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# taz.de -- Abschiebung nach El Salvador: Und er ignoriert es einfach
> Der US-Präsident setzt sich über alle Regeln hinweg, selbst über die
> Entscheidungen des Obersten Gerichts. Und das sogar ganz offen.
Bild: U.S. Präsident Donald Trump mit Nayib Bukele, dem Präsidenten von El Sa…
Eigentlich sind es nur noch die Bundesdistriktgerichte, die sich Donald
Trumps rechtlosem Verhalten mit Nachdruck entgegenstellen. Als Richter
James Boasberg in Washington, D. C., die [1][Auslieferung venezolanischer
Migranten nach El Salvador vorübergehend unterband], platzte dem
US-Präsidenten der Kragen, er rief zum Impeachment des Richters auf. Den
Chief Justice des Supreme Court, John Roberts, bewog dies zu einem seltenen
öffentlichen Statement: Ein Impeachment sei unangebracht. Wer mit einer
Gerichtsentscheidung unzufrieden sei, solle den Instanzenweg beschreiten.
War dies nun eine Zurechtweisung des Präsidenten oder wollte Roberts
andeuten, dass am Ende des Instanzenweges ein guter Freund in Form eines
konservativen Supreme Court stehe? Die erste Entscheidung seines Gerichts
im Verfahren von Venezolanern, die sich gegen ihre Abschiebung aufgrund des
Alien Enemies Acts von 1798 zu wehren versuchten, gibt Anlass, eher
Letzteres zu vermuten.
Die Regierung hatte schlicht behauptet, die transnationale kriminelle
Organisation Tren de Aragua sei eine Invasionstruppe der venezolanischen
Regierung, sodass deren Mitglieder ohne langes Verfahren ausweisbar seien.
Die Ausgelesenen wurden nach Texas gebracht, um sie von dort nach El
Salvador zu fliegen. Eine reelle Chance, die Mitgliedschaft zu bestreiten,
hatten sie nicht.
Gegen die Entscheidung des Revisionsgerichts, die die Anordnung von Richter
Boasberg aufrechterhielt, [2][rief die Trump-Regierung im Eilverfahren den
Supreme Court an.] Bereits dass der Antrag dort angenommen wurde, ist
außergewöhnlich. Denn im vorläufigen Rechtsschutz kann die Entscheidung des
Tatsachenrichters nur ausnahmsweise angegriffen werden. Die
Antragsteller:innen müssen glaubhaft machen, dass ihnen ein nicht
wiedergutzumachender schwerer Nachteil droht. Das war für die Venezolaner
offensichtlich: