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# taz.de -- Deutschland über Zweistaatenlösung: Das Zögern der Deutschen
> Immer mehr westliche Staaten erkennen Palästina an – Deutschland beharrt
> auf der Zweistaatenlösung und gerät damit in Europa in die Isolation.
Bild: Alltag vieler Palästinenser: Gewaltätige Siedler in Hebron. Deutschland…
Berlin taz | Auch nachdem weitere westliche Staaten, [1][darunter
Großbritannien und Kanada, Palästina als Staat anerkannt haben], lehnt
Deutschland einen solchen Schritt ab. Außenminister Johann Wadephul (CDU),
der am Montag zur UN-Generalversammlung nach New York reiste, erklärte vor
seiner Abreise: Für Deutschland stehe die Anerkennung eines
palästinensischen Staats eher [2][am Ende des Prozesses zu einer
Zweistaatenlösung]. Diese – „so fern sie auch gerade in diesen Stunden ist…
– sei der Weg, der Israelis wie Palästinensern ein Leben in Frieden,
Sicherheit und Würde ermöglichen könne.
Obwohl diese Position bekannt ist, trug Wadephul sie mit neuer
Dringlichkeit vor: „Ein solcher Prozess muss jetzt beginnen“, betonte der
Außenminister und forderte einen umgehenden Waffenstillstand sowie mehr
humanitäre Hilfe für Gaza.
Ob die Bundesregierung, die zwischen historischer Verantwortung gegenüber
Israel und dem Beharren auf Einhaltung von Völker- und Menschenrecht
laviert, bei Israels rechter Regierung Gehör findet, ist indes fraglich.
Beim Koalitionspartner SPD ist man hingegen bereit, neue Töne anzuschlagen
– und zeigt Verständnis für die Entscheidung vieler westlicher Demokratien
zur [3][Anerkennung Palästinas].“ Der außenpolitische Sprecher der Fraktion
Adis Ahmetovic nennt dies einen „konsequenten Schritt in der eigenen
Nahostpolitik.“ Als SPD habe man auf dem jüngsten Parteitag beschlossen,
„dass die Anerkennung nicht zwingend am Ende stehen muss.“ Europa benötige
eine geschlossene Position – „die auf einen neuen Prozess zur
Zweistaatenlösung setzt.“ Nur so könne dauerhafter Frieden in der Region
entstehen.
## Auffordung an Deutschland
Das ist eher als Aufforderung an Deutschland zu verstehen. Denn innerhalb
der EU steht Deutschland gemeinsam mit Italien zunehmend isoliert da.
Nachdem Schweden 2014 Palästina anerkannte, folgten im vergangenen Jahr
weitere europäische Länder, darunter Spanien. Aktuell hat sich auch
Portugal dazu entschlossen.
Frankreich verkündete ebenfalls die Absicht und reiht sich somit in die
Reihe jener ein, die Israels Regierung auf diese Weise zwingen wollen, die
Annexion des Gaza-Streifens und des Westjordanlandes zu beenden.
