# taz.de -- Trumps Migrationspolitik: Absolute Willkür | |
> Um aus den USA abgeschoben zu werden, reichen bisweilen schon ein Tattoo | |
> oder eine Mütze. Was die Gerichte entscheiden, spielt kaum noch eine | |
> Rolle. | |
Bild: Die Präsidenten Bukele und Trump am 14. April im Weißen Haus | |
Es war ein gruseliges Treffen im Oval Office. US-Präsident Donald Trump saß | |
an diesem Tag Mitte April selbstherrlich auf seinem Stuhl, neben ihm | |
mindestens so selbstherrlich [1][Nayib Bukele], der Präsident von El | |
Salvador. Man sah den beiden Männern an, wie sehr sie die Situation | |
genossen. Auf die Frage, ob die US-Regierung Kilmar Abrego Garcia zurück in | |
die USA bringen würde, antwortete die ebenfalls anwesende | |
US-Justizministerin Pam Bondi, das hänge von Präsident Bukele ab. | |
Der sagte schmunzelnd: „Ich hoffe, Sie schlagen nicht vor, dass ich einen | |
Terroristen in die USA einschleusen soll. Wie soll ich einen Terroristen in | |
die USA schmuggeln? Das werde ich natürlich nicht tun.“ Der Fall des | |
29-jährigen Kilmar Abrego Garcia ist eins der sichtbarsten Zeichen dafür, | |
dass die USA heute ein anderer Staat sind als noch vor ein paar Monaten. | |
Seine Geschichte zeigt, wie schnell ein demokratischer Staat autoritär | |
umgebaut werden kann. | |
[2][Garcia] lebte mit seiner Frau, einer US-Amerikanerin, und drei Kindern | |
seit 2012 im US-Bundesstaat Maryland. Er war aus El Salvador geflohen, weil | |
sein Leben dort in Gefahr war, und bekam in den USA einen legalen | |
Aufenthaltsstatus. Ein Gericht verfügte im Jahr 2019, dass er nicht nach El | |
Salvador abgeschoben werden dürfe. Garcia erfüllte seine rechtlichen | |
Auflagen – er meldete sich regelmäßig bei den Behörden, er wurde nicht | |
straffällig. Dann kam Donald Trump ins Amt. | |
Mitte März wurden Garcia und weitere gut 200 Männer von der | |
Einwanderungsbehörde ICE [3][festgenommen und nach El Salvador geflogen] – | |
obwohl ein Gericht die Deportationen gestoppt hatte. Die | |
Trump-Administration behauptete, die Männer – allesamt Migranten – seien | |
„Terroristen“ und „Gang-Mitglieder“. Sie wurden in das berüchtigte | |
[4][Cecot-Gefängnis] gebracht, das Bukele dafür benutzt, Menschen | |
wegzusperren. Cecot ist ein Ort, an dem Menschen gefoltert und misshandelt | |
werden. | |
## Macht durch Spaltung | |
Der einzige Weg aus dem Gefängnis heraus, sagte der Justizminister El | |
Salvadors einmal, ist „in einem Sarg“. Als das Urteil eines US-Gerichts die | |
Deportationen stoppte, waren einige der Flugzeuge schon in der Luft. Auf X | |
postete Bukele, der sich selbst als der „coolste Diktator der Welt“ | |
bezeichnet: „[5][Uuupsi, zu spät!]“ Dahinter ein lachender Smiley. | |
US-Außenminister Marco Rubio fand den Kommentar so witzig, dass er ihn | |
repostete. | |
Keiner der Männer bekam ein Gerichtsverfahren oder konnte sich gegen die | |
Vorwürfe wehren – auch Garcia nicht. Seine Familie ging rechtlich gegen die | |
illegale Abschiebung vor. Bei einer Anhörung sagte ein Anwalt der | |
Trump-Administration, dass es ein „Verwaltungsfehler“ war, Garcia, der nie | |
kriminell war, abzuschieben. Das führte allerdings nicht dazu, dass Garcia | |
zurückkommen durfte. Stattdessen wurde der Anwalt gefeuert. | |
Der Trump-Administration dient die Erzählung der „kriminellen Migranten“ | |
als zentrales politisches Instrument im autoritären Umbau des Staates. Wie | |
in vielen Demokratien wird die Erzählung „wir“ gegen „die“ genutzt, um | |
