# taz.de -- Die Döner-Dialektik: Preiskampf an der Imbissbude | |
> In einer Straße in Hamburg-Ottensen gibt es Döner zu Dumping-Preisen. Ein | |
> Experte sieht darin erste Anzeichen einer neuen Wirtschaftskrise. | |
Bild: Fallen die Dönerpreise, ist die nächste Wirtschaftskrise nicht mehr fer… | |
Hamburg taz | Es ist angerichtet für einen neuen Dönertag bei „East Kebab | |
2“ in der Bahrenfelder Straße in Hamburg-Ottensen. Die Fleischspieße hängen | |
im Grill und warten darauf, sich zu drehen. Zwiebeln, Gurken, Tomaten, | |
Kraut, Salat und Soßen sind großzügig aufgefüllt. Noch ist es ruhig im | |
Laden mit dem günstigsten Döner der Straße. „Döner ist kein Frühstück�… | |
sagt ein Mitarbeiter, der an diesem Morgen allein Kasse macht und hebt den | |
Zeigefinger. Nicht mal für 3,90 Euro, so viel kostet hier der Döner im Brot | |
und in der Box. | |
Zur Mittag- und Abendessenszeit sieht es hier anders aus. Da stehen | |
Kund*innen Schlange bis vor die Tür. Wenn es allzu lange dauert, bleibt | |
aber niemand. Denn es gibt um die Ecke in derselben Straße noch drei Läden | |
mit ähnlich günstigen Angeboten: Hähnchendöner für 3,99 Euro bei „Döner | |
Company“ an der Ecke, 4,99 Euro bei „Bey Kebab“ gegenüber und genauso vi… | |
bei „LeGosht“ ein paar Hundert Meter weiter. | |
Das ist saugünstig. Der Hamburger-Durchschnittsdöner kostet etwa doppelt so | |
viel: 8,57 Euro. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 8,03 Euro, laut | |
Lieferdienst Lieferando, Stand: März 2025. | |
## Döner-Dumping als lokales Phänomen? | |
Warum ist der Döner in dieser Straße in Ottensen so billig? Rechnet sich | |
das? Ist dieses Döner-Dumping ein lokales Phänomen? | |
Die Erkundung beginnt, wo alles angefangen hat: bei „Döner Company“. Die | |
haben im Februar 2025 als erster Laden in der Straße den Döner für 3,99 | |
Euro angeboten. An einem gut besuchten Montagabend spricht die taz an der | |
Theke über das Handy einer Mitarbeiterin mit dem Sohn des Chefs, Betül | |
Dicle. | |
„Es ist Krieg“, ist das Erste, das er zu den Döner-Preisen in der Straße | |
sagt. Eigentlich, sagt er, war das Sonderangebot als Aktion für eine Woche | |
geplant. Aber dann haben die anderen nachgezogen. Jetzt kämpfe jeder gegen | |
jeden. „Wer zuerst einknickt, hat verloren.“ | |
## Seit 2022 Preise verdoppelt | |
Eigentlich kennen Döner-Preise in Deutschland seit einigen Jahren nur eine | |
Richtung: steil nach oben. Seit 2022 haben sich die Preise für einen Döner | |
fast verdoppelt. Seit im August in Süddeutschland der erste Tarifvertrag | |
der Döner-Produktionsbranche erkämpft wurde, grassiert die Sorge, dass das | |
beliebteste Fastfood des Landes jetzt noch teurer wird. „Olaf, mach Döner | |
drei Euro“, forderten schon vor knapp zwei Jahren Menschen vom damaligen | |
Bundeskanzler Scholz zwar öffentlichkeitswirksam auf Social Media, aber | |
vergeblich. | |
Für den Preisanstieg gibt es unterschiedliche Gründe. Steigende Mieten, | |
steigende Energiekosten, steigender Mindestlohn, Inflation und steigende | |
Lebensmittelpreise. Seit 2020 sind fast alle Döner-Zutaten teurer geworden: | |
Öl um 63 Prozent, Kopfsalat um 49 Prozent und Rinderhack um 42 Prozent. | |
Auch Weißbrot und Joghurt kosten über 30 Prozent mehr als vor fünf Jahren. | |
Zwar sind die Großmarktpreise relevanter, aber auch Verbraucherpreise | |
zeigen den Trend. Bereits 2022 sagte Gürsel Ülber, Vorstandschef des | |
Vereins türkischer Döner-Hersteller in Europa, ein Döner müsste eigentlich | |
7,30 Euro kosten. | |
