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# taz.de -- Eröffnungsstück der Ruhrtriennale: Ein lahmer Lars Eidinger in Wa…
> Das Festival war mal ein Fixstern am Theaterhimmel. Dieses Jahr eröffnet
> es mit Ivo van Hoves Musiktheater „I Did It My Way“. Reichen die guten
> Songs?
Bild: Larissa Sirah Herden, Samuel Planas, Sylvie Sanou, Lars Eidinger, Marco L…
Die Eröffnung der Ruhrtriennale war einmal ein glanzvolles Ereignis. Mit
abnehmender Relevanz des einstigen Leuchtturm-Festivals, dessen
Gründungsideen schon längst nicht mehr neu sind, ist das Projekt auf eher
regionales Interesse geschrumpft. Immerhin, die große Landespolitik lässt
sich noch sehen bei der Eröffnung, was dazu führt, dass sich der Beginn
der Vorstellung um eine halbe Stunde verzögert. Kein gutes Omen für den
Abend.
Denn schleppend geht es weiter. Bühnenbildner Jan Versweyveld hat für „I
Did It My Way“ von Regisseur und [1][Triennale]-Intendant Ivo van Hove ein
großes, weißes, einstöckiges Haus in die Jahrhunderthalle gewuchtet, am
Boden davor sind spiegelnde Ölpfützen aufgeklebt, rechts steht eine
riesige, kalt leuchtende Straßenlaterne. Man denkt sofort an Edward Hopper
und seine Bilder der amerikanischen Tristesse und Leere, auf dem Dach sitzt
halb versteckt die kammermusikalisch geschrumpfte Version einer Bigband.
Dann entert Lars Eidinger die Bühne, brav gekleidet in Hemd und
Bundfaltenhose, und singt „Old Watertown, nothing much happenin’“, die
ersten Zeilen des Songs „Watertown“, der Titelsong von Frank Sinatras
gleichnamigem Konzeptalbum, dessen Pop-Songs von einem einfachen Mann
erzählen, dessen Frau ihn und die Kleinstadt Watertown verlassen hat.
Eidinger singt in tiefer Lage und versucht glücklicherweise gar nicht erst,
wie Frank Sinatra zu klingen. Der Schauspielstar, der mit seiner
magnetischen Präsenz mühelos jede Bühne und Kinoleinwand füllt, wirkt
seltsam unsicher. Sein Englisch klingt sehr deutsch, er bewegt sich
zögernd, als wüsste er nicht so recht, wie man das macht, auf der Bühne
stehen und singen, und das Gesungene mit wahrhaftiger Körpersprache zu
beglaubigen.
## Es liegt an der Inszenierung
Dieser verhaltene Beginn folgt natürlich einem Plan: Van Hove will mit
[2][Popsongs von Sinatra und Nina Simone] die Geschichte eines weißen
Mannes erzählen, der von seiner Schwarzen Frau verlassen wird, die
hinausgeht in die Welt, sich emanzipiert und sich ihrer Identität als
Schwarze Frau stellt. Zurück bleibt der weinerliche Mann.
Keine Traumrolle für den [3][flamboyanten Eidinger], der nun als
depressiver Trauerkloß herumlungern muss, obwohl er sonst ja durchaus ein
Händchen für gebrochene Charaktere hat. Dann kommt [4][Larissa Sirah
Herden] dazu, sie spielt und singt sein Gegenüber, die Frau, die ihn
verlässt. „Everything Must Change“ singt sie, ungleich treffsicherer im
Gesang und Auftritt als Eidinger, aber das passt ja wieder zum Plan des
Regisseurs, den weißen Mann alt aussehen zu lassen neben der sich
empowernden Frau.
Aber auch die charismatische Sängerdarstellerin bewegt sich erst mal wenig,
sie geht auf und ab, sie geht ins Haus, kommt wieder heraus, schaut aus dem
Fenster, wirft Kleider auf die Straße, zieht ein Rollo hoch, dann wieder
runter. Ist der Song zu Ende, tritt sie ab. Und dann kommt wieder Eidinger
und singt. So geht das eine Weile, wie in einem dekorierten Konzert oder
einer etwas traurigen Revue.
Bis endlich Bewegung in die Sache kommt, als sich vier Tänzerinnen und
Tänzer des Faso Danse Théâtre hinzugesellen, zwei Tänzerinnen (Ida Faho,
Sylvie Sanou) als Begleiterin von Herden und zwei Tänzer (Marco Labellarte,
Samuel Planas) für Eidinger. Serge Aimé Coulybaly hat die Choreografie
besorgt, zu Eidingers „A Man Alone“ wälzen sich die beiden Tänzer zunäch…
in konvulsivischen Zuckungen am Boden, während das Frauen-Duo
zupackend-kraftvoll zunehmend Musical-Laune verströmt.
## Langsam nimmt das Stück Fahrt auf
Allmählich wächst das Ganze zusammen, es gibt Szenen, wenn alle sechs
tanzen – Eidinger und Herden immer in artistisch abgespeckter Version –
und dazu gesungen wird, die an die Jets- und Sharks-Formationen aus der
„[5][West Side Story]“ erinnern. Die dramaturgische Funktion der getanzten
Doubles bleibt aber dürftig, denn sie illustrieren nur, was von den beiden
Hauptpersonen gesungen wird. Ohne sie freilich wäre immer noch herzlich
wenig los auf der Bühne.
Immerhin gewinnt der Abend an Tempo. Das weiße Haus wird zwischendurch zur
Projektionsfläche für Videos, man blickt zuerst in die Zimmer hinein,
später sieht man historische Aufnahmen von Rassenunruhen in den USA, Reden
von [6][Martin Luther King] werden eingeblendet, seine Beisetzung. Eidinger
singt den Titelsong des Abends, das ikonische „I Did It My Way“ in einer
instrumental abgespeckten und tiefer gelegten Version, es klingt wie ein
Dementi des trotzigen Pathos von Sinatras Original.
Larissa Sirah Herden macht mit Nina Simones „Why? (The King of Love Is
Dead) einen showtauglichen Ausflug ins Publikum, die brave Frisur und das
weiße Hausfrauenkleidchen vom Beginn hat sie längst ausgetauscht mit einem
sexy Minikleid und krauser Afro-Frisur.
Den letzten Teil des Abends beginnt sie mit „A Single Woman“, es folgt eine
Wiederannäherung des getrennten Paares, aber nach der finalen Wiederholung
von „I Did It My Way“, diesmal höher gelegt und im Arrangement (Henry Hay)
deutlich näher am Original, gehen beide in verschiedene Richtungen ab.
Freundlicher, aber enden wollender Applaus und ein paar Buhs für die Regie
und einen matten Festival-Auftakt.
25 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.ruhrtriennale.de/de
[2] /Essayfilm-von-Johan-Grimonprez/!6063762
[3] /Die-Wahrheit/!5831654
[4] /Mockumentary-ueber-Dating-Show/!6006397
[5] /Remake-der-West-Side-Story-im-Kino/!5814623
[6] /Gegen-den-Willen-der-Hinterbliebenen/!6102378
## AUTOREN
Regine Müller
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