| # taz.de -- Neues Album von TWÏNS: Retro-glitzernde Analogutopien bauen | |
| > Das zweite Album des Solo-Musikers Miro Dencks alias TWÏNS heißt „Healing | |
| > Dreams“. Es ist eine psychedelisch-softe Zeitreise in die 1970er Jahre. | |
| Bild: Das zweite Album des Solo-Musikers Miro Dencks alias TWÏNS heißt „Hea… | |
| Berlin taz | Klänge wie aufblühende fleischige Blumen, wie das Klappern | |
| verrosteter Fahrzeuge, wie kleine zirpende Vögel, das Kinn entlangrinnender | |
| Pfirsichsaft und staubige Gefühle in den Nasenlöchern mischen sich auf Miro | |
| Dencks alias TWÏNS neuer LP zu „Healing Dreams“ – heilsamen Träumen. | |
| Als hätte der Solo-Musiker den wechselhaften Sommer vorausgeahnt tröpfeln, | |
| rinnen und pochen, seiern, nölen und glitzern die Töne auf dem Album wie | |
| die dicken, dampfigen Regentropfen, die in diesen Wochen so häufig an den | |
| Fensterscheiben in Richtung Asphalt gleiten und auf ihm vor Hitze sofort | |
| verdunsten. | |
| Es ist das zweite Album des 1990 in Düsseldorf geborenen und in Würzburg | |
| aufgewachsenen musikalischen Autodidakten, welches wie schon der Vorgänger | |
| „The Human Jazz“ beim in Birmingham, Alabama gegründeten Label [1][Earth | |
| Libraries] erschien. | |
| Exzentrisch, nostalgisch, futuristisch | |
| Ein „Kollektiv von Exzentrikern, die gemeinsam daran arbeiten, gleichzeitig | |
| in die analoge Vergangenheit und die avantgardistische Zukunft | |
| vorzudringen.“ Die Selbstbeschreibung des Labels ordnet sein Programm so | |
| treffend ein, dass es auch eins zu eins für TWÏNS Musik stehen kann. | |
| Nur, dass das Kollektiv der Exzentriker im Fall von „Healing Dreams“ von | |
| Denck selbst gebildet wird: der Multiinstrumentalist hat die meisten | |
| Instrumente des Albums selbst eingespielt, aufgenommen und produziert. | |
| Herausgekommen ist eine psychedelisch-softe Zeitreise in die utopischen | |
| Fantasien der 1970er Jahre. Die Songs erinnern an [2][George Harrisons] | |
| beste Experimental-Momente, an die dumpfen Percussions wie in [3][Dr. Johns | |
| „I Walk on Gilded Splinters]“ oder [4][Black Sabbaths „Planet Caravan“]… | |
| die langsamen, aufgebauten, verzerrten Gitarren und ploppigen Bässe à la | |
| Eddie Harris („I Don’t Want Nobody“). | |
| Doch auch Zeitgenössisches wird hervorgerufen. So könnte der Anfang von | |
| TWÏNS „Earth Piece“ auch von José Gonzalez Band Junip stammen. | |
| Äthiopische und brasilianische Einsprengsel | |
| Auf dem gesamten Album unüberhörbar sind die Einsprengsel äthiopischer | |
| Strömungen und eine große Portion [5][brasilianischer Tropicalismo]. | |
| Besonders deutlich wird dieser beim letzten Song: einer Coverversion von | |
| „Oriente“, das im Original entweder von Cheo Marquetti or Lupe Yolí | |
| geschrieben wurde und unter anderem prominent von Henry Fiol interpretiert | |
| wurde. | |
| Beim bekannten Schlussstück, doch auch bei einigen anderen Songs lud Denck | |
| sich zu den Aufnahmen weiter Musiker:innen ein – „The Expanding | |
| Cosmos“, wie er diese lose Gruppe nennt, die ihn auch auf Live-Konzerten | |
| begleiten. | |
| Besonders prominent ertönt auf der LP immer wieder die hohlsäuselnde | |