## Günstige Döner locken Kundschaft an | |
Wie können sich die 3,99-Döner in Ottensen dann über ein halbes Jahr lang | |
rechnen? „Gar nicht“, sagt Dicle von der „Döner Company“, sie finanzie… | |
das Angebot mit anderen Produkten quer. Günstigere Döner locken mehr | |
Kund*innen an, die vielleicht auch was anderes kaufen. Dürüm, Falafel und | |
Börek kosten zum Beispiel so viel wie vorher. Das ist bei den drei anderen | |
Läden auch so. | |
Yakup Öcalan, der „East Kebab 2“ betreibt, finanziere das Sonderangebot | |
auch quer, sagt er der taz. Öcalan hat den Laden erst im Frühjahr | |
übernommen. „Es ist ein extremer Druck“, sagt er am Telefon über den | |
Preiskampf in der Straße. „Ich weiß ganz genau, wenn ich jetzt die Preise | |
erhöhe, werden ganz viele Kunden zu den anderen gehen und ich mache | |
automatisch zu.“ | |
Trotzdem sei es mit dem Döner-Angebot besser als vorher. Es sorge dafür, | |
dass viel mehr Kund*innen kommen. Das seien vor allem Jugendliche und | |
Kinder, die sich Döner woanders nicht mehr leisten könnten. „Eltern können | |
ihren Kindern kein Geld mehr geben. Viele Menschen können nicht mehr | |
draußen essen“, sagt Öcalan, „Es ist nicht nur bei Döner so, es gibt | |
überall Probleme.“ | |
Der erhöhte Umsatz erleichtere ihm die Bezahlung laufender Kosten und den | |
Einkauf neuer Zutaten, sagt Öcalan. Lange sei es aber nicht zu finanzieren. | |
Der Preis decke einfach nicht die Kosten. | |
Der Chef von „Bey Kebab“ sagte der Hamburger Morgenpost im Juni, er zahle | |
bei jedem Aktions-Döner zwei Euro drauf. Bei „LeGosht“ konnte die taz vor | |
Redaktionsschluss niemanden sprechen. | |
## Kulturgeschichte des Döners | |
Nachgefragt bei einem, der die Döner-Preisentwicklung seit Jahren | |
beobachtet: der Journalist und taz-Autor Eberhard Seidel. Er hat zwei | |
Bücher über die Kulturgeschichte des Döners geschrieben. Kampfpreise von | |
unter fünf Euro wie in Hamburg-Ottensen gebe es seit mehreren Monaten | |
überall, sagt Seidel der taz. „Es ist ein bundesweites Phänomen.“ | |
Schon im Oktober schrieb Seidel auf Instagram: „Wenn die Döner-Preise | |
fallen, ist das ein erstes Anzeichen für eine Wirtschaftskrise.“ Döner ist | |
nicht nur ein Essen für Menschen mit wenig Zeit, sondern auch mit wenig | |
Geld. „Die Döner-Kundschaft reagiert am sensibelsten auf Krisen“, sagt | |
Seidel. Aktionspreise seien der verzweifelte Versuch, Kundschaft | |
zurückzugewinnen, die man verloren hat. | |
Gleichzeitig kostet der Döner auch in Hamburg-Ottensen in Parallelstraßen | |
weiterhin sieben, acht oder neun Euro – und wird auch gekauft, besonders | |
von treuen Stammkund*innen, etwa bei Salman in der Ottenser Hauptstraße. | |
## Finanziert über Selbstausbeutung | |
„Es ist eine widersprüchliche Entwicklung“, sagt Döner-Experte Seidel. | |
Jahrzehnte habe die Branche den Döner viel zu billig angeboten, oft | |
finanziert über die Selbstausbeutung von Ladenbetreiber*innen. „Wenn man so | |
will, sind acht Euro der faire Preis“, sagt Seidel. Die Döner-Dialektik: Er | |
erwartet, dass trotzdem überall weiter 3,99-Angebote aufploppen. | |
In der Bahrenfelder Straße in Ottensen bekommt man dafür einen mittelgroßen | |
Hähnchen-Döner ohne Schnickschnack. Er kommt in allen vier Läden im | |
gleichen Brot daher und schmeckt überall ähnlich (und zwar gut). Wie lange | |
er hier noch so günstig zu kriegen ist, kann in der Straße niemand sagen. | |
1 Sep 2025 | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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