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# taz.de -- Israels Krieg in Gaza: Was ist hier das Ziel?
> Während israelische Bodentruppen in Gaza-Stadt vorrücken, beschuldigt
> eine UN-Untersuchungskommission Israel des Völkermordes.
Bild: Aufnahmen vom Dienstag zeigen Tausende Palästinenser auf ihrer Flucht in…
Jerusalem taz | Begleitet von massiven Luftangriffen hat Israels Militär in
der Nacht auf Dienstag laut eigenen Angaben den Einmarsch nach Gaza-Stadt
begonnen. Dort halten sich nach Schätzungen noch immer rund eine halbe
Million Menschen auf. Das Al-Schifa-Krankenhaus, eines der wichtigsten
medizinischen Zentren im Norden Gazas, meldete am Morgen die Aufnahme von
20 Leichen und Dutzenden Verletzten. Palästinensische Medien berichteten
von Panzern in der Stadt.
Die Armee setzt nach eigenen Angaben zwei Divisionen ein. Das umfasst
mindestens 20.000 Soldaten. Eine dritte Division soll in den kommenden
Tagen hinzukommen. Die Mehrheit der Soldaten sind Wehrdienstleistende.
60.000 Reservisten wurden in den vergangenen Tagen [1][einberufen],
zusätzlich zu 70.000 bereits aktiven. Trotz Berichten über Erschöpfung
unter den Reservisten liegen die Rückmeldungen auf Einberufungsbefehle laut
der Armee bei rund 80 Prozent.
Aufnahmen der Küstenstraße zeigten am Dienstag Tausende Palästinenser auf
dem Weg in den Süden, auf überladenen Lastwagen, mit Eselskarren oder zu
Fuß. Laut den Vereinten Nationen sollen seit dem 14. August rund 142.000
Menschen vom Norden in den Süden geflohen sein, die Hälfte in der
vergangenen Woche. Die israelische Armee behauptet, 350.000 Menschen seien
geflohen.
Laut einem Militärsprecher seien in den vergangenen Wochen humanitäre
Vorbereitungen im Süden des Küstenstreifens getroffen worden: Es gebe
ausreichend Nahrungsmittel und genug Platz für Hunderttausende Menschen,
teilte ein Sprecher der Militärverwaltung Cogat mit. Das widerspricht
Berichten von Hilfsorganisationen und den Vereinten Nationen, denen zufolge
die sogenannten humanitären Zonen im Süden bei Al-Mawasi und Chan Junis
völlig überfüllt seien. Immer wieder greift die Armee auch dort Ziele an.
## Schreie im israelischen Sicherheitskabinett
Flüchtende berichten von langem Suchen nach einem Stück Land, nur um ein
Zelt aufzustellen. „Es gibt weder ausreichend Essen, Wasser noch andere
Hilfsgüter“, sagt die Sprecherin des UN-Nothilfebüros OCHA, Olga Cherevko.
Generalstabschef Eyal Zamir soll sich laut der Zeitung Haaretz über die
Einschätzung der obersten Militäranwältin hinweggesetzt haben, die die
Evakuierung ohne die notwendigen humanitären Vorbereitungen als illegal
einschätzt.
Nach israelischen Angaben sind die meisten Menschen im Norden Zivilisten.
Man rechne mit Kämpfen mit „zwischen 2000 bis 3000 Hamas-Terroristen“,
sagte ein Militärsprecher vor Journalisten. „Gaza brennt“, schrieb
Verteidigungsminister Israel Katz beim Onlinedienst X. Die Hamas müsse die
Geiseln freilassen und ihrer Entwaffnung zustimmen, andernfalls „werden wir
Gaza zerstören.“
Die Spitzen von Israels Militär und Geheimdiensten hatten wiederholt von
der Offensive abgeraten. Laut dem israelischen Sender Kanal 13 soll Zamir
am Sonntag Mitglieder des Sicherheitskabinetts angeschrien haben, ein
ausverhandeltes Abkommen zur Freilassung der noch 48 Geiseln anzunehmen,
von denen wohl weniger als 20 noch leben. Er und die Spitzen der
Geheimdienste Mossad und Schin Bet warnen, die Eskalation könnte das Leben
der Geiseln und vieler Soldaten gefährden. Zudem halten sie eine Zerstörung
der Hamas, wie von Katz und Regierungschef Benjamin Netanjahu propagiert,
offenbar für unrealistisch. Angehörige der Geiseln werfen dem
Regierungschef vor, deren Leben „aus politischen Gründen zu opfern“ und
richteten ein Protest-Camp vor dessen Residenz ein.
Trotz seiner Kritik setzt Zamir den Regierungskurs nicht nur um, das
Militär geht dabei auch äußerst zerstörerisch vor: In den vergangenen Tagen
wurden zahlreiche Hochhäuser bei Luftangriffen dem Erdboden gleichgemacht.
Seither schlafen zunehmend obdachlose Familien auf den Straßen der Stadt.
Ausrangierte und mit Sprengstoff beladene Truppentransporter wurden laut
palästinensischen Medienberichten am Montag in Wohnvierteln per Fernzündung
zur Explosion gebracht, unter anderem im zentralen Stadtteil Rimal. Die
Armee gibt an, auf diese Art Sprengfallen und andere Hamas-Infrastruktur zu
beseitigen. Die Stadt [2][Rafah] im Süden Gazas wurde bei einer
vergleichbaren Offensive im Frühjahr 2024 weitgehend zerstört.
## UN-Bericht sieht vier von fünf Indizien für Genozid erfüllt
Eine unabhängige Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates nennt
Israels Vorgehen im Gazastreifen in einem am Dienstag veröffentlichten
[3][Bericht] einen Genozid. Das dreiköpfige Gremium sieht vier von fünf
Tatbeständen der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des
Völkermordes als erfüllt: Die Tötung, die schwere körperliche oder
seelische Schädigung, die Auferlegung von Lebensbedingungen, die auf
vollständige oder teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung
zielen sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten.
Auch den für den Völkermord-Vorwurf zentralen besonderen Vorsatz sehen sie
„unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Beweise“ als erfüllt: Die
israelische Regierung habe „seit fast zwei Jahren eine völkermörderische
Kampagne mit der spezifischen Absicht inszeniert, die radikalislamische
Hamas in Gaza zu vernichten“, sagte Navi Pillay, die Vorsitzende der 2021
gegründeten Kommission. Konkret beruft sich der Bericht etwa auf einen
Brief Netanjahus vom November 2023, der laut der Kommission den Einsatz im
Gazastreifen mit einem „heiligen Krieg der totalen Vernichtung“ vergleiche.
Israel betont stets, es bekämpfe im Gazastreifen die Hamas und nicht die
Zivilbevölkerung. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk,
sagte mit Blick auf den israelischen Vormarsch auf Gaza-Stadt: „Wir sehen
Kriegsverbrechen nach Kriegsverbrechen.“ Es sei am Internationalen
Gerichtshof, über den Völkermord-Vorwurf zu urteilen, „aber wir sehen, dass
sich die Beweise häufen.“
16 Sep 2025
## LINKS
[1] /Israel-mobilisiert-fuer-Gaza/!6108514
[2] /Aktuelle-Entwicklungen-im-Gazakrieg/!6010330
[3] https://www.ohchr.org/sites/default/files/documents/hrbodies/hrcouncil/sess…
## AUTOREN
Felix Wellisch
## TAGS
Gaza-Krieg
Gaza
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Vereinte Nationen
Menschenrechte
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