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# taz.de -- Streik in Dönerfabrik: Einmal alles mit Tarifvertrag, bitte
> Beschäftigte der Dönerspießfabrik Birtat in Murr protestieren mit der
> Gewerkschaft NGG für den ersten Tarifvertrag der Branche. Die Chefs
> stellen sich quer.
Bild: Bestreikte Dönerfabrik in Murr: Das Unternehmen Birtat Meat World SE ver…
Leipzig taz | Trotz Regen und Wind wird am Mittwoch bei der
Dönerspießfabrik Birtat gestreikt. Hier, im kleinen Ort Murr, 30 Kilometer
nördlich von Stuttgart, wird täglich das Fleisch geschichtet, das später in
ganz Deutschland von brutzelnden Spießen runtergehobelt wird. Doch heute
sind fast alle Mitarbeiter:innen draußen: Mit Bannern, Fahnen und
Regenschirmen ziehen sie durchs Gewerbegebiet. Es ist bereits der neunte
Streik, die Stimmung ist gut. Auf Instagram sieht man Videos von
[1][vergangenen Streiktagen]. Es gibt mehrsprachige Reden, es wird getanzt
und gesungen: [2][zu türkischer Musik von Ömer Faruk Bostan] und zu
Macarena. Ziel ist der erste Tarifvertrag der Dönerfleischbranche.
Birtat Meat World SE ist einer der größten Dönerspießhersteller
Deutschlands. Der Standort in Murr ist der Hauptsitz der Firma. Die Fabrik
gibt es seit 1998, laut Website versorgt sie monatlich tausende Dönerläden
in ganz Europa. Seit anderthalb Jahren ist die gewerkschaftliche
Organisierung in vollem Gange.
Mitarbeiter Izzet Al arbeitet schon seit 25 Jahren bei Birtat. 2023 war er
einer der ersten, die sich mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten
(NGG) organisierten. „Wir wollen Gerechtigkeit und den gleichen Lohn“,
sagte er der taz. Mittlerweile sind über 100 Birtat-Mitarbeiter:innen der
NGG beigetreten, berichtet er stolz. Al ist voller Hoffnung: „Wir kämpfen
bis zum Schluss“, sagt er. Sie wollten niemandem schaden, aber brauchen den
Tarifvertrag und faire Löhne: „Der Döner ist immer teurer geworden, doch
unser Lohn bleibt der gleiche.“
Im September 2024 wurde der Betriebsrat ins Leben gerufen. Von den 127
Beschäftigten nahmen 114 an der Betriebsratswahl teil. Muzayfe Doganer ist
einer der Vorsitzenden. „Die Leute stehen hinter uns“, sagt er. Doganer
erzählt, die Chefs würden regelmäßig versuchen, Mitarbeiter:innen
einzuschüchtern, auch ihm sei wegen seines Engagements gedroht worden –
unter anderem mit Anrufen bei seiner Frau, er sagt: „Es ist eine große
Tragödie. Wir hatten einen Monat Stress und haben nicht geschlafen.“
## Unternehmen lehnt Tarifvertrag kategorisch ab
Im März war die erste Tarifverhandlung mit der Birtat-Leitung.
NGG-Verhandlungsführerin Magdalena Krüger berichtet, dass sie dem
Arbeitgeber anfangs ein Tarifvertragspaket mit einem klaren Entgeltrahmen
vorgelegt hatten. Bei der vierten Tarifverhandlung habe Birtat aber klar
gemacht, dass sie die Einführung eines Tarifvertrags kategorisch ablehnen.
Seitdem liegen die Verhandlungen auf Eis. Birtat würde lieber intern mit
dem Betriebsrat verhandeln, weil sie bei der NGG „immer das Risiko des
Streiks im Nacken haben“, so Krüger.
Konkret fordert die NGG nun eine eindeutige tarifliche Regelung und eine
pauschale Lohnerhöhung um 375 Euro monatlich. Außerdem will sie ein
Einstiegsgehalt von 3.000 Euro brutto. Bisher sei die Bezahlung willkürlich
und von individuellem Verhandlungsgeschick abhängig gewesen. Und das dürfe
nicht sein: „Die Beschäftigten brauchen dringend Entlastung“, so Krüger.
Bei Birtat gibt es viele internationale Mitarbeiter:innen, die auch in der
Gewerkschaft vertreten sind. Bei den Streiks wird alles übersetzt, es sind
[3][mehrere Sprachen vertreten]: Deutsch, Türkisch, Rumänisch, Bulgarisch
und Kurdisch. Gewerkschaftsaufbau sei schon für Muttersprachler:innen
schwer genug, so Krüger, umso beeindruckender findet sie den Aufbau bei
Birtat, der trotz Sprachbarrieren gut funktioniere – „das ist für mich
etwas Besonderes, so geeint ans Ziel zu kommen, mit dieser Kraft.“
Und diese Kraft brauchen die Streikenden. Laut NGG sind nach dem Streik
vergangene Woche einige rumänische Mitarbeiter:innen in ihrer
firmengestellten Unterkunft von der Geschäftsführung massiv bedrängt
worden. Als Krüger und ihre Kolleg:innen daraufhin vorbeikamen, habe die
Leitung getan, als würde sie bloß das Haus kontrollieren. Eine taz-Anfrage
an die Birtat-Geschäftsleitung dazu blieb unbeantwortet.
Nach dem Streik am Mittwoch gab es eine Urabstimmung, in der gefragt wurde,
ob der Arbeitgeber weiter bestreikt werden soll, das Ergebnis aber steht
noch aus. Doganer vom Betriebsrat will wie viele andere auf jeden Fall
weitermachen: „Wir haben keine Angst davor. [4][Wir stehen zusammen und
bleiben stark!]“
31 Jul 2025
## LINKS
[1] https://www.instagram.com/reel/DMhbGkOoazG/?igsh=MTlicG9obnRzZDM5Mg%3D%3D
[2] https://www.instagram.com/reel/DLosWupNCFp/?igsh=YjN5anBsOTc1eWtz
[3] https://www.instagram.com/reel/DMPdeIuoi1a/?igsh=MWJndzFnanc4YmJtYw%3D%3D
[4] https://www.instagram.com/reel/DMcCyiHIJRC/?igsh=cmc2dGhmazZqZHhl
## AUTOREN
Luise Greve
## TAGS
Gewerkschaft NGG
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Arbeitskampf
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Berlin tokt
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Streik
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