| # taz.de -- Nahost-Konflikt in Berlin: Mit harter Hand | |
| > Die Berliner Justiz ächzt unter der Zahl der Strafverfahren mit | |
| > Nahost-Bezug. Doch viele Vorwürfe entpuppen sich vor Gericht als nicht | |
| > haltbar. | |
| Bild: Vorläufig festgenommen: Berliner Polizisten bringen einen Demonstranten … | |
| Berlin taz | Demonstrationen, Besetzungen, Blockaden, Camps: Seit dem | |
| Terroranschlag der Hamas auf Israel vor zwei Jahren und im Angesicht des | |
| andauernden Kriegs in Gaza [1][steht Berlin im Fokus von zahlreichen | |
| Protesten] und anderen Aktionen. Die Berliner Polizei hat seit dem 7. | |
| Oktober 2023 rund 1.700 Versammlungen mit Nahost-Bezug registriert – das | |
| sind im Schnitt mehr als zwei pro Tag. Den Großteil davon – rund 60 Prozent | |
| – ordnet die Versammlungsbehörde als palästinasolidarisch ein. Ein Viertel | |
| gilt als proisraelisch, der Rest ist nicht zuzuordnen. In 24 Fällen wurden | |
| Demos verboten, allesamt aus dem propalästinensischen Spektrum. | |
| Auch zum Jahrestag am Dienstag sind mehrere Gedenkveranstaltungen und teils | |
| umstrittene Kundgebungen geplant. Die Polizei wird mit einem Großaufgebot | |
| im Einsatz sein. | |
| Die Auseinandersetzungen in Berlin rund um das Hamas-Massaker und Israels | |
| Krieg schlagen sich unterdessen auch in einer massiven Welle an | |
| Strafverfahren nieder. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat in den | |
| vergangenen zwei Jahren rund 6.400 Verfahren im Zusammenhang mit dem | |
| Nahost-Konflikt verzeichnet, wie die Behörde am Montag auf taz-Anfrage | |
| mitteilte. Dabei ging es in mehr als 2.000 Fällen um Vorfälle bei | |
| Demonstrationen, etwa [2][vermeintliche Widerstandshandlungen oder tätliche | |
| Angriffe auf Polizist*innen], aber auch Aussagedelikte, wie das Rufen | |
| von möglicherweise verbotenen Parolen. | |
| Zusätzlich dazu dürften viele weitere Ermittlungsverfahren noch bei der | |
| Polizei liegen, die diese noch nicht an die Staatsanwaltschaft übergeben | |
| hat. Die Berliner Justiz ächzt bereits jetzt: „Durch die bislang rund 6.400 | |
| zusätzlichen Verfahren ergibt sich eine erhebliche Mehrbelastung der | |
| Strafverfolgungsbehörden“, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft | |
| gegenüber der taz. | |
| ## Kein hinreichender Tatverdacht | |
| Die Statistik zeigt aber auch: Nur relativ wenige Strafverfahren landen | |
| überhaupt vor Gericht. Zum Beispiel wurde von den mehr als 2.000 Verfahren | |
| im Zusammenhang mit Protesten rund die Hälfte eingestellt – ein Großteil | |
| davon, weil kein hinreichender Tatverdacht bestand. Von den über 4.000 | |
| weiteren Verfahren wurde sogar mehr als die Hälfte eingestellt – hier vor | |
| allem, weil keine Tatverdächtigen ermittelt werden konnten, etwa weil es | |
| sich um [3][Schmierereien an Hauswänden] handelte. | |
| Doch selbst wenn es tatsächlich zum Gerichtsprozess kommt, enden diese oft | |
| mit Freisprüchen oder niedrigen Geldstrafen. Bislang wurden erst drei | |
| Freiheitsstrafen ohne Bewährung sowie 16 auf Bewährung verhängt. | |
| Das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin steht deshalb | |
| seit Langem in der Kritik. In vielen Fällen [4][entpuppen sich Vorwürfe vor | |
| Gericht als nicht haltbar]. „Richter*innen schütteln den Kopf angesichts | |
| dessen, was dort angeklagt wird“, beobachtet etwa der Strafverteidiger | |
| Benjamin Düsberg, der viele Fälle mit Nahost-Bezug betreut. | |
| Die Hauptverantwortung für die hohe Zahl an Strafverfahren infolge von | |
| Demonstrationen sieht Düsberg bei der Staatsanwaltschaft selbst. „Die | |
| Staatsanwaltschaft gibt die Grundlinien vor, welche Äußerungen als strafbar | |
| anzusehen sind und welche nicht“, sagte er am Montag zur taz. | |
| In der Folge eskaliere die Lage bei Demonstrationen oft, [5][weil die | |
