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# taz.de -- Proteste in Los Angeles: Aggressive Stimmung auf allen Seiten
> Während US-Präsident Trump die Situation eskaliert, hoffen manche
> Aktivist:innen, durch Chaos den bedrohten Migrant:innen Zeit zu
> verschaffen.
Bild: Wollen Chaos stiften: Protestierende in Los Angeles
Los Angeles taz | Es ist halb elf am Montagabend und Katie Thompson ist
seit fünf Uhr am Nachmittag hier. Sie möchte auf gar keinen Fall verpassen,
wie Weltgeschichte geschrieben wird. So wie es hier zugeht, stelle sie sich
den Weltkrieg vor, sagt sie. Am Sonntag blieb sie bis zwei Uhr nachts. Wer
weiß, wie lange das Ganze heute gehen wird. Neben ihr steht ihre Freundin
und knutscht mit deren Freund. Die Szene hat etwas Bizarres.
Um sie herum surren die Helikopter am nachtschwarzen Himmel, der Geruch von
Tränengas und Marihuana hängt in der Luft. An jedem Gebäude in der Second
Street neben der Little Tokyo Mall sind Schmierereien mit „Fuck ICE“, Fuck
Trump“, „Fuck La Migra“, wie die Einwanderungsbehörde auf Spanisch genan…
wird, zu sehen. ICE ist die Ausländerbehörde, deren Razzien gegen
undokumentierte Migrant:innen in Los Angeles die Proteste ausgelöst
haben.
Gleich wird das Chaos losgehen: Jemand hat eine Mülltonne in die Mitte der
Straße geschoben und angezündet. „Geh näher ran und mach ein Video davon!�…
befiehlt Katie. Dutzende stehen schon da und filmen. Vielleicht hundert,
vielleicht zweihundert Meter weiter stehen die Polizist:innen wie in
Reih und Glied.
## Soldaten gegen die eigene Bevölkerung
Haben die Drei keine Angst?
„Nee, das ist Adrenalin, ein Abenteuer“, antwortet der Freund von Katie
Thompsons Freundin und beißt in ein Sandwich. Thompson, 20 Jahre alt, lange
Cornbraids, viele Tattoos, viele Ringe, nickt zustimmend. Sie seien hier,
um Chaos zu stiften. So wollen sie die [1][ICE-Festnahmen] verlangsamen und
Zeit gewinnen: damit möglichst viele Migrant:innen so schnell es geht
einen Aufenthaltsstatus beantragen können.
Als Reaktion auf die tagelangen Proteste entsandte US-Präsident Donald
Trump gegen den Willen des kalifornischen Gouverneurs am Sonntag zunächst
300 Nationalgardisten nach L.A. und verdoppelte die Zahl der Truppen einen
Tag später. [2][2.000 sollten es insgesamt werden, inzwischen spricht Trump
von 4.000]. Am Montag trafen außerdem 700 Marineinfanteristen ein – eine
Entscheidung, die ohne die örtliche Polizei getroffen wurde.
Soldaten gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, ist ein Tabubruch. Unter
besonderen Umständen kann der Gouverneur eines Bundesstaats die
Unterstützung der Nationalgarde für die Polizei anfordern. [3][Jetzt ist
das Gegenteil der Fall] – Trump schickt die Nationalgarde gegen den Willen
des Gouverneurs. Der Staat Kalifornien will die US-Regierung deshalb
verklagen. Rob Bonta, Kaliforniens Generalstaatsanwalt, sagte, Trump habe
die Souveränität des Bundesstaates mit Füßen getreten.
Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom warf Trump „Machtmissbrauch“ vor. Er
glaubt, dass Trumps Entscheidung, die Armee zu schicken, wohl kalkuliert
ist. Man wolle eine Krise fabrizieren. Die Menschen in Los Angeles bat er,
friedlich zu bleiben. „Gebt ihnen nicht das Spektakel, das sie wollen.“
## „I love the thrill!“
Doch die Stimmung auf allen Seiten ist aggressiv, kaum jemand scheint sich
um die Worte Newsoms zu scheren. Demonstrationen gegen die Abschiebungen
gibt es auch in San Francisco, New York und Atlanta, in vielen weiteren
Städten gibt es Aufrufe zum Protest.
Auch Katie Thompsons Bruder müsste irgendwo hier sein, erzählt sie, auf der
Gegenseite: Er ist bei den Marines. Ihre Familie stammt aus den
Philippinen. Die Position, die ihr Bruder jetzt beim Militär hat, hat er
sich sein Leben lang hart erarbeitet. Dass er jetzt gegen demonstrierende
Migrantinnen und Migranten vorgehen muss, das gefällt ihm nicht. Aber er
würde niemals etwas tun, was seinen Job aufs Spiel setzen würde. Katie
zuckt mit den Schultern. Sie und ihre Freundin verdienen ihr Geld mit
Social Media. Onlyfans, sagt sie gleichmütig. Sowieso sei Los Angeles eine
toxische Stadt. Sie wolle nach Texas zurückziehen, wo sie herkomme.
Ein fremder Typ läuft vorbei und schaut begeistert auf die Mülltonne, aus
der Flammen aufsteigen. „I love the thrill“, grinst er. „Ich hätte sie
gerne selber angezündet“. Kurz darauf rennt er in die Nähe der Mülltonne.
Irgendwo ist ein lauter Knall zu hören, die Polizei schießt Gummigeschosse,
überall ist Tränengas.
Die Polizisten nähern sich jetzt den Demonstranten. Drei junge
Aktivist:innen mit rosafarbenen Masken fragen im Vorbeigehen: „Geht’s
dir gut, brauchst du Hilfe?“ Sie verteilen Wasser und gehören der Community
Self-Defense Coalition an, einer Graswurzelorganisation zum Schutz von
Migrantenrechten. Auf der Straße rennen die Menschen in die
entgegengesetzte Richtung der Polizisten. Einige kämpfen mit Atemnot, allen
kullern die Tränen übers Gesicht.
„Komm, lass uns von hier verschwinden“, schreit jemand.
10 Jun 2025
## LINKS
[1] /Trumps-Migrationspolitik/!6082246
[2] /-Proteste-in-Los-Angeles-/!6093450
[3] /Trump-schickt-Nationalgarde/!6090047
## AUTOREN
Marina Klimchuk
## TAGS
Schwerpunkt USA unter Trump
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