| Querflöte von Martha Rose, deren ebenso dumpfe doch elegante Stimme auch im | |
| Stück „Marisma“ zu hören ist, dass sie gemeinsam mit Denck schrieb und | |
| einen mühelos an einen bewölkten, menschleeren Strand katapultiert. | |
| Eine ähnliche Wirkung wie sie auch das im Duett gesungene und mit Sängerin | |
| Sarah Martin zusammen komponierte Stück „Love, third Variation“ hat, deren | |
| Stimme auch immer wieder im Hintergrund auf dem gesamten Album auftaucht. | |
| Charmant treten dabei leicht absaufende Gitarrenklänge hervor, kratzen | |
| vorsichtig an der Kante einer exzellenten Disharmonie, in deren analoger | |
| Nostalgie tatsächlich das avantgardistische Moment des Albums entsteht. | |
| Experimentelle Percussion | |
| Die Unperfektheit des Handgemachten lungert in jeder Note von „Healing | |
| Dreams“. Denck hat sich alle Instrumente selbst beigebracht, das ist | |
| beeindruckend, von der Vielfalt der analogen Soundproduktion ganz | |
| abgesehen. Die Songs sind dicht gewebt mit Liebe zur experimentellen | |
| Percussion. | |
| Damit stemmen sich die verträumten Klänge mutig einer Industrie entgegen, | |
| die von aalglatten digitalen Sounds, millionenstarken Produktionen und von | |
| Algorithmen abgeschliffenen kommerziellen Ideen geprägt ist wie nie zuvor. | |
| Das ist tatsächlich Balsam für die Ohren. Und die perfekte-imperfekte | |
| Begleitung für so ziemlich alles, was man diesen Sommer noch machen kann. | |
| 15 Aug 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://earthlibraries.com/collections/twins/products/twins-healing-dreams-… | |
| [2] /Wenn-die-Gitarre-leise-weint/!1137921/ | |
| [3] /Nachruf-auf-Dr-John/!5601345 | |
| [4] /Hardrocksaenger-Ozzy-Osbourne-ist-tot/!6102516 | |
| [5] /Die-brasilianische-Tropicalismo-Bewegung/!5386980 | |
| ## AUTOREN | |
| Hilka Dirks | |
| ## TAGS | |
| Musik | |
| Album | |
| Neues Album | |
| Musikfestival | |
| Musik | |
| Frauen | |
| Neues Album | |
| Texas | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Berliner Pop-Kultur-Festival: Pop in Zeiten der Polykrisen | |
| Am Montag beginnt das Pop-Kultur-Festival mit entzerrtem Programm und | |
| Community-Building. Was man an sechs Tagen hören, sehen und verpassen kann. | |
| Polnische Musikerinnen Freiheit und Słyż: Bodyhorror mit Schlossgespenstern | |
| Die polnischen Musikerinnen Alex Freiheit und Aleksandra Słyż haben ein | |
| gemeinsames Album herausgebracht. „Ghsting“ ist ein avanciertes Hörstück. | |
| Konzert von Sofia Isella in Berlin: Etwas Düsteres, das aber aufputscht | |
| Sie spielt alleine Gitarre, Violine und Klavier: Der einzige Berliner | |
| Auftritt von US-Musikerin Sofia Isella während ihrer Europa-Tour war dufte. | |
| Musikerin Jens Ausderwäsche: Sie pflegt lieber Marotten statt Selbstoptimierung | |
| Wenn dem Kapitalismus die Schminke zerläuft, hilft nur Schrulligkeit. | |
| Diesem Motto folgt die Musikerin Jens Ausderwäsche aus Chemnitz. | |
| Psychedelische Boleros aus Texas: Entrostete Geschichte | |
| Der texanische Künstler Adrian Quesada schielt mit dem Album „Boleros | |
| Psycodelicos II“ nach Südamerika und macht sich obskure Folkgenres zu | |
| eigen. |