagt niemand: Du kannst aber | |
| gut zeichnen – du musst wohl ein Genie sein! Nur bei Mathematik passiert | |
| das. Ich glaube, das verunsichert Kinder. Es gibt ihnen den Eindruck, dumm | |
| zu sein, wenn sie im Rechnen nicht zu den Besten gehören. Also bekommen sie | |
| Angst und wollen noch weniger mit Mathematik zu tun haben. Mathematik mit | |
| Intelligenz gleichzusetzen schadet eher. | |
| taz: Wie sieht Ihre Arbeit aus? Wie funktioniert das, was Sie machen? | |
| Kalai: Nehmen Sie ein ganz simples Beispiel für Verschlüsselung: Wir wollen | |
| eine Nachricht absichern und tauschen dazu Buchstaben aus, auf eine Weise, | |
| die nur wir beide kennen. Aus A wird E, aus B wird F und so weiter. Für | |
| andere ergibt das alles keinen Sinn mehr. Jedenfalls nicht bei einzelnen | |
| Nachrichten. Wenn ein Angreifer die Möglichkeit hat, sehr viele Nachrichten | |
| mitzulesen, kann er Muster erkennen und daraus Rückschlüsse ziehen, wie | |
| sich die Texte entschlüsseln lassen. Das ist meine Aufgabe als | |
| Kryptografin: immer zu überlegen, wie Angreifer vorgehen könnten, um den | |
| Schutz zu knacken. Und natürlich ist das alles viel komplizierter als in | |
| unserem Beispiel. | |
| taz: Was macht Ihnen aktuell am meisten Sorgen? | |
| Kalai: Quantencomputer und künstliche Intelligenz. | |
| taz: Fangen wir [5][mit Quantencomputern] an: Diese Superrechner sind | |
| theoretisch in der Lage, durch schiere Rechenkraft die bisherige gängigste | |
| Verschlüsselungsmethode unbrauchbar zu machen. Aber solche Computer sind ja | |
| noch längst nicht marktreif. | |
| Kalai: Korrekt: Es gibt bisher keine Quantencomputer, die in der Lage sind, | |
| unsere heute üblichen Verschlüsselungsmethoden zu knacken. Aber das könnte | |
| schon in fünf Jahren anders aussehen – und das bedeutet: Nachrichten, die | |
| wir heute verschicken, ließen sich dann rückwirkend entschlüsseln. Man | |
| müsste sie nur bis dahin speichern. Deshalb brauchen wir jetzt schon neue | |
| kryptografische Methoden, die uns effektiv gegen Angreifer aus der Zukunft | |
| schützen. | |
| taz: Gibt es die bereits? | |
| Kalai: Die Risiken, die durch Quantencomputer entstehen, sind seit Langem | |
| bekannt. Deshalb dreht sich seit Jahren ein großer Teil der Forschung | |
| darum, Verschlüsselungsmethoden zu entwickeln, die selbst Quantencomputern | |
| standhalten können. Auch in meiner Arbeit ist das ein Schwerpunkt, und wir | |
| sind jetzt an dem Punkt, dass es quantensichere Lösungen für praktisch alle | |
| Bereiche der Kryptografie gibt. In den USA hat die Behörde NIST, die | |
| technologische Standards setzt, mehrere Verschlüsselungsmethoden für das | |
| Zeitalter der Quantenncomputer offiziell zertifiziert. Was allerdings nicht | |
| heißt, dass unsere Systeme nun im großen Stil quantensicher gemacht werden. | |
| taz: Warum nicht? Sie sagen ja: Eigentlich müsste das dringend passieren. | |
| Kalai: Das Umstellen von der herkömmlichen Verschlüsselung auf eine | |
| quantensichere ist nicht leicht. Es geht häufig um große, sehr komplexe | |
| Systeme – das macht ein Upgrade zur Herausforderung. Aber auch dafür stehen | |
| technische Lösungen bereit. Ob sie implementiert werden, ist eher eine | |
| wirtschaftliche Frage. Wir arbeiten auch noch daran, die Kosten für die | |
| Umstellung zu senken. Aber viele dieser Lösungen für den Umstieg sind schon | |
| jetzt sehr gut und sehr effizient. | |
| taz: [6][Künstliche Intelligenz] ist bereits in unserem Alltag angekommen. | |
| Was beunruhigt Sie daran? | |
| Kalai: Die Technologie ist noch sehr neu, und die Leute nutzen sie bereits, | |
| obwohl KI zahlreiche Risiken mit sich bringt. Die Entwickler kennen die | |
