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# taz.de -- 1.238 Tage Krieg in der Ukraine: Und gleich füllen sich die Augen …
> Seit fast zwanzig Jahre singen die alten Damen aus dem Kyjiwer Umland im
> Chor. Der Krieg hat seine Spuren hinterlassen – aber sie machen weiter.
Bild: Der Chor bei einem öffentlichen Auftritt – in ukrainischer Tracht
Sie singen über die Ukraine, die unter dem Krieg leidet. Über die Städte
Mariupol, [1][Butscha, Irpin] und Wolnowacha. Über eine Mutter, die auf
ihren Sohn wartet und betet, dass er lebend in seine Heimat zurückkehrt.
Die Laien-Chor Pereweslo ist 18 Jahre alt. Er ist zwar noch nicht ganz
erwachsen, aber schon volljährig und hat viel erlebt. Das Ensemble besteht
aus jung gebliebenen, aber erfahrenen Solistinnen, deren Alter nur ihre
Pässe verraten (das jüngste Mitglied wird bald 55, das älteste 80 Jahre
alt!).
Die Frauen wollen bis zu ihrem 100. Lebensjahr singen, „so Gott will“, sagt
die Leiterin Olga Fainikowa. „Es gibt in Butscha sehr gute Gruppen, es gibt
viele davon. Aber keine ist, ich möchte nicht sagen, alt, sondern so weise
wie wir.“
Im Saal des Kulturzentrums Uwarowsky Dim in Worsel – [2][eine Ortschaft im
Gebiet Kyjiw] – wo die Gruppe probt, werde ich mit einem Lächeln und
strahlenden Augen begrüßt. Alle sind hochmotiviert. Nachdem wir uns bekannt
gemacht haben, tragen die Künstlerinnen ihr erstes Lied vor. Und gleich
füllen sich die Augen einiger, die gerade noch vor Freude strahlten, mit
Tränen.
„Wir hätten nie gedacht, dass wir das erleben würden, was wir jetzt
durchmachen. Und wir alle sind von Schmerz erfüllt, was in unserer Ukraine
passiert. Rajas Enkel kämpft, auch Katjuschas Sohn ist an der Front. Die
Lieder, die wir einstudieren und singen – wir weinen zusammen, wir singen
zusammen, wir beten zusammen zu Gott. Aber wir versuchen, unsere Jungs so
gut zu unterstützen, wie wir können“, sagt Olga Fainikowa unter Tränen.
## Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte
Die Sängerinnen unterstützen ukrainische Soldaten, die durch die Hölle des
Krieges gegangen sind, mit Liedern und Leckereien. Ihr Traum: ein Auftritt
im Militärkrankenhaus, darauf bereitet sich die Gruppe jetzt vor. „Wir
wollten sogar schon dort hinfahren, aber sie haben uns gesagt, sie würden
uns nicht mitnehmen, denn sie wollten an die Front. Wir backen Kuchen,
denken uns etwas aus – kurz gesagt, wir unterstützen sie, damit sie wissen,
dass wir sie lieben und auf sie warten. Das ist sehr wichtig für sie. Sie
sollen doch spüren, dass sie gebraucht werden“, so Fainikowa.
Jede der Sängerinnen weiß, was Krieg bedeutet. Eine hat Angehörige
verloren, eine andere hatte mehr Glück – die Besatzer zerstörten nur ihr
Haus.
Die Frauen sprechen auch über Verluste in ihrem Ensemble: „Wir waren 17
Sängerinnen, aber dann wurde unsere Solistin Ljusja Schabalowa getötet.
Eine andere Frau hörte auf zu singen, als ihre Mutter während des Krieges
starb. Auch Nina ist gestorben, sie konnte all das nicht mehr aushalten.“
Auch das Herz des Ensembleleiters, des mehrfach ausgezeichneten Künstlers
der Ukraine Gennadi Pawlik, konnte die russische Invasion nicht mehr
ertragen – es hörte im März 2022 auf zu schlagen. Jetzt sind sie noch zehn
Sängerinnen.
Trotz all der Trauer, die die Gruppe aufgrund des russischen
Angriffskrieges erlebt hat, singen die Frauen weiter. In diesem Jahr wurde
ihr Status als Folkloregruppe zum dritten Mal bestätigt, das Repertoire
umfasst etwa 500 Lieder. Die Frauen warten auf den Sieg der Ukraine. Dann
werden sie auf jeden Fall ein Festkonzert geben.
Aus dem Russischen [3][Barbara Oertel]
15 Jul 2025
## LINKS
[1] /Nach-dem-Massaker-in-Butscha/!5843396
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5964971
[3] /Barbara-Oertel/!a1/
## AUTOREN
Walerija Samoshyna
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