Premierminister Benjamin Netanjahu erteilte einer Zweistaatenlösung am
Wochenende erneut eine Absage. „Es wird keinen palästinensischen Staat
westlich des Jordans geben.“
Ehemalige hochrangige deutsche Diplomaten wandten sich am Sonntag erneut
schriftlich an den Außenminister und forderten ihn auf, nicht nur den Ton
gegenüber Israels Regierung zu verschärfen, sondern auch konkrete
Sanktionen, wie sie die EU vorgeschlagen hat, zu unterstützen. Im Gespräch
mit der taz sagte Mitinitiator Sven Kühn von Burgsdorff, die Anerkennung
Palästinas als Staat sei ein symbolischer, aber notwendiger Schritt, um das
Ungleichgewicht zwischen Israel und Palästina auf internationaler Ebene ein
wenig zu nivellieren. „Dies kann aber nur ein erster Schritt sein, dem
konkrete Sanktionen folgen müssen.“
Kühn von Burgsdorff und rund 300 Kolleg:innen aus dem In- und Ausland
fordern, Zollvergünstigungen für Israel zu streichen und Sanktionen für
Israels Finanzminister und den Minister für Nationale Sicherheit
vorzusehen. Auch gegen gewalttätige israelische Siedler und Mitglieder des
Politbüros der Hamas sollten weitere Sanktionen erfolgen. „Ohne externen
Druck wird sich Israels Regierung nicht bewegen“, ist der ehemalige
EU-Botschafter überzeugt. „Die Netanjahu-Regierung weist eine
Zweistaatenlösung kategorisch zurück.“
Mit Deutschlands Weigerung, den Druck auf Israel zu erhöhen und Palästina
als Staat anzuerkennen, sieht Kühn von Burgsdorff auch deutsche Interessen
gefährdet. Deutschland bewirbt sich derzeit um einen nichtständigen Sitz im
UN-Sicherheitsrat für 2027 und muss zwei Drittel der UN-Mitglieder, nämlich
129 Staaten, von sich überzeugen.
„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass die Mehrheit der
UN-Mitgliedsländer Deutschlands Kandidatur für einen Sitz im Sicherheitsrat
unterstützen wird“, glaubt Kühn von Burgsdorff. „Deutschland ist in der
wichtigen Palästina-Frage auf der Seite der USA und Israel weitgehend
isoliert und kann nicht erwarten, dass der globale Süden mehrheitlich der
Bewerbung zustimmt.“
## Isoliert sich Deutschland?
Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte dagegen am Montag in der
Bundespressekonferenz, Deutschland sei nicht isoliert. Was die Aussichten
auf einen Sitz im Sicherheitsrat angehe, sei man optimistisch. Aus Kreisen
des Amtes heißt es, die Frage der Anerkennung spiele kaum eine Rolle bei
der Bewerbung. Auch Österreich und Portugal bewerben sich um einen Sitz.
Österreich teilt die deutsche Position.
Eine Anerkennung Palästinas als Staat ist auch nicht Teil des
Forderungskatalogs verschiedener Organisationen, die am Samstag in Berlin
zur Kundgebung unter dem Motto „All eyes on Gaza – Stoppt den Genozid!“
aufrufen. Unter den verschieden Unterstützer:innen, darunter auch
palästinensische und israelische Gruppen, ist man unterschiedlicher
Meinung, wie realistisch eine Zweistaatenlösung noch ist.
„Für uns steht im Vordergrund, dass die Palästinenser:innen als
Menschen mit gleichen Rechten behandelt werden, ob nun in einem
binationalen oder in zwei Staaten“, sagt Tsafrir Cohen von der
Menschenrechtsorganisation medico international, die mit zur Kundgebung
aufruft. Dennoch sei es bedauerlich, dass Deutschland den Schritt anderer
Länder nicht mitgehe und Palästina als Staat anerkenne. „Das ist ein
symbolischer Akt, um Israels Regierung zu zwingen, den Genozid zu beenden,
die Menschenrechte zu achten und die Annektierung palästinensischer Gebiete
zu stoppen.“
An einer von Frankreich und Saudi-Arabien organisierten Konferenz zur
Zweistaatenlösung während der UN-Vollversammlung am Dienstag nimmt auch die
deutsche Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) teil. „Auch Gaza
ist integraler Teil eines zukünftigen palästinensischen Staates“, teilte
Radovan in einer Pressemitteilung mit. Die deutsche
Entwicklungszusammenarbeit werde einen Beitrag zum Wiederaufbau in Gaza
leisten, „sobald die Lage vor Ort dies zulässt.“
Deutschland ist nach wie vor einer der größten Geber in den
palästinensischen Gebieten. Auf Anfrage erklärte eine Sprecherin, dass das
BMZ für die Jahre 2023 und 2024 rund 125 Millionen Euro für die
palästinensischen Gebiete zugesagt hatte. Geld, das unter anderem in
Wirtschaftsentwicklung, Ausbildung und Beschäftigung fließe. Darüber hinaus
stellte das Entwicklungsministerium für UN-Organisationen rund 56 Millionen
Euro zur Verfügung und förderte zudem die Zusammenarbeit mit NGOs, Kirchen,
politischen Stiftungen, dem Zivilen Friedensdienst und kommunalen
Partnerschaften mit rund 14 Millionen Euro. Die nächsten
deutsch-palästinensischen Regierungsverhandlungen sind laut BMZ für Ende
Herbst 2025 geplant.
22 Sep 2025
## LINKS
[1] /Zweistaatenloesung-im-Nahen-Osten/!6114433
[2] /Debatte-um-Anerkennung-Palaestinas/!6099225
[3] /Meron-Mendel-ueber-Anerkennung-Palaestinas/!6010329
## AUTOREN
Anna Lehmann
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