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# taz.de -- Dokumentarfilm „Un/Sichtbar“: Fabrikhallen, Spülküchen, Rassi…
> Für den Film „Un/Sichtbar“ filmten vier prekär beschäftigte Geflüchte…
> ihr Leben in Hamburg – und berichten von Ausgrenzung und Diskriminierung.
Bild: Wut nach Rassismuserfahrung: Kobina an seinem Arbeitsort als Tellerwäsch…
„Die im Dunkeln sieht man nicht“, das schrieb vor fast 100 Jahren Bertolt
Brecht in seiner „Moritat von Mackie Messer“. Was zu einer der wohl
bekanntesten Zeilen aus der „Dreigroschenoper“ wurde, beschreibt auch die
Erfahrung von Vivian, Iklass, Salome und Kobina. Aber niemand schrieb
bisher eine populäre Ballade über die Busfahrten morgens um vier, wenn sie
ganz unter ihresgleichen sind. Um diese Zeit fahren nur die Unsichtbaren
zur Arbeit: „Ausländer*innen“, People of Colour, diejenigen, die jeden Job
zu jeder Tageszeit annehmen müssen.
Ein solcher Arbeitsplatz reicht nicht, um in Hamburg die Miete zahlen zu
können. Und so arbeiten sie täglich von morgens bis nachts in verschiedenen
Jobs: als Tellerwäscher, Reinigungskraft, in einer Wäscherei oder als Hilfe
in der Kranken- oder Altenpflege. Zwischendurch gehen sie noch in die
Abendschule, studieren gar oder ziehen einfach nur ihre Kinder groß.
Aus dem prekären Dunklen ins Licht geholt werden Vivian, Iklass, Salome und
Kobina, vier von vielen, [1][im Dokumentarfilm „Un/sichtbar“], 2021
produziert im Kulturzentrum Zinnschmelze in Hamburg-Barmbek: Ausgestattet
mit kleinen digitalen Kameras, haben sie vier Wochen lang ihr alltägliches
Leben dokumentiert. Begleitet hat die Protagonist*innen ein
professionelles Filmteam, das filmtechnisch unterstützte, aber auch
Interviews mit den Vieren führte. Diese unterscheiden sich von den
Selbstporträts auch stilistisch: Aufgenommen sind die Gespräche in
Schwarz-Weiß und mit abgedunkeltem Hintergrund, da lenkt nichts ab von den
Gesichtern der Protagonist*innen.
Wahrgenommen zu werden, öffentlich, das ist diesen Menschen wichtig:
Allesamt beklagen sie, wie die anderen sie ignorieren – und diskriminieren,
mal durch spürbare Verachtung, seltener durch ausdrückliche rassistische
Beschimpfungen. Vivian, Kobina und Iklass kommen aus Afrika, sie sind
Schwarze Menschen. Salome sieht man hingegen nicht an der Hautfarbe an,
dass sie nicht zur deutschen Mehrheitsgesellschaft gehört. Und dennoch hat
sie ganz ähnliche Erfahrungen gemacht: Sie ist aus [2][Georgien] nach
Hamburg gekommen, um hier Soziologie zu studieren. Und sie schildert auch
ihre eigene Lebenssituation zum Teil so analytisch wie eine Fallstudie.
Salome ist von den vieren die einzige, die keine Alltags-Selfies gemacht
hat. Stattdessen nimmt der Film durch ihre Beschreibungen die Nuancen der
Ausgrenzung in den Blick: So schildert sie sehr anschaulich, wie sie bei
einer Wohnungsbesichtigung von den potenziellen Vermietern „höflich
beleidigt“ wurde.
„Un/sichtbar“, der 2023 erstmals aufgeführt wurde, ist ein 66 Minuten
langer Dokumentarfilm geworden, der mit verschiedenen Stilmitteln arbeitet,
die aber immer dazu dienen sollen, die Lebensrealität der vier zu
vermitteln – möglichst intensiv und anschaulich. Mal folgen wir Vivian
einen Tag lang, vom Aufstehen am frühen Morgen bis zur einzigen Mahlzeit
des Tages vor dem Zubettgehen. Iklass war in [3][Burkina Faso] ein
bekannter Popstar, der aus seiner Heimat floh, als Islamisten ihn
bedrohten. Im Film ist eines seiner Musikvideos zu sehen, zusammen mit
einem Chor von Frauen mit Kopftüchern singt er über die Liebe zu Allah.
Bei Kobina, der aus Ghana kam, wird seine Wut deutlich, wenn er etwa davon
erzählt, wie er von einem arbeitslosen deutschen Rassisten beschimpft wurde
– und er diesen beschämte, indem er ihm zwei Euro für ein Bier in die Hand
drückte. Es gibt also kleine Siege und Glücksmomente in diesem Film. Wie
etwa das fröhliche Lachen Iklass’ und seiner Klassenkamerad*innen auf
der Straße, nachts nach der Abendschule: Für ihn sind dies die schönsten
Augenblicke seines Lebens in Deutschland.
Den Schauplatz Hamburg zeigt „Un/sichtbar“ aus ungewöhnlichen Perspektiven:
Hier sieht man die Fabrikhallen, Spülküchen und Lagerhallen, in denen alles
durch schwere, gleichwohl schlecht bezahlte Arbeit in Gang gehalten wird.
Von früh am Morgen bis spät in die Nacht, bevölkert von Menschen, die immer
müde aussehen.
15 Jul 2025
## LINKS
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[3] /Neue-Uebergangscharta-in-Burkina-Faso/!6010056
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Dokumentarfilm
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