# taz.de -- Zweistaatenlösung im Nahen Osten: Der Lackmus-Test | |
> Ein Stimmungsbild zeigt, dass etliche Staaten auf UN-Ebene Palästina als | |
> Staat anerkennen wollen. Doch was folgt daraus? | |
Bild: Israelische Soldaten blockieren eine Straße im Westjordanland | |
Dafür: 142. Dagegen: 10. Enthaltungen: 12. Ein eindeutiges Stimmungsbild. | |
Damit setzte jüngst die Annahme [1][der New-York-Deklaration] zur | |
„Unterstützung der New Yorker Erklärung zur friedlichen Lösung der | |
Palästinafrage und zur Umsetzung der Zweistaatenlösung“ ein Zeichen. Unter | |
den wenigen Gegenstimmen der votierenden UN-Mitgliedstaaten sind – nicht | |
überraschend – Israel und die USA. Einige der 193 UN-Mitgliedstaaten haben | |
nicht teilgenommen, etwa die Islamische Republik Iran. Doch die Mehrheit | |
der Weltgemeinschaft hat klargemacht: Sie will eine Lösung des | |
Nahostkonflikts und die Existenz der Staaten Israel und Palästina | |
nebeneinander. | |
Das Bekenntnis zur Zweistaatenlösung ist nicht neu: Anfang der 1990er | |
verhandelten Norwegen und auch die USA die Oslo-Abkommen zwischen den | |
Palästinensern und Israel. Dabei wurde die Palästinensische | |
Autonomiebehörde (PA) geschaffen, sie kontrolliert bis heute Teile des | |
Westjordanlands und bis zur Machtübernahme der Hamas 2007 auch den | |
Gazastreifen. Das sollte der Beginn des Wegs zu einem palästinensischen | |
Staat sein. | |
Auf dem Boden sieht die Lage ganz anders aus. Im Gazastreifen führt das | |
israelische Militär einen Krieg, dessen Brutalität ein UN-Komitee jüngst | |
dazu veranlasste, [2][Israel einen Genozid vorzuwerfen.] In Israel selbst | |
massakrierten die Hamas und andere Terrorgruppen am 7. Oktober 2023 über | |
1.000 Menschen, entführten Hunderte – die Wunden sitzen tief. Im | |
Westjordanland gehen israelische Siedler mit massiver Gewalt gegen | |
Palästinenserinnen und Palästinenser vor, während ihre Regierung sie vor | |
den eigenen Gesetzen schützt und nebenbei immer mehr Siedlungen genehmigt. | |
Die New-York-Deklaration, entstanden bei der Konferenz zur | |
Zweistaatenlösung unter der Schirmherrschaft von Saudi-Arabien und | |
Frankreich im Juli, soll einen Weg aus der Misere zeichnen. Zusammengefasst | |
steht darin: Der Krieg in Gaza muss enden, die Geiseln freikommen, die | |
Hamas ihre Herrschaft im Gazastreifen beenden und ihre Waffen an die PA | |
abgeben. Ein palästinensischer und ein israelischer Staat müssen friedlich | |
Seite an Seite existieren. Und ein Ende des Israel-Palästina-Konflikts soll | |
für eine „regionale Integration“ sorgen. | |
## Es hat sich so viel getan, wie lange nicht | |
Die Diskrepanz zwischen der Skizze der New-York-Deklaration und den | |
Entwicklungen vor Ort ist enorm. Am 22. September findet nun erneut eine | |
Konferenz zur Palästinafrage und der Zweistaatenlösung statt. Doch was | |
bringen die Gespräche, wenn Israel als Staat und Besatzungsmacht, gemeinsam | |
mit den USA, die Zweistaatenlösung grundsätzlich ablehnt? Die Konferenz, | |
einen Tag vor Beginn der UN-Vollversammlung in New York, ist damit auch | |
eine Art Lackmus-Test: Werden die Staaten es schaffen, der Deklaration auf | |
dem diplomatischen Parkett Taten folgen zu lassen? | |
Diplomatisch hat sich in der Palästinafrage während der vergangenen beiden | |
Jahre so viel getan wie lange nicht: Mindestens neun Staaten haben erstmals | |
Palästina als Staat anerkannt, darunter Spanien. Frankreich will die | |
Anerkennung formalisieren, Belgien hat sie in Aussicht gestellt. | |
Und einhergegangen ist mit diesem diplomatischen Lauf für die | |
Palästinensische Autonomiebehörde und die Palästinensische | |
Befreiungsorganisation das Gegenteil für den Staat Israel. Dessen Vorgehen | |
trug dazu stark bei: Es ist verständlich, dass Israel sich nach dem 7. | |
Oktober 2023 gegen Hamas und andere verteidigen musste. Doch nur Monate | |
später, im Frühling 2024, kamen auch bei Verbündeten wie Deutschland | |
Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Vorgehens auf. Damals plante Israel | |
gerade die Einnahme von Rafah, in der zu diesem Zeitpunkt viele | |
Binnengeflüchtete untergekommen waren. Die damalige deutsche | |
[3][Außenministerin Annalena Baerbock] sprach sich deutlich dagegen aus, | |
wie auch andere westliche Politiker. Israel zog sie dennoch durch und hält | |
bis heute die gesamte Grenze zu Ägypten unter seiner Kontrolle. | |
Die zweite große Bruchlinie war wohl die Blockade von Hilfs- und | |
kommerziellen Gütern seitens Israel von März bis Ende Juli 2025. Die sich | |
dadurch schnell verschlechternde humanitäre Lage in dem Küstenstreifen | |
erfuhr international viel negative Aufmerksamkeit. Die dritte Bruchlinie – | |
die nun begonnene [4][Offensive auf Gaza-Stadt] – veranlasste Kanzler | |
Friedrich Merz sogar dazu, Waffenlieferungen an Israel auszusetzen. | |
## Israels Offensive soll Monate dauern | |
Während Israel konfrontativ auftritt, setzt die Palästinensische | |
Autonomiebehörde auf Annäherung. Man kann einiges an ihr – und damit an | |
einem künftigen palästinensischen Staat– kritisieren: die anhaltenden | |
Korruptionsvorwürfe. Die personelle Abhängigkeit von ihrem 89-jährigen | |
Präsidenten Mahmud Abbas. Der wiederkehrende Vorwurf antisemitischer | |
Inhalte in Schulbüchern. Und die Zahlungen, die die Autonomiebehörde an | |
Angehörige getöteter oder in israelischen Knästen sitzender Militanter | |
vornahm. | |
Gegen die Korruption wurde im vergangenen Jahr ein neuer, als unkorrupt | |
geltender Premierminister mitsamt eines neuen Kabinetts eingesetzt. Dann | |
wurde der Posten des Vizepräsidenten etabliert. Und nun scheint die im | |
Winter angekündigte Reform der Zahlungen – von Israel „Pay for Slay“ | |
geschimpft – tatsächlich erfolgt, berichtet die Times of Israel. | |
Die Offensive auf Gaza-Stadt soll laut israelischer Medien mit Bezug auf | |
die Armee Monate dauern. Damit wird Israel seine eigene Isolation wohl | |
weiter vorantreiben und die Position der Palästinenser weltweit wohl | |
stärken. Die Frage bleibt: Bringt es was – über geduldiges Papier hinaus? | |
21 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /UN-Versammlung-in-New-York/!6099594 | |
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## AUTOREN | |
Lisa Schneider | |
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