# taz.de -- Meron Mendel über Anerkennung Palästinas: „Ein Staat ist unausw… | |
> Drei weitere europäische Staaten erkennen Palästina offiziell als Staat | |
> an. Auch Deutschland sollte ein Zeichen setzen, findet der Historiker | |
> Mendel. | |
Bild: Flagge ohne Staat: Menschen stehen hinter einer großen Palästina-Fahne … | |
taz: Norwegen, Spanien und Irland haben am Dienstag Palästina [1][als Staat | |
anerkannt]. Was will das Trio damit bezwecken? | |
Meron Mendel: Das ist ein symbolischer Schritt, der den Druck auf die | |
israelische Regierung unter Netanjahu erhöhen soll. Er war überfällig, denn | |
nicht erst seit dem 7. Oktober, sondern schon viel länger zeigt die | |
Regierung keinerlei Interesse für einen Friedensprozess. | |
Sie sehen die Anerkennung also als Bestrafung der [2][Netanjahu-Regierung?] | |
Das ist das falsche Framing. In den internationalen Beziehungen geht es | |
darum, Anreize zu schaffen. Die Anerkennung ist ein Versuch, Druck | |
aufzubauen, um einen Waffenstillstand in Gaza zu erreichen, und den | |
aktuellen Tiefpunkt zu nutzen, um einen Friedensprozess zwischen Israel und | |
den Palästinensern in Gang zu setzen. | |
Nun haben Norwegen, Spanien und Irland allerdings keine Gegenleistung von | |
palästinensischer Seite gefordert. Wäre es nicht politisch klüger, auf | |
einen Prozess hinzuarbeiten, bei dem Staaten wie Saudi-Arabien eine | |
Anerkennung Israels in Aussicht stellen, bei dem sich aber auch die | |
Palästinenser zu ernsthaften Verhandlungen verpflichten? | |
Mit der Anerkennung gibt man nicht alles aus der Hand. Sie ist eine | |
Reaktion auf Netanjahu, der einen palästinensischen Staat immer verhindern | |
wollte, durch eine Stärkung der Hamas als Gegengewicht zur | |
Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Im Umkehrschluss stärkt man mit | |
der Anerkennung Palästinas als Staat die PA. | |
Man könnte auch argumentieren, dass die Hamas für ihr [3][Massaker belohnt | |
wird.] Ohne den 7. Oktober wäre es nicht zur Anerkennung gekommen. | |
Nein, das wird sie nicht. Die Hamas ist nicht der Repräsentant des | |
palästinensischen Staates. Palästina wird von der PA repräsentiert. Die | |
Stärkung der PA ist alles andere als eine Belohnung für die Hamas. Ich | |
erinnere an die Bilder von 2006, als Hamas-Terroristen Palästinenser der PA | |
von Hochhäusern schmissen. | |
Die Hamas hat die Anerkennung allerdings begrüßt. | |
Sie versucht natürlich, sie als ihre Errungenschaft zu framen. Aber wir | |
können nicht jede internationale Entwicklung an der Frage messen, was die | |
Hamas sagt oder wie sich Netanjahu dazu verhält. Die Frage ist: Wie können | |
wir Anreize schaffen, um kompromissbereite Kräfte auf beiden Seiten zu | |
stärken? | |
Arabische Staaten haben am Montag gefordert, dass andere EU-Staaten dem | |
Vorbild des Trios folgen. Der saudische Außenminister argumentierte, Israel | |
müsse akzeptieren, dass es ohne palästinensischen Staat nicht existieren | |
kann. Sollte Deutschland Palästina auch anerkennen? | |
Ich brauche nicht die Saudis, um genau diese Position zu vertreten. | |
Deutschland und die gesamte EU sollten damit ein klares Zeichen setzen, | |
dass Netanjahus Strategie nicht aufgeht und dass ein palästinensischer | |
Staat, der schon in den neunziger Jahren in Aussicht gestellt wurde, | |
unausweichlich ist. | |
Fordern Sie das nur oder rechnen Sie auch damit? | |
Wir erleben dieser Tage eine Eskalation in Rafah, und mir scheint, dass die | |
israelische Regierung sich von internationalem Druck nicht beeindrucken | |
lässt. Wenn Netanjahu diese Politik fortsetzt, ist nicht auszuschließen, | |
dass weitere Länder die Anerkennung Palästinas als notwendig betrachten. | |
Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und andere haben Palästina vor | |
Jahrzehnten anerkannt. Warum ist Westeuropa zögerlich? | |
Das hat mit dem Ostblock zu tun. Auch die Sowjetunion hatte Palästina 1988 | |
anerkannt. Während die meisten west- und nordeuropäischen Staaten die | |
US-Linie verfolgten, Palästina erst im Zuge einer Konfliktlösung | |
anzuerkennen, ging man dort davon aus, dass Israelis und Palästinenser | |
ihren Konflikt früher oder später ohnehin beilegen würden. | |
Bringen sich die Europäer jetzt wieder als Vermittler in Nahost ins Spiel, | |
auch mit Blick auf eine [4][erneute Präsidentschaft Trumps] in den USA? In | |
seiner Amtszeit hat er die USA durch eine komplett einseitig proisraelische | |
Position unglaubwürdig gemacht. | |
Trump würde die Situation noch aussichtsloser machen. Die Rolle der USA als | |
Motor für eine konstruktive Lösung ist fast unersetzlich. Die Europäer | |
schwächt, dass es in der EU sehr unterschiedliche Positionen gibt, von | |
Orbán in Ungarn, der sich als großer Netanjahu-Unterstützer positioniert, | |
bis hin zu Spanien und Irland. Es gibt drei Akteure, die nur im | |
Zusammenspiel die Karre aus dem Dreck ziehen können: die Amerikaner, | |
hoffentlich weiter unter Biden, die EU, die hoffentlich ihre Uneinigkeit | |
ein Stück weit überwindet, und die sunnitischen arabischen Staaten. Nur | |
wenn die drei gemeinsam ein Gegengewicht zu Iran und Russland schaffen, | |
ist ein Ende des Krieges und Bewegung hin zu einer Lösung des | |
Nahostkonflikts vorstellbar. | |
29 May 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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