| Schwächen ihrer Systeme. Sie wissen, dass Sprachmodelle nicht immer | |
| verlässlich sind, [7][dass sie halluzinieren] … | |
| taz: … also Dinge erfinden und sie als Fakten darstellen. | |
| Kalai: Aber viele Menschen verlassen sich auf diese Systeme. Sie benutzen | |
| Chatbots wie ChatGPT oder Gemini, stellen Fragen und glauben einfach den | |
| Antworten. Egal, ob sie stimmen. Dabei können falsche Informationen sehr | |
| gefährlich sein – zum Beispiel, wenn es um die Gesundheit geht. | |
| taz: Würde es helfen, wenn wir alle mehr über Mathe wüssten, um die | |
| Algorithmen besser zu verstehen? | |
| Kalai: Natürlich ist ein Verständnis dafür wichtig. Aber ich würde mir vor | |
| allem wünschen, dass in den Unternehmen, die solche KI-Modelle entwickeln, | |
| mehr Leute arbeiten, die gut im Umgang mit anderen Menschen sind. People | |
| skills, das ist etwas, was vielen in der Technikwelt fehlt. Dabei ist es | |
| enorm wichtig, damit die Produkte funktionieren, damit sie uns Menschen | |
| dienen. Ich bin immer beeindruckt von Leuten, die sofort mit anderen eine | |
| Verbindung aufbauen können, die immer zur richtigen Zeit das richtige Wort | |
| finden; die in einen Raum voller fremder Leute kommen und sich nie fehl am | |
| Platz fühlen. | |
| taz: Ihnen geht das anders? | |
| Kalai: Mein Team und ich, wir sind eher die Typen, die in der Schule an der | |
| Seite standen und ausgelacht wurden. Aber zusammen haben wir Spaß. Wenn ich | |
| ins Büro komme, ziehe ich meine Schuhe aus, und wir fangen alle an, Formeln | |
| an die Tafel zu kritzeln. Es hat manchmal etwas Manisches, wenn wir wild | |
| herumschreien: „Das kann ja gar nicht funktionieren!“ – „Doch! Du verst… | |
| es nur nicht…“ – „O ja?“ – „O nein!“ Am Ende sind wir alle völ… | |
| erschöpft, aber es kann hochproduktiv sein. | |
| taz: Wie man an Ihren vielen Auszeichnungen sieht. | |
| Kalai: Die Öffentlichkeit achtet viel zu sehr auf einzelne Namen. Preise | |
| sind immer das Ergebnis von Teamarbeit. Deshalb fühlen sich Auszeichnungen | |
| immer etwas willkürlich an. | |
| taz: Das klingt sehr bescheiden. Der ACM Prize in Computing, den Sie | |
| erhalten haben, gilt als eine der höchsten Auszeichnungen der | |
| Computerwissenschaft. | |
| Kalai: Als meine Kinder hörten, dass ausgerechnet ich diesen Preis bekommen | |
| habe, sagte mein Sohn: „Soll das ein Witz sein?“ Ich habe gefragt, warum, | |
| und meine Tochter meinte: „Na, weil du von Programmieren nicht wirklich | |
| viel Ahnung hast.“ Das fand ich witzig. Aber es stimmt schon, ich bin ja | |
| vor allem Mathematikerin. Code schreiben, das mache ich praktisch nie. | |
| taz: Wie haben Sie Ihren Kindern erklärt, was Sie beruflich machen? | |
| Kalai: Heute sind sie schon älter: 12, 18 und 20 Jahre. Also verstehen sie | |
| alle, womit ich mich beschäftige. Die beiden Älteren studieren sogar selber | |
| Mathematik und Informatik. Aber in der Grundschule sollte meine Tochter mal | |
| aufschreiben, was ihre Eltern beruflich tun, und bei mir stand da: „Sie | |
| arbeitet als Barista im Café.“ | |
| taz: Wie kam Ihre Tochter darauf? | |
| Kalai: Wahrscheinlich, weil ich gern zum Nachdenken in ein Café gehe. In | |
| meinem Büro ist einfach zu viel los. Also setze ich mich in einen | |
| Coffee-Shop und lasse mir durch den Kopf gehen, was mich gerade | |
| beschäftigt. Meist geht es um Wege, mathematisch einen bestimmten Beweis zu | |
| erbringen. Dann grüble ich herum: Okay, wie passen all diese Puzzlestücke | |
| zusammen? Manchmal kritzele ich auch auf einem Blatt Papier herum oder | |
| mache lange Spaziergänge. Für mich ist das wie Meditieren. Ich bin nie | |
| allein. Ich habe immer diese Gedanken im Kopf, die mir Gesellschaft | |