Polarisierung zu erzeugen. Die sind eine Gefahr, die sind schuld daran, | |
dass es uns nicht gut geht. Spaltung ist für autoritäre Kräfte essenziell: | |
Ohne Spaltung, ohne den „inneren Feind“, können sie nicht an die Macht | |
gelangen. | |
Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, der die US-Regierung anwies, die | |
Rückkehr von Garcia in die Wege zu leiten, wurde von der Trump-Regierung | |
kurzerhand ins Gegenteil verkehrt. Der Gerichtshof habe der Regierung recht | |
gegeben, behaupteten Regierungsvertreter. Im Fall eines anderen Migranten | |
in Wisconsin wurde bereits eine Richterin festgenommen, weil sie dem Mann | |
geholfen habe, seiner Verhaftung zu entgehen. Die Regierung will | |
Richter:innen einschüchtern. | |
## Vier Punkte für das falsche Tattoo | |
Die [6][New York Times] hat recherchiert, anhand welcher Kriterien | |
Migranten abgeschoben werden: Die Regierung hat dafür ein Punktesystem. | |
Kommen bei einer Person acht Punkte zusammen, wird sie deportiert. Ohne | |
Gerichtsverfahren. Vier Punkte gibt es, wenn die Person auffällige Tattoos | |
hat. Weitere vier Punkte werden vergeben, wenn sie Kleidung trägt, die | |
„Zugehörigkeit zu einer Gang andeutet“. Eine Mütze des Basketballteams der | |
Chicago Bulls oder einfach nur „urban streetwear“ reichen schon. | |
Es herrscht also absolute Willkür. So weiß man heute aus verschiedenen | |
Recherchen, dass der Großteil der Männer, die mit Garcia abgeschoben | |
wurden, niemals straffällig geworden war. Wie Garcia. Auch ihm wurde | |
vermutlich seine Kleidung zum Verhängnis. Wie wichtig der Archetyp des | |
illegal migrant und criminal migrant beim Aufstieg autoritärer Kräfte ist, | |
lässt sich in den USA wie im Lehrbuch beobachten. | |
Als Donald Trump im Oval-Office-Treffen mit Bukele von einer Journalistin | |
nach Kilmar Abrego Garcia gefragt wurde, sagte er genervt: „Wie lange | |
müssen wir diese Frage noch beantworten? Warum sagen Sie nicht einfach, es | |
ist wundervoll, dass wir Kriminelle aus unserem Land heraushalten? Warum | |
können Sie nicht einfach das sagen?“ | |
Es ist immer der gleiche Trick autoritärer Kräfte: Was sie tun, tun sie für | |
die „guten“ Menschen – die, die sich an die Gesetze halten, fleißig und | |
rechtschaffen sind. Man gehe nur gegen die „schlechten“ Menschen vor. Mit | |
dieser Gut-gegen-Böse-Erzählung muss man sich nicht um die echten Probleme | |
der Menschen kümmern – hohe Preise, hohe Mieten, Umverteilung von unten | |
nach oben. Viele Menschen applaudieren trotzdem – sie gehören ja | |
glücklicherweise zu den „Guten“. | |
Wenn man an die hunderten Familien denkt, deren Väter, Söhne oder Brüder | |
ihnen entrissen wurden, nur weil sie ein falsches Tattoo oder die falsche | |
Kleidung trugen – und wenn man dann an das selbstgefällige Grinsen der | |
beiden Präsidenten im Oval Office denkt, dann versteht man die tiefe | |
Grausamkeit eines jeden autoritären Staates. Die USA zeigen, wie es geht. | |
30 Apr 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Kampf-gegen-Bandenkriminalitaet/!6046177 | |
[2] /-USA-unter-Trump-/!6083077 | |
[3] /Abschiebungen-in-den-USA/!6073153 | |
[4] /Rechtsstreit-um-US-Abschiebungen/!6077634 | |
[5] https://x.com/nayibbukele/status/1901238762614517965?lang=de | |
[6] https://www.nytimes.com/interactive/2025/03/22/us/trump-deportation-flights… | |
## AUTOREN | |
Gilda Sahebi | |
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