# taz.de -- Dokumentation über Avantgarde-Musikerin: Björk war regelrecht sta… | |
> Die 82-jährige Meredith Monk gewann den Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk | |
> der Biennale Musica. Nun kommt die Dokumentation „Monk in Pieces“ ins | |
> Kino. | |
Bild: Kann sich nur um „Turtle Dreams“ handeln: Meredith Monk in „Monk in… | |
Die Avantgarde-Künstlerin Meredith Monk darf man wohl als klassischen | |
musician’s musician bezeichnen. Sie wird nicht nur von Popgrößen wie David | |
Byrne oder [1][Björk] bewundert – Letztere reagiert bei einem Treffen mit | |
Monk regelrecht starstruck, wie im [2][Dokumentarfilm „Monk in Pieces“] von | |
Billy Shebar und David Roberts zu sehen ist; Monk beeinflusste darüber | |
hinaus Künstler:innen verschiedener Disziplinen. | |
Einem breiteren Publikum ist sie hierzulande kaum bekannt. [3][Jazzaffine | |
Kreise] haben vielleicht einige der Alben auf dem Schirm, die sie seit den | |
frühen 1980er Jahren bei der Plattenfirma ECM veröffentlichte. Für ihr | |
Labeldebüt „Dolmen Music“ (1981) – woraus übrigens DJ Shadow, eine weit… | |
Fan aus der Popwelt, einige Passagen sampelte – bekam sie seinerzeit den | |
Preis der deutschen Schallplattenkritik. | |
Die ganze Bandbreite ihres Schaffens kennen jedoch die wenigsten. Neben | |
ihrer Performance-Art komponierte sie, unter anderem die Oper „Atlas“; | |
zudem arbeitete sie als Choreografin und Filmemacherin. Dahinter steckte | |
bemerkenswertes Durchhaltevermögen – obwohl ihre Kunst oft ignoriert, | |
lächerlich gemacht oder missverstanden wurde, gestaltete sie mit | |
Beharrlichkeit ihren ganz eigenen Kosmos. | |
Ihren männlichen Wegbegleitern aus der New Yorker Downtown-Szene, etwa den | |
Minimal-Music-Pionieren [4][Steve Reich] und [5][Philip Glass], wurde da | |
doch wesentlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Letzterer empfindet das | |
übrigens bis heute als große Ungerechtigkeit – war und ist Meredith Monk in | |
seinen Augen doch „unter uns allen die einzigartig Begabte“, wie er es im | |
Film formuliert. | |
## Monk gewann den Goldenen Löwen | |
Immerhin: Im Oktober wird Monk in Venedig den Goldenen Löwen der Biennale | |
Musica für ihr Lebenswerk erhalten. Fast zeitgleich kommt nun dieser | |
kaleidoskopartige Dokumentarfilm in die Kinos. Der ist selbst ein kleines | |
Kunstwerk – und eine gelungene Einführung in ihr vielschichtiges Werk. | |
Shebar und sein Co-Regisseur Roberts umschiffen dabei jene Fallstricke, die | |
vergleichbare Künstlerporträts bisweilen allzu zäh wie vorhersehbar wirken | |
lassen. So vermeiden sie es, einen „talking head“ an den nächsten zu | |
reihen. Zwar lassen auch Shebar und Roberts renommierte Akademiker und | |
Kritiker Monks Schaffen beschreiben. | |
Der Witz dabei: In der entsprechenden Sequenz sind sie allesamt | |
nebeneinander in Video-Call-Kacheln über den Bildschirm verteilt und | |
produzieren ein weitgehend sinnfreies Geplapper. Lediglich ein paar Sätze | |
ragen aus dem Gequassel heraus. Das Ganze wirkt wie das verpeilte | |
Gegenstück einer Collage, die an früherer Stelle des Films zu sehen ist. In | |
der umreißt Monk in verschiedenen Interviews ihr künstlerisches | |
Selbstverständnis ganz klar – und, obwohl Jahre zwischen den Aussagen | |
liegen, bemerkenswert konsistent. | |
Überhaupt lassen die beiden Filmemacher lieber Monk und ihre Kunst | |
sprechen, als Einordnungen vorzunehmen. Statt chronologisch durch ihre | |
Biografie zu führen – Monk wurde 1942 in eine Familie von Berufsmusikern | |
geboren, Nachkommen von jüdischen Einwanderern aus Russland und Deutschland | |
–, stellen die Filmemacher einige ihrer Arbeiten genauer vor. | |
## Mit 82 Jahren immer noch künstlerisch tätig | |
Besonders eindrücklich ist das Kapitel, in der die mit 82 immer noch | |
künstlerisch tätige Monk Teiles ihres Werks jungen Kolleginnen vermittelt – | |
auf dass ihre Kunst weiterwirkte, wenn sie selbst irgendwann nicht mehr da | |
ist. | |
1968 gründete sie mit The House ein Ensemble, das verschiedene Formen von | |
Performance-Art zusammenführte. Interdisziplinär arbeitete Monk schon | |
lange, bevor der Begriff zur überstrapazierten Phrase mutierte. Später | |
wurde sie Teil der vielschichtigen Downtown-Szene, in der sich in den | |
späten 1970er Jahren Avantgarde und Subkultur trafen. Und doch hat Monks | |
Schaffen eine aus der Zeit gefallene Qualität. | |
Mit ihren sogenannten „extended vocal techniques“ schafft sie es, Gefühle | |
zu kommunizieren, ohne Sprache zu bemühen: zwitschernd, gurgelnd, | |
trillernd, jodelnd. Mit ihrer elastischen, über drei Oktaven reichenden | |
Stimme schafft sie Lautmalereien, die etwas Archaisches, | |
Kulturübergreifendes haben. „Altertümlich und futuristisch zugleich“ wolle | |
sie klingen, erklärte Monk in Interviews. | |
Dass bei ihr stimmlicher Ausdruck mit körperlicher Bewegung einhergeht, hat | |
mit der Krankheit zu tun, die ihre Kindheit prägte. Sie schielte so extrem, | |
dass sie dadurch motorische Probleme hatte. Ihre Mutter schickte sie wegen | |
dieses Strabismus zur Dalcroze-Eurythmie, einer von dem Musikpädagogen | |
Émile Jaques-Dalcroze entwickelten rhythmischen Gymnastik. Ein Nebeneffekt | |
war, dass Monk fortan [6][Körperempfindungen und stimmlichen Ausdruck] | |
zusammendachte. | |
Eine Heilungsgeschichte mit künstlerischem Potenzial – gelang es ihr doch | |
auf diesem Weg, Grenzen aufzubrechen: zwischen Körper und Geist und auch | |
zwischen Emotionen und ihrer Artikulation. Davon profitieren demnächst | |
übrigens auch Studierende in Essen: Monk wird im kommenden Wintersemester | |
die [7][Pina-Bausch]-Professur an der Folkwang Universität übernehmen. | |
25 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Stephanie Grimm | |
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