| leisten. | |
| taz: In dem Kopf sind auch die Sorgen. KI ist Ihre größte, sagten Sie. | |
| Warum? | |
| Kalai: Es gibt vieles, das mich beunruhigt. Datenschutz zum Beispiel: Die | |
| Leute vertrauen Chatbots ihre größten Geheimnisse an, fragen sie Dinge, die | |
| sie keinem Menschen verraten würden. Was machen die Anbieter mit diesen | |
| Informationen? Wie verhindern wir Missbrauch? Wie stellen wir sicher, dass | |
| KI-Systeme nicht dazu dienen, Terroristen beim Bau von chemischen oder | |
| biologischen Waffen zu helfen? Es gibt etliche solcher Risiken; deshalb | |
| sehe ich künstliche Intelligenz als das wichtigste Problem an, mit dem mich | |
| die Welt derzeit konfrontiert | |
| taz: Wo sehen Sie dabei Ihre Rolle? | |
| Kalai: Die Fragen zu Wirtschaft und Gesellschaft müssen andere beantworten. | |
| Ich versuche nur, dort zu helfen, wo meine Expertise liegt. | |
| taz: Zum Beispiel? | |
| Kalai: Wie verhindern wir etwa, dass eine KI heimlich mit Terroristen | |
| kommuniziert und ihnen Tipps gibt, wie sie eine Bombe bauen können? Für | |
| solche Fragen gibt es Ansätze aus der Kryptografie, mit denen sich die | |
| Risiken verringern lassen. Wir sind es ja gewohnt, in Risiken zu denken. In | |
| meiner Forschung gehen wir immer davon aus, dass es einen Gegner gibt, der | |
| versucht, unser System anzugreifen. Das ist das Erste, was wir | |
| Student:innen beibringen: „Überlegt euch, wie ein Angreifer vorgehen | |
| würde!“ Man erstellt ein Modellbild des Gegners, versucht, seine Ziele zu | |
| verstehen, und entwickelt eine Strategie, die verhindert, dass der | |
| Angreifer Erfolg hat. Und ich glaube, so müssen wir auch mit künstlicher | |
| Intelligenz umgehen: [8][Wir müssen KI als möglichen Gegner sehen und uns | |
| schützen]. | |
| taz: Das klingt sehr nach der Angst vorm Terminator. | |
| Kalai: Ich sage nicht, dass die Hersteller Böses im Sinn haben. KI als | |
| Technologie bringt auch enorm viel positives Potenzial mit sich. Aber wenn | |
| ein Chatbot Dinge erfindet, verhält er sich aus meiner Sicht böswillig, | |
| denn er gibt mir falsche Antworten. Davor möchte ich Nutzer:innen | |
| schützen, ihnen klarmachen, dass sie fehlerhafte Informationen von der KI | |
| erhalten. | |
| taz: Wie könnte das aussehen? | |
| Kalai: Was ich mir wünsche, ist eine Art Zertifikat, mit dem wir | |
| rechnerisch nachweisen können, dass die Antwort, die ein KI-Modell liefert, | |
| vertrauenswürdig ist – und bei falschen Antworten gibt es eine Warnung: ein | |
| rotes X oder so etwas, damit Menschen wissen, dass die KI halluziniert hat. | |
| taz: Kann das überhaupt funktionieren? | |
| Kalai: Es ist auf jeden Fall ein sehr kniffliges Problem. In meiner Arbeit | |
| ging es ja bisher sehr stark darum, Beweise für Korrektheit zu erbringen. | |
| Künstliche Intelligenz stellt uns dabei vor ganz neue Herausforderungen, | |
| denn oftmals gibt es keine klar definierten Rechenschritte. Da diese | |
| Systeme auf Basis von Statistik arbeiten, entstehen viele Unschärfen. Wie | |
| verifizieren wir also, dass die KI eine Antwort korrekt berechnet hat? Bei | |
| Faktenwissen mag das noch gehen; in anderen Fällen stellt sich die | |
| grundsätzliche Frage, was „korrekt“ überhaupt bedeutet. Zum Beispiel, wenn | |
| ich einen Chatbot frage, ob ich lieber in Paris oder Peking Urlaub machen | |
| sollte. | |
| taz: Fühlen Sie sich von der Entwicklung überrollt? | |
| Kalai: Ich sehe die große Gefahr, dass eigentlich alles zu schnell geht. | |
| Die Technologie ist noch ganz jung, wir sind gesellschaftlich nicht bereit | |
| für sie und wissen nicht, ob KI wirklich sicher ist. Aber natürlich will | |
