# taz.de -- Musikbranche im KI-Zeitalter: Musik, die nicht egal ist | |
> 20.000 KI-generierte Songs werden täglich neu hochgeladen. Zeit, dem | |
> etwas entgegenzusetzen: Songs und Alben von echten Musikerinnen und | |
> Musikern. | |
Bild: Musikhören wie 1980, als Songs noch garantiert nicht von einer KI kompon… | |
Berlin taz |,,We trained your machines. Pay us what we deserve“ (Wir haben | |
eure Maschinen trainiert. Zahlt uns, was wir verdienen). Diese Forderung | |
war kürzlich erst [1][auf einem Transparent von TikTok-Beschäftigten] zu | |
lesen. Kurz vorher hatte der chinesische Konzern angekündigt, 150 | |
Mitarbeitende aus dem Bereich des Content-Managements zu entlassen. Künftig | |
sollen die Aufgaben von einer künstlichen Intelligenz übernommen werden. | |
Sie soll überwachen, welche Inhalte auf der Plattform hochgeladen werden. | |
Der Warnstreik, der daraufhin erfolgte, war der erste Streik, den | |
Angestellte einer Socia-Media-Plattform in Deutschland durchführten. | |
Den Algorithmus trainieren und trotzdem leer ausgehen? So könnte es | |
mittelfristig auch den Musikschaffenden gehen. Im Unterschied zu | |
beispielsweise den Mitarbeitenden von TikTok wissen die aber oft noch nicht | |
einmal, ob und wie stark ihr künstlerischer Output genutzt wird, um die KI | |
zu füttern. | |
Die Plattformen Suno und Udio | |
[2][Die Start-ups Suno und Udio] gehören zu den führenden Plattformen | |
hinsichtlich der generativen Erstellung von Musik. Nur kurz das Genre und | |
ein Thema für den Song ausgewählt (in meinem Fall ein Song über Drehtabak, | |
Genre: Postpunk) und das Programm spuckt einem – wortwörtlich – einen Song | |
aus. Der ist dann, was den künstlerischen Mehrwert angeht, in etwa so egal, | |
wie es der Prompt ist, der ihm ins Leben geholfen hat. | |
Um dies leisten zu können und beispielsweise jedem Genre einen bestimmten | |
Klang, eine bestimmte Ästhetik zuordnen zu können, müssen Suno und Co im | |
Vorfeld mit großen Datensätzen versorgt worden sein, durch die sie lernen | |
konnten, wie die jeweilige Musik klingt. Woher genau diese Daten allerdings | |
stammen und welche Musik eingespeist wurde, darüber wird vonseiten der | |
Unternehmen Stillschweigen bewahrt. Zu groß ist wohl die Angst, dass das | |
Thema Urheberrecht doch noch eine Rolle spielen könnte. | |
Die Frage danach kommt spätestens dann zum Tragen, wenn mittels der | |
KI-Tools nicht nur rum gespaßt wird, um zum Beispiel einen Song über die | |
beste Freundin generieren zu lassen, sondern wenn daraus „Musik“ wird, die | |
nach Veröffentlichung auf eine große Zahl an Hörerinnen stößt. | |
Keine Newcomer-Band | |
So wie kürzlich bei der „Band“ „The Velvet Sundown“ geschehen. Die war… | |
mit „Songs“ auf, deren Titel genau so random sind wie der Bandname auch | |
(„Dust On The Wind“, „As The Silence Falls“, „End The Pain“), und e… | |
damit mittlerweile über 1,3 Millionen Hörer. | |
Viel wurde darüber geschrieben, der Output von „The Velvet Sundown“ | |
teilweise besprochen, als würde es sich einfach um Newcomer handeln. | |
Festgestellt wurde dabei dann unter anderem, dass es ja gar keine | |
Konzertankündigungen gibt. Große Überraschung. | |
Was abseits allen Zynismus wirklich überrascht, ist dann doch, wie | |
unkritisch manch ein Musikjournalist mit der zusammengenerierten Musik | |
umgeht, teilweise selbst immer wieder damit experimentiert und ganz | |
begeistert ist. Wenn das der Weg der Wahl ist, dann wird man den | |
Musikjournalismus bald auch in Anführungszeichen setzen können, denn wer | |
könnte KI-Musik besser besprechen als eine KI? | |
Nur Deezer weist KI-Songs aus | |
Um ein Randphänomen handelt es sich dabei schon länger nicht mehr. Zu | |
Beginn des Jahres veröffentlichte Deezer, der einzige Streamingdienst, der | |
KI-Songs explizit auch als diese ausweist, Zahlen dazu. 18 Prozent aller | |
neu hochgeladenen Songs sind generiert. Das sind pro Tag mehr als 20.000. | |
20.000 Songs, die ohne Produktionskosten in die Welt geworfen werden und | |
dem Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern gegenüberstehen, die selbst | |
