Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pro-palästinensische Szene: Am Tiefpunkt
> Am Jahrestag des 7. Oktober zeigt sich: Die Pali-Szene hat sich in eine
> Sackgasse manövriert. Offener Jubel über Hamas-Verbrechen ist nun
> Konsens.
Bild: Konfrontation unvermeidlich
Es gibt sehr viele Gründe, um für Palästina auf die Straße zu gehen. Doch
es gibt einen entscheidenden Grund, der das allzu oft verunmöglicht: der
radikale Teil der pro-palästinensischen Bewegung. Ausgerechnet am Jahrestag
des Überfalls auf Israel durch die Hamas und weiterer militanter
palästinensischer Gruppen hat sich dieser Teil der Szene vollends blamiert.
Ihr Auftreten ist anti-emanzipatorisch, empathiefrei, würdelos.
Innerhalb dieses aktivistischen Spektrums wird man sich durch die
Ereignisse rund um die geplante Kundgebung am Abend des 7. Oktober am
Berliner Alexanderplatz wie immer bestätigt fühlen. [1][Erst ein Verbot
durch den Repressionsstaat, dann ein gewaltvoller Einsatz und Kessel] durch
die Polizei gegen viele hundert Aktivist:innen, die trotzdem gekommen
waren. Nur: Die Basis, damit ihr Ruf nach Empörung und Solidarität eine
Antwort finden kann, haben sie selbst zerstört.
Schon am Vormittag des Jahrestages jenes Angriffes, bei dem vor zwei Jahren
1.200 Menschen, in der Mehrzahl Zivilist:innen, abgeschlachtet und 250
entführt wurden, präsentierte sich die Szene von ihrer unmenschlichsten
Seite, indem sie sich mit den Angreifern gemein machte. [2][„Glory to the
fighters“] stand da während einer Straßenblockade in Friedrichshain auf
einem riesigen Banner. Ruhm also für die islamistischen Kämpfer der Hamas
und ihren Blutrausch.
Dass das ganz genau so gemeint war, zeigte der Aufruf für die Kundgebung am
Abend, die von der Versammlungsbehörde – man muss sagen, leider zu Recht –
verboten wurde. Gehuldigt wurde darin dem „heldenhaften Ausbruch aus dem
Gefängnis“, der das „zionistische Regime“ erschütterte. Und weiter: „…
Oktober zeigte der palästinensische Widerstand der Welt, dass es möglich
ist, die ‚allmächtige‘ zionistische Entität zu besiegen. Die Menschen in
Gaza haben nicht um ihre Freiheit gebettelt, sie haben sie erobert.“
## Hamas-Fans bekennen sich
Lange haben sich die pro-palästinensischen Aktivist:innen dagegen
gewehrt, als „Hamas-Fans“ und „Israel-Hasser“ verunglimpft zu werden, w…
es etwa die Springer-Medien systematisch tun, um jede Kritik an einer
verbrecherischen Kriegsführung Israels abzuwehren. Doch mit diesem Aufruf
hat sich die Szene bewusst auf diese Seite gestellt. Und noch mehr: Mit der
Zuschreibung der „allmächtigen“ Juden bedienen sie sich ungeniert
antisemitischer Narrative. Die Anführungszeichen mögen eine letzte
Schamgrenze sein; wert ist sie nichts.
In den zwei Jahren des Aufschreis gegen die Zustände in Gaza, im
[3][Nichtgehört- und auch im Verprügeltwerden], hat sich bei zu vielen der
Konsens durchgesetzt: Gegen Israel – oder: die Juden – ist alles erlaubt.
Während man sich hier über Polizeigewalt beschwert, wird den von der Hamas
Ermordeten, Vergewaltigten und Entführten die Unschuld abgesprochen. Die
Billigung des 7. Oktober mag einer Trotzhaltung entspringen, zu
rechtfertigen ist sie niemals.
Gern würde man sagen, es ist nur eine Provokation weniger Radikaler, die
sich behaupten wollen angesichts einer kippenden gesellschaftlichen
Stimmung in Deutschland, die viel zu spät ihre Kritik an Israels Massenmord
und der systematischen Zerstörung aller Lebensgrundlagen in Gaza entdeckt
hat. Doch die Verbreitung des Aufrufs zeigt: Die relevanten Player der
Szene, die seit zwei Jahren ununterbrochen auf der Straße ist, stehen
dahinter; es sind die relevanten Gruppen und Accounts, die ihn geteilt
haben – und zwar ohne jede wahrnehmbare Kritik aus der eigenen Bubble, auch
nicht von ihren reichweitenstarken Influencern und Journalist:innen.
Die Aufrufe zu der Kundgebung kamen nicht aus der islamistischen Ecke,
sondern von Akteuren mit einem linken Selbstverständnis: Gruppen, die sich
als antiimperialistisch begreifen, solche, die Attribute wie
„feministisch“, „antifaschistisch“ oder „anarchistisch“ im Namen tr…
Selbsternannte Linke, die sich der dazugehörigen Werte wie Humanismus und
Gerechtigkeit entledigt haben. Und auch der Logik: Denn das, was da als
Sieg gefeiert wird, hat nicht nur über viele Israelis unermessliches Leid
gebracht, sondern in der Folge vermutlich mehr als 100.000 Menschen in Gaza
das Leben gekostet und das aller anderen zur Hölle gemacht.
Die Unfähigkeit zwischen dem Einsatz für Palästina und den Verbrechen, die
in diesem Namen begangen werden, zu trennen, macht es nahezu
ausgeschlossen, dass eine pro-palästinensische Bewegung in Deutschland
Erfolge erzielt. 100.000 Menschen, die noch vor zwei Wochen in Berlin ohne
Hamas-Begeisterung auf die Straße gegangen sind, werden damit ihren Gegnern
zum Fraß vorgeworfen. Wer dabei am Ende auch verliert: die Menschen in
Gaza.
8 Oct 2025
## LINKS
[1] /Verbotene-Kundgebung-in-Berlin/!6118414
[2] /Pali-Proteste-in-Berlin/!6118030
[3] /Nahost-Konflikt-in-Berlin/!6115245
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Palästina
Polizei Berlin
7. Oktober 2023
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Bundestag
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gedenken an den 7. Oktober: „Schalom und Salam“
In einer aktuellen Stunde haben die Abgeordneten des Bundestags der Opfer
des 7. Oktober gedacht. Auch der Friedensplan für Gaza prägte die Debatte.
Verbotene Kundgebung in Berlin: Polizei kesselt Palästina-Demo ein
Trotz Verbot haben sich am Dienstagabend hunderte
Palästina-Aktivist*innen am Alexanderplatz versammelt. Zum Teil war die
Lage unübersichtlich.
Pali-Proteste in Berlin: Demo-Verbot folgt auf Glorifizierung
Bei einer Straßenblockade wird palästinensischen Kämpfern gehuldigt. Eine
Kundgebung am Abend hat die Versammlungsbehörde verboten.
Nahost-Konflikt in Berlin: Mit harter Hand
Die Berliner Justiz ächzt unter der Zahl der Strafverfahren mit
Nahost-Bezug. Doch viele Vorwürfe entpuppen sich vor Gericht als nicht
haltbar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.