| # taz.de -- Berliner Pop-Kultur-Festival: Pop in Zeiten der Polykrisen | |
| > Am Montag beginnt das Pop-Kultur-Festival mit entzerrtem Programm und | |
| > Community-Building. Was man an sechs Tagen hören, sehen und verpassen | |
| > kann. | |
| Bild: Den Moabiter Rapper Apsilon gibt es am Freitag, 29.8. um 22.50 Uhr im Kes… | |
| Trotz [1][massiver Kürzungen im Kulturbereich] präsentiert sich | |
| [2][Pop-Kultur-Festival] bei seiner elften Ausgabe umfänglicher denn je – | |
| das ist bemerkenswert. Am Montag beginnen sechs Festivaltage, statt vormals | |
| drei, was jedoch keine doppelte Packung bedeutet. Eher wurde das dichte | |
| Programm entzerrt. Aber auch um Aspekte ergänzt, die in unseren heiklen | |
| Zeiten Gewicht verdienen. Etwa in Gestalt von Orten, an denen das | |
| Community-Building im Vordergrund steht. | |
| Erst im Februar wurde nach Nachverhandlungen klar, dass die diesjährige | |
| Ausgabe überhaupt stattfinden kann. Konzerte, Talks, Workshops und DJ-Sets | |
| gibt es trotz des kurzen Vorlaufs in gewohntem Umfang, wenn auch mit | |
| verschobenen Schwerpunkten. Bei diversen Veranstaltungen steht das | |
| Miteinander im Vordergrund. | |
| Niedrigschwelliger ist das Festival außerdem: Es gibt mehr kostenfreie | |
| Angebote. Neben Veranstaltungen von Pop-Kultur Lokal, bei denen sich | |
| Kollektive und unabhängige Veranstalter:innen vorstellen, ist das etwa | |
| die Çaystube im Hof der Kulturbrauerei. Am Donnerstag finden zudem | |
| Gratis-Konzerte und ein Labelmarkt im Festsaal Kreuzberg statt. Darüber | |
| hinaus wurde das Diskursprogramm vom Rest entkoppelt. | |
| Begrüßenswert ist Letzteres schon wegen der latenten FOMO-Nervosität (Fear | |
| of missing out), die früher manchen Festivaltag begleitete. Christian Morin | |
| ist neben Yeşim Duman und Pamela Owusu-Brenyah einer der Kurator:innen | |
| und zuständig für die Dramaturgie: Spannende Diskussionen fanden seiner | |
| Einschätzung nach oft nicht die verdiente Aufmerksamkeit, weil die Leute | |
| bei Konzerten hängen blieben. | |
| ## Die Talks finden nicht mehr parallel statt | |
| An den ersten beiden Tage stehen die Talks nun im Vordergrund – was auch | |
| ein Wagnis ist. Schließlich scheint es auch beim musikaffinen Publikum eine | |
| kognitive Dissonanz hinsichtlich des eigenen Konsums zu geben: einerseits | |
| beklagt man das Verschwinden unabhängiger Strukturen und subkultureller | |
| Orte, andererseits hat man etwa Tech-Konzerne mit ihren fragwürdigen | |
| Geschäftsmodellen erst groß gemacht. | |
| Bleibt abzuwarten, ob Fans so genau wissen wollen, mit welchen Realitäten | |
| Musiker:innen leben, wie ihre Industrie aufgestellt ist. Also wie groß | |
| der Sog von Panels zu „Regaining Control: A Sustainable Future for | |
| Independent Artists and Labels“ oder „Wert und Wirkung – Musik zwischen | |
| Kulturauftrag und Marktdruck“ sein wird– vor allem, wenn das potenzielle | |
| Publikum nicht sowieso, wie bei früheren Festivalausgaben, vor Ort ist. | |
| Ein paar Antworten auf die Frage, warum Kultur den Polykrisen unserer Zeit | |
| wenig entgegenzusetzen hat, gibt vielleicht die Veranstaltung | |
| „Schockstarre. Wo ist die Protestkultur?“ Dort treffen Marcus S. Kleiner, | |
| Autor von „Keine Macht für Niemand. Pop und Politik in Deutschland“ und | |
| Marco Dunkel, der zu Popkultur und Rechtspopulismus forscht, auf die | |
| Musikerin Anika. Die klingt [3][auf ihrem aktuellen Album, dem postpunkigen | |
| „Abyss“], immerhin deutlich wütender als früher. | |
| Am Dienstag lässt sich das Diskursive dann mit einem Ausschwärmen in den | |
| Wedding verbinden, entlang des Flüsschens Panke, um neue Spielstätten zu | |
| entdecken. Im Heizhaus der Uferstudios sollen sich Träume und Albträume in | |
| Klang verwandeln, während sich im Studio dB Produzent:innen | |
| experimenteller Musik vorstellen. | |
| In der Panke bringt man derweil bei „BABYCORE by BABYCAKES“ | |
| Underground-Elektronik mit Performance zusammen: Dark Metal meets Drag. Auf | |
| geht’s in die echte Welt, analog und vor Ort – man will sich ja seine | |
| Entdeckungen nicht nur von Algorithmen diktieren lassen. | |
| ## Mehr Berliner Künstler:innen sind dabei | |
| Sowieso sind Berlin beheimatete Künstler:innen stärker vertreten – auch | |
| bei den größeren Konzerten, am Mittwoch auf dem Silent-Green-Gelände und | |
| wochenends in der Kulturbrauerei, der angestammten Festival-Heimstätte. | |
| Unter anderem mit dem [4][Rapper Apsilon aus Moabit], der Wut in produktive | |
| Gefühle jenseits von Hip-Hop-Klischees verwandelt. | |
| Von der unnachahmlichen [5][Stella Sommer] kommt das Kontrastprogramm; sie | |
| stimmt mit Dark Pop auf den Herbst ein. Als Solo-Act ebenfalls lohnenswert: | |
| [6][die australische Schlagzeugerin Eilis Frawley] mit ihrem Albumdebüt. | |
| Trotz dieser lokalen Schwerpunktsetzung streckt Pop-Kultur Antennen aus: | |
| nach Osteuropa oder Afrika etwa. Weltregionen, die in der hiesigen | |
| Wahrnehmung noch immer unterrepräsentiert sind. Zudem wurde ein neues | |
| Format ins Leben gerufen, in Kooperation mit dem Goethe-Institut: „Sonic | |
| Crossings“. | |
| Künstler:innen, diesmal aus dem politisch volatilen südlichen Kaukasus, aus | |
| Armenien, Aserbaidschan und Georgien, bringen zu ihrer kurzen Residency in | |
| Berlin nicht zuletzt auch Perspektiven auf die Wirkungsmacht von Popkultur | |
| mit. Man darf gespannt sein, wie das in unterschiedlichsten Formaten | |
| präsentiert wird. Und auf vieles mehr. | |
| 24 Aug 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Stephanie Grimm | |
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