von ihrer Musik leben wollen, die Studios und Proberäume, Mixing und | |
Mastering und vieles mehr bezahlen müssen. | |
Die haben ohnehin schon mit den Bedingungen zu kämpfen, die | |
[3][Streamingdienste wie Spotify] geschaffen haben. Eine Musiklandschaft, | |
in der sich alles um die Vermarktung ihrer Musik auf sozialen Medien und | |
Playlistplatzierungen dreht. Letztere bringen einen ganz neuen Zweig an | |
Musikpromotiontools hervor, von denen es mittlerweile unzählige zu geben | |
scheint. | |
Reale Hörerschaft im Fokus | |
Das Geschäftsmodell? Die Musik der Artists durch Bezahlung in Playlisten | |
unterzubringen und Hörerinnen zu generieren. Wobei hier explizit mit realer | |
Hörerschaft geworben wird, Bots also außen vor bleiben sollen. | |
[4][Albrecht Schrader] zum Beispiel, ein Musiker, über den in jedem Fall | |
mehr geschrieben werden sollte als über „The Velvet Sundown“ und Co, teilte | |
vor einigen Tagen in seinen Instagram-Stories Screenshots von Werbung | |
dieser Online-Musikpromotiontools, die ihm in seinen Feed gespült wurde. | |
Sein letzter Storyslide war dann ein Dreipunkteplan, um mit diesem Irrsinn | |
umzugehen. Dieser lautet wie folgt: „1. Die Scheiße erkennen, 2. Die | |
Scheiße benennen, 3. Der Scheiße gutes Zeug entgegensetzen.“ Laut Schrader | |
darf gerne ergänzt und gemeinsam umgesetzt werden. | |
Bevor dieser Text versucht, auf Punkt drei einzugehen, noch einmal zu Punkt | |
Nummer zwei. Die Scheiße benennen. Zugegebenermaßen ist das ein sehr großes | |
Vorhaben, aber irgendwo muss man ja anfangen. | |
Spotify ist auch dabei | |
Wie immer, wenn es um [5][die Kaputtheit der Musikindustrie] geht, ist | |
Spotify nicht weit, denn auch dort ist man sich sicherlich bewusst darüber, | |
wie viel Geld man einsparen kann, wenn man Musikerinnen künftig nicht mehr | |
ihre 0,003 Cent pro Stream, sondern einfach gar nichts mehr ausbezahlen | |
muss. | |
Bei Film- und Serien-Streamingdiensten sind Eigenproduktionen bereits gang | |
und gäbe. Warum also nicht auch im Musikstreaming? Nach der Devise „Flood | |
the Market with shit“ könnten Musiker hier mittels KI-Songs endgültig aus | |
dem Rennen gedrängt werden. | |
Zusätzlicher Bonuspunkt: Von den KI-Artists beschwert sich auch niemand, | |
wenn Spotify-CEO Daniel Ek [6][Millionenbeträge in Rüstungsunternehmen] | |
investiert. Das war für einige Künstlerinnen (zum Beispiel King Gizzard & | |
The Lizard Wizard) nämlich Anlass dazu, ihre Musik von der Plattform zu | |
nehmen. Damit wäre die Problematik erst einmal benannt und die rosigen | |
Zukunftsaussichten sind niedergeschrieben. | |
Besser: gutes Zeug hören | |
Zeit also, gutes Zeug entgegenzusetzen. Das ist eigentlich der einfachste | |
Punkt, denn gute Musik gibt es bereits. Schwer wird es, eine Auswahl zu | |
treffen, weswegen die Autorin nun einfach Artists empfiehlt, deren Musik | |
sie in den letzten Tagen gelauscht hat. | |
Namentlich sind das zum Beispiel Betti Kruse aus Hamburg, die mit ihren | |
deutschen Chansons an Musikerinnen wie Hildegard Knef anknüpft; Midwife – | |
die US-amerikanische Musikerin hat in diesem Jahr gemeinsam mit Matt Jencik | |
die Platte „Never Die“ veröffentlicht, wunderbar düster und melancholisch; | |
und zum Schluss noch Baxter Dury allgemein und im Speziellen seinen Song | |
„Allbarone“, der zusammen mit JGrrey entstanden und super tanzbar ist. KI | |
could never. | |
Was KI übrigens auch nicht kann? Streiken und sich in Gewerkschaften | |
organisieren. Jedenfalls noch nicht. Vielleicht also auch Zeit für | |
Musiker:innen, sich einmal den Slogan „We trained your machines. Pay us | |
what we deserve“ auf die Streikfahnen zu schreiben? | |
7 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Streik-bei-TikTok-in-Berlin-Darum-legen-Content-Moderatoren-die-Arbeit-nie… | |
[2] /Musikhoeren-in-Zeiten-von-KI/!6104292 | |
[3] /Transparenzbericht-von-Spotify/!6089540 | |
[4] /Neues-Album-von-Albrecht-Schrader/!6073681 | |
[5] /Verguetung-bei-Musikstreaming/!6086424 | |
[6] /Von-Spotify-zur-Waffenschmiede/!6097149 | |
## AUTOREN | |
Johanna Schmidt | |
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