Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streik bei Tiktok in Berlin: Alle Feeds stehen still
> Künstliche Intelligenz ersetzt keine Arbeit, es lagert sie nur aus. Um
> dem etwas entgegenzusetzen, braucht es mehr Arbeitskämpfe wie bei Tiktok
> in Berlin.
Bild: Sand im Getriebe der Tech-Maschine: Tiktok-Angestellte bei ihrem ersten S…
Es war eine kleine Sensation, als rund die rund sechzig
Tiktok-Mitarbeiter:innen in der vergangenen Woche in Berlin mit lautem
Jubel an der Spree anlegten. [1][Weltweit zum ersten Mal legten die
Arbeiter:innen eines der großen Social-Media-Konzerne die Arbeit nieder
– stilecht mit einer Streikkundgebung auf einem Ausflugsdampfer] vor der
Konzernzentrale. Der Streik zeigt: In ihren KI-getriebenen Profitfantasien
haben Techunternehmen wie Tiktok, Meta und X die Rechnung ohne die Menschen
gemacht, die ihre Plattform am Laufen halten.
Anlass für den Streik sind die Pläne von Tiktok, die gesamte „Trust and
Safety“-Abteilung, die für die Moderation von Inhalten verantwortlich ist,
in Deutschland aufzulösen. Übernehmen sollen die Aufgabe in Zukunft in
verstärktem Maß [2][automatisierte KI-Lösungen] und externe Dienstleister.
Betroffen sind rund 160 Mitarbeiter:innen.
Bemerkenswert ist, dass es der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gelungen
ist, die Belegschaft innerhalb kürzester Zeit zu organisieren. In dem
Unternehmen arbeiten viele junge und migrantische Menschen, die wenig
Erfahrung mit gewerkschaftlicher Organisierung und Arbeitsrecht haben.
Zudem sind Beschäftigte, die keinen EU-Pass besitzen, auf einen
Arbeitsvertrag angewiesen, der ihnen Bleiberecht ermöglicht.
Dass es Verdi trotz dieser erschwerten Umstände gelungen ist, ist auch ein
Ausdruck der Unzufriedenheit der Mitarbeiter:innen: Wertschätzung für
die mental extrem belastende Arbeit, bei der sie tagtäglich mit Gewalt, Tod
und Menschenhass konfrontiert sind, bekommen sie nicht. Stattdessen sollen
sie durch einen Algorithmus ersetzt werden, den sie auch noch selbst
trainiert haben.
## Outsourcing statt Ersetzen
Tiktok ist dabei kein Einzelfall. Auch andere Tech-Riesen wie Amazon, Intel
oder Meta entlassen weltweit Tausende Beschäftigte. Allein der
Softwarehersteller Microsoft baute in diesem Jahr 15.000 Stellen ab. Ein
Hauptgrund für die Entwicklung ist der zunehmende Einsatz von Künstlicher
Intelligenz, etwa beim Schreiben von Programmcodes.
Die Entlassungen nähren die Befürchtung, dass KI uns in naher Zukunft
sämtliche Büro- und Kreativjobs überflüssig machen wird. Doch die Angst
geht am eigentlichen Problem vorbei, denn auch Künstliche Intelligenz
funktioniert nicht ohne menschliche Arbeit. Es sind und bleiben Menschen,
die die Algorithmen trainieren, warten und optimieren – [3][meist von
unterbezahlten Clickworkern in Ländern des globalen Südens.] Der Schritt,
Stellen zu streichen und durch KI zu ersetzen, lagert die Arbeit im Grunde
nur aus und macht sie dadurch unsichtbar.
Dass sich nun die Tiktok-Angestellten in Berlin gegen ihr Outsourcing
wehren, darf gern Modell für die gesamte Tech-Branche werden. Die im
Vergleich zu anderen Branchen zunächst absurd hoch klingenden Forderungen
nach einer Abfindung in Höhe von drei Jahresgehältern und einer
Kündigungsfrist von einem Jahr sind gerechtfertigt. Denn wenn jemanden die
Profite der durch KI ermöglichten Effizienzsteigerungen zustehen, dann den
Arbeiter:innen, die sie entwickelt und trainiert haben.
Wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Arbeitskampf bleibt jedoch
die Solidarität unter den Tech-Arbeiter:innen. Es dürfte Tiktok wenig
stören, wenn die ohnehin schon gekündigten Content-Moderator:innen
streiken. Erst wenn auch der Rest der Belegschaft mit in den Ausstand tritt
und das reibungslose Funktionieren der Plattform ernsthaft gefährdet wird,
wird der Druck groß genug sein, damit die Unternehmensführung einlenkt. Es
bleibt zu hoffen, dass der erste Streik in einem Social-Media-Unternehmen
auch der erste erfolgreiche Streik wird.
1 Aug 2025
## LINKS
[1] /Streik-bei-TikTok-in-Berlin-Darum-legen-Content-Moderatoren-die-Arbeit-nie…
[2] /Content-Moderation-bei-Tiktok/!6103621
[3] /Ausbeutung-in-der-Tech-Branche/!6088209
## AUTOREN
Jonas Wahmkow
## TAGS
Berlin tokt
TikTok
Arbeitskampf
Wochenkommentar
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Berlin tokt
Arbeitskampf
Meme
TikTok
Sachsen-Anhalt
Gewerkschaft NGG
Berlin tokt
Berlin tokt
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Streik bei Tiktok: Die Geldkuh kann ruhig was abgeben
Die von Entlassung bedrohten Content-Moderator:innen streiken für höhere
Abfindungen. Derweil entließ das Unternehmen eine solidarische Kollegin.
Arbeitskampf in der Games-Branche: Welcome to the Bossfight
Die Bedingungen in der Gaming-Branche sind unterirdisch, lange gab es kaum
Widerstand. Nun vernetzt sich eine neue Generation von
Spieleentwickler:innen.
Dritter Weltkrieg auf TikTok: Freshe Fits für die Front
Auf Tiktok trenden Videos, in denen junge Leute humoristisch mit den Krisen
der Welt umgehen. Daraus spricht keine Gleichgültigkeit, sondern Ohnmacht.
Schlimmste Orte Berlins: Angeschissen in der Tiktok-Hölle
„Ein Tag in Berlin für meinen Erzfeind“ heißt der neuste Trend auf Tiktok.
Die taz macht mit und spielt ironisch die schlimmsten Orte Berlins durch.
Nach Intel-Aus in Magdeburg: Hier könnte Ihre Chipfabrik stehen
Nach der Absage von Intel sucht Sachsen-Anhalt nach neuen Firmen für die
riesige Fläche. Bislang ist nur eine an einer Ansiedlung interessiert.
Streik in Dönerfabrik: Einmal alles mit Tarifvertrag, bitte
Beschäftigte der Dönerspießfabrik Birtat in Murr protestieren mit der
Gewerkschaft NGG für den ersten Tarifvertrag der Branche. Die Chefs stellen
sich quer.
Content-Moderation bei Tiktok: Aubergine statt Penis
Tiktok will die Berliner Content-Moderation durch eine KI ersetzen. Schon
jetzt werden sexpositive und queere Inhalte willkürlich eingeschränkt.
Vom Netz auf die Straße: Berlin follows Tiktok
Immer größer wird der Einfluss von Tiktok darauf, wer Berlin wie wahrnimmt.
Das hat auch Auswirkungen auf das analoge Leben – und auf die Politik.
Streik bei Tiktok: Content-Moderator:innen im Straßenkampf
Weil sie durch KI ersetzt werden sollen, legen Tiktoks
Content-Moderator:innen in Berlin die Arbeit nieder. Der Streik könnte ein
weltweites Vorbild werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.