| Polizei vermeintlich strafbare Parolen ahnden wolle] und dafür gewaltsam | |
| gegen die Protestierenden vorgehe. Im Handgemenge komme es dann zu | |
| Vorfällen, die als Widerstandshandlungen sowie Angriffe auf | |
| Polizist*innen angezeigt würden – und in der Polizeistatistik als | |
| „Gewalttaten bei Demonstrationen“ geführt werden. | |
| Aber: „Gerichte sehen vieles anders als die Polizisten“, erzählt Düsberg. | |
| Videoaufnahmen hätten schon oft die [6][Aussagen der Polizei zu | |
| vermeintlicher Gewalt von Demonstrant*innen widerlegt], betont der | |
| Anwalt. Auch Äußerungsdelikte würden nur selten verurteilt. Das zeigte sich | |
| zuletzt etwa in einer [7][Reihe von Freisprüchen] nach der Verwendung der | |
| umstrittenen Parole „From the River to the Sea“. | |
| 7 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Propalaestinensische-Szene-/!6112173 | |
| [2] /Verletzter-Polizist-bei-Nakba-Demo/!6085836 | |
| [3] /Nahostkonflikt-an-Berliner-Fassaden/!6025772 | |
| [4] /Palaestina-Solidaritaet-in-Berlin/!6099452 | |
| [5] /Umgang-mit-Palaestina-Parole/!6104185 | |
| [6] /Nakba-Demo-in-Berlin/!6100599 | |
| [7] /Parole-From-the-River-to-the-Sea/!6102016 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanno Fleckenstein | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Polizei Berlin | |
| Meinungsfreiheit | |
| Strafverfolgung | |
| Demonstrationen | |
| Social-Auswahl | |
| Polizeigewalt | |
| Polizei Berlin | |
| Palästina | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Polizei Berlin | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Polizeigewalt auf Gaza-Demos: Ein Freifahrtschein für Schläger | |
| Zahlreiche Videoaufnahmen zeugen von enthemmter Gewalt gegenüber | |
| pro-palästinensischen Demonstrierenden. Der Aufschrei bleibt nahezu völlig | |
| aus. | |
| Nahost-Konflikt und Meinungsfreiheit: Junge Demonstrantin in zweiter Instanz fr… | |
| Ist die Frage „Haben wir nichts aus dem Holocaust gelernt?“ auch erlaubt, | |
| wenn es um Gaza geht? Für das Berliner Landgericht ist sie das. | |
| Pro-palästinensische Szene: Am Tiefpunkt | |
| Am Jahrestag des 7. Oktober zeigt sich: Die Pali-Szene hat sich in eine | |
| Sackgasse manövriert. Offener Jubel über Hamas-Verbrechen ist nun Konsens. | |
| Verbotene Kundgebung in Berlin: Polizei kesselt Palästina-Demo ein | |
| Trotz Verbot haben sich am Dienstagabend hunderte | |
| Palästina-Aktivist*innen am Alexanderplatz versammelt. Zum Teil war die | |
| Lage unübersichtlich. | |
| Pali-Proteste in Berlin: Demo-Verbot folgt auf Glorifizierung | |
| Bei einer Straßenblockade wird palästinensischen Kämpfern gehuldigt. Eine | |
| Kundgebung am Abend hat die Versammlungsbehörde verboten. | |
| Überlebender des 7. Oktober im Gespräch: „Wir müssen diesen Albtraum beend… | |
| Amir Tibon überlebte den Angriff der Hamas auf seinen Kibbuz nur knapp. | |
| Welche Fehler Israel damals machte und warum er hofft, dass der Krieg | |
| endet. | |
| Die Angst von Jüdinnen und Juden: „Fühle mich in meiner eigenen Heimat geja… | |
| Der 7. Oktober 2023 hat das Leben vieler Jüdinnen und Juden in Berlin | |
| nachhaltig verändert. Zwei junge Menschen erzählen von Anfeindungen im | |
| Alltag. | |
| Propalästinensische Szene: Solidarität sucht Anschluss | |
| Eine Mehrheit der Deutschen sieht Israels Kriegsführung in Gaza kritisch. | |
| Doch eine breite Demo-Bewegung gibt es nicht. Warum ist das so? | |
| Parole „From the River to the Sea“: Anwält*innen fordern Ende der Kriminal… | |
| In einem Brief an Berlins Polizei und Justiz drängen Dutzende | |
| Anwält*innen auf ein Ende der Strafverfolgung der Parole „From the River | |
| to the Sea“. | |
| Palästina-Solidarität in Berlin: Gängeln, verbieten – scheitern | |
| Politik und Polizei gehen mit aller Härte gegen die Palästina-Bewegung vor | |
| – und schießen damit regelmäßig weit übers Ziel hinaus. |