# taz.de -- Klassenkampf an der Imbissbude: Der Döner, 10 Euro und ein Trugsch… | |
> Der Kultstatus der fleischigen Kulttasche wird erheblich gestört – durch | |
> Preissteigerungen, die die einen belasten und von denen die anderen | |
> nichts haben. | |
Bild: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (r) zu Besuch beim deutschen Bot… | |
Es gibt Dinge, die sollten ewig halten: Lieblingspullis, Festivalbändchen – | |
und der Döner um die Ecke. Unkompliziert, erschwinglich, leicht | |
knoblauchig. Ein Stück Alltag, ohne den Impuls, zur Delikatesse zu werden. | |
Dieser dampfende, tropfende, leichte Handschmeichler in Alufolie – er ist | |
Mahlzeit und Gesellschaftskitt. Der Döner ist vielleicht das letzte große | |
Lagerfeuer der urbanen Zivilisation. Man steht nebeneinander, murmelt „mit | |
alles“, nickt beim „scharf?“ und zahlt bar. Für einen kurzen, Moment: | |
Klassenunterschiede gelöscht. | |
Bürohengst, Bauarbeiter, BWL-Student, Nachtschwärmer – alle vereint im | |
heil(ig)en Dreiklang aus Brot, Fleisch, Soße. Kein Dresscode, kein | |
Smalltalk, kein Latte-Art. Nur ehrlicher Hunger. Und der Wunsch, dass es | |
schnell geht. | |
Selbst politisch ist der Döner unterdessen, er schaffte es sogar bis in die | |
ganz große Politik. Bei seinem Staatsbesuch in der Türkei im April 2024 | |
überreichte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier tatsächlich einen | |
Dönerspieß. Nein, keine Pointe – das war das offizielle Gastgeschenk. Der | |
Präsident, der sonst Kuckucksuhren verteilt, verschenkt Fleisch am Stab. | |
Diplomatie auf Spießhöhe. | |
Doch, oje, auf einmal kratzt der Dönerpreis am Zehn-Euro-Limit. Zehn Euro! | |
Für eine einzige Fleischtasche! Man fragt sich: Was haben wir bloß falsch | |
gemacht? Und muss lesen: In [1][Murr streiken die Leute am Dönerspieß]. Sie | |
wollen bessere Löhne, Tarifverträge, faire Bedingungen. Richtig so, klingt | |
völlig selbstverständlich. Aber das ist es in der Branche nicht. Und | |
plötzlich wird Dönerkulinarist:innen bewusst: Der günstige Döner war | |
offensichtlich nie wirklich günstig, sondern subventioniert. Und das nicht | |
etwa durch die Lebensmittelindustrie, das Verbraucherministerium oder etwa, | |
weil Dönerlädenbetreiber:innen an den Döner für alle glauben. Nein, | |
es wurde subventioniert durch harte Arbeit, schlechten Lohn, zu wenig | |
Anerkennung. Der Döner war immer günstig. | |
Während der [2][Döner längst Kulturgut] geworden ist, kämpfen in der | |
Produktion viele um das Selbstverständliche: faire Löhne, Tarifverträge, | |
sichere Arbeitsbedingungen. Das ist in der Dönerbranche aber Ausnahme statt | |
Regel und sagt mehr über die Arbeitsverhältnisse hierzulande als jede | |
Sonntagsrede. Wenn sich am Ende niemand zuständig fühlt – weder die Politik | |
noch die Branche und nicht einmal wir an der Theke – dann bleibt dem Döner | |
wohl nichts anderes übrig, als ins Exil zu gehen. | |
9 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Derya Türkmen | |
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