| kein Unternehmen auf die Bremse treten, weil jeder, der sich zurücknimmt, | |
| aus dem Rennen ist. Eigentlich bräuchten wir so etwas Ähnliches wie den | |
| Atomwaffensperrvertrag. Unser Ziel müsste sein, dass sich alle Beteiligten | |
| weltweit zurücknehmen und ihre Rechenkraft begrenzen. Das würde Tempo | |
| herausnehmen und uns Zeit geben, mit den Risiken besser umzugehen. | |
| taz: Ist das realistisch? Wer würde sich an solch einer Aktion beteiligen? | |
| Kalai: Natürlich könnten Unternehmen sagen: „Da machen wir nicht mit.“ Ab… | |
| dann gäbe es die Möglichkeit, Sanktionen zu verhängen – so, wie wir es auch | |
| in anderen Fällen tun. Im Grunde haben wir ja alle dasselbe Ziel: Wir | |
| wollen den Nutzen der KI ausschöpfen und zugleich die Risiken minimieren. | |
| Ich glaube, selbst die Unternehmen, die natürlich Gewinne machen wollen, | |
| würden sagen: „Okay, wenn wir uns alle einigen können, an diesem Punkt | |
| aufzuhören, dann hören wir da auf.“ Ich bin gespannt, ob es dazu eine | |
| Initiative aus der Politik gibt. Diskutiert wird das sicher nonstop, da bin | |
| ich sicher. Die Frage ist nur, was dabei herauskommt. | |
| taz: Warum glauben Sie, dass Unternehmen wie OpenAI bereit wären, sich | |
| zurückzunehmen? | |
| Kalai: Ich bin mit vielen Leuten gut befreundet, die in diesen Unternehmen | |
| arbeiten: Anthropic, OpenAI, Google und so weiter. Mein Mann ist selbst als | |
| Computerwissenschaftler bei OpenAI angestellt. Deshalb kenne ich die Szene | |
| sehr gut – und diese Leute haben Angst. Sie machen sich große Sorgen, dass | |
| KI nicht sicher ist. Das ist für mich das wirklich Erschreckende: Die | |
| Menschen, die sich vor dieser Technologie fürchten, sind die Expertinnen | |
| und Experten, die sie entwickeln; die Leute im Silicon Valley selbst. Sie | |
| versuchen zwar, KI sicher zu machen – aber es geht einfach alles sehr, sehr | |
| schnell. | |
| taz: Die Szenarien, mit denen Sie sich beschäftigen, klingen wirklich | |
| beängstigend. Können Sie überhaupt abschalten? | |
| Kalai: Doch, doch. Da habe ich Glück. Es gibt viele Leute auf meinem | |
| Gebiet, denen das schwerfällt. Aber wenn ich mit meiner Familie zusammen | |
| bin, denke ich keinen Moment an meine Arbeit. Da bin ich auch kein Mensch, | |
| der groß auf Sicherheit oder Privatsphäre achtet. Ich schließe nie etwas | |
| ab. Die Haustür, das Garagentor, das Auto – alles bleibt offen. Ich mag | |
| nicht in Angst leben. | |
| taz: Ausgerechnet die Sicherheitsexpertin zeigt sich so ungeschützt? | |
| Kalai: Ich bin bereit, mit solchen Risiken zu leben – es sei denn, es geht | |
| um meine Arbeit. Da dreht sich alles um mathematische Beweise und | |
| intellektuelle Neugierde. Aber im Privatleben gehöre ich eher zu den | |
| Leuten, die von Passwörtern genervt sind und aus Bequemlichkeit am liebsten | |
| „12345“ eingeben würden. | |
| taz: Widerspricht das nicht komplett ihrem Fachwissen? | |
| Kalai: Wissen Sie, privat lebe ich in einer Wohlfühlblase. Denn wenn ich | |
| nicht in dieser Blase leben würde, wäre ich wahrscheinlich depressiv. Die | |
| Welt da draußen ist ja eher düster. Deshalb setze ich mir meine rosarote | |
| Brille auf, wenn ich nach Hause fahre, und tue so, als wäre alles in | |
| Ordnung. Ich habe nun mal nur dieses eine Leben, und ich sehe es als meine | |
| Aufgabe an, dieses Leben zu genießen und auch anderen Menschen Freude zu | |
| bereiten – selbst wenn das komplett im Gegensatz zu dem steht, womit ich | |
| mich beruflich beschäftige. Und auch da arbeite ich ja daran, dass Probleme | |
| gelöst werden, und nicht, dass neue hinzukommen. | |
| 18 Oct 2025 | |
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