# taz.de -- Mockumentary über Dating-Show: Diskurs statt Discounter | |
> In der Serie „Player of Ibiza“ geht es um eine fiktive Reality-TV-Show, | |
> in der Männer mit der größten Challenge konfrontiert werden: dem | |
> Feminismus. | |
Bild: Abdel, Marvin und Anthony kühlen sich ab | |
Eine Gruppe Kerle, die unter heißer Mittelmeersonne und vor laufenden | |
Kameras ihre Männlichkeit zur Schau stellen und um die Gunst einer Frau | |
buhlen? Das Konzept der Show „Player of Ibiza“ klingt kaum anders als das, | |
was in Sachen [1][Reality-TV] seit Langem bei den Sendern und | |
Streamingdiensten für Quoten sorgt, von „Too Hot to Handle“ und „Love | |
Island“ bis „Bachelorette – Die Traumfrau“ oder (in der queeren Version) | |
[2][„Prince Charming“]. In Sachen Glaubwürdigkeit weiß also die | |
gleichnamige Comedyserie, die eben diese fiktive Show ins Zentrum rückt, | |
mit ihrer Prämisse direkt zu punkten. | |
Hinter „Player of Ibiza“, deren fünf Episoden ab dem 10. Mai in der ARD | |
Mediathek zu sehen sind, stecken Emil und Oskar Belton sowie Bruno | |
Alexander, die auch schon für die preisgekrönte [3][Serie „Die Discounter�… | |
verantwortlich zeichnen. Für ihre neue Produktion haben die drei | |
Mittzwanziger nicht nur einen ganz besonderen Mikrokosmos als Setting | |
gewählt, sondern sich für das Format einer Mockumentary entschieden. | |
So zu tun, als würde man dokumentarische Aufnahmen zeigen, und die Figuren | |
in Interviewsituationen direkt in die Kamera sprechen zu lassen, ist zwar | |
ein im Comedy-Bereich inzwischen arg überstrapazierter Ansatz. Doch | |
zumindest in diesem Fall, wo es thematisch ohnehin um ein Format geht, in | |
dem andauernd die Kameras laufen und Kandidaten in Confessionals ihr Herz | |
ausschütten müssen, ist das Genre angebracht. | |
Wir wohnen nun also der Produktion einer neuen Staffel von „Player of | |
Ibiza“ bei, in der alles ein wenig anders läuft als üblich. Nachdem man | |
jahrelang gut fuhr mit reißerischem Trash, der von Sex, Saufexzessen und | |
ungebremstem Machismo lebte, hat nun selbst der Senderverantwortliche | |
(Martin Brambach) mitbekommen, dass der Zeitgeist dezent in eine andere | |
Richtung weht. Feminismus statt Mackertum! | |
## Fuckboys und Incels | |
Auf die leicht bekleidete Schönheit, die es zu erobern gilt, wird also | |
verzichtet, stattdessen müssen die Kandidaten in Challenges lernen, | |
Geschlechterklischees zu hinterfragen. Regisseurin Amelie (Larissa Sirah | |
Herden) ist nicht überzeugt von dem neuen Konzept, und dass aus | |
Kostengründen nicht auf Ibiza, sondern im niedersächsischen Buchholz | |
gedreht wird, macht die Sache nicht besser. | |
Die teilnehmenden Männer werden erst einmal im Dunkeln gelassen, haben sie | |
doch mit Feminismus so gar nichts am Hut: Anthony (Emil Belton) ist | |
Schnösel-Fuckboy aus reichem Hause, Marvin (Charles Booz Jakob) | |
Möchtegern-Rapper mit sexistischen Texten, Abdel (Arman Kashani) | |
muslimischer Unternehmer, dem der Glaube als emotionaler Panzer dient, Tim | |
(Bruno Alexander) ist Gym-besessen und zu Hause bei der Freundin heimlich | |
ein Softie und Jeppe (Sammy Scheuritzel) sogar [4][ein waschechter Incel]. | |
Doch je mehr sie sich ihren Aufgaben stellen müssen und mit Menschen wie | |
der feministischen Autorin Anna König (Mareice Kaiser spielt eine Version | |
ihrer selbst) konfrontiert werden, desto mehr ahnen sie, dass hier eine | |
andere Show gedreht wird als die, für die sie sich beworben haben. | |
## Klischees gebrochen und bedient | |
Sich mittels Parodie und Satire an zerbrechlichen Männer-Egos genauso | |
abzuarbeiten wie an Wokeness-Debatten erweist sich für „Player of Ibiza“ | |
als ergiebiger Ansatz. Zwar liegen subtile Spitzen und plumpe Breitseiten | |
mitunter sehr nah beieinander und werden manche Klischees nicht nur | |
gebrochen, sondern auch bedient (dass zum Beispiel Queerness ausgerechnet | |
via Kandidat Abdel verhandelt wird). | |
Doch nicht zuletzt weil die Beltons und Alexander samt den Mitautorinnen | |
Ellen Holthaus und Miriam Suad Bühler viel Raum für Improvisation lassen, | |
leben die Dialoge und Ensembleleistungen von einer Frische und | |
Authentizität, die oft herrlich komisch sind. | |
Das Problem ist nur, dass die Art des Reality-TVs, um die es hier geht, | |
längst so durchschaubar produziert und so ironisch konsumiert wird, dass es | |
eher müßig ist, sich darüber lustig zu machen. Das versucht „Player of | |
Ibiza“ durch Übertreibungen zu kompensieren, die dem Spaß ebenso im Weg | |
stehen wie die didaktischen Momente, in denen etwa [5][die feministische | |
Pornoproduzentin Paulita Pappel] ernsthafte Anliegen kommunizieren soll. | |
Dass es entlarvender sein kann, Fernsehformate dieser Art ernst zu nehmen | |
und sich in der fiktionalen Auseinandersetzung mehr auf die Menschen hinter | |
der Kamera zu konzentrieren, bewies schon vor neun Jahren die erste Staffel | |
der [6][US-Serie „Unreal“]. | |
10 May 2024 | |
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[5] /Paulita-Pappel-ueber-Pornografie/!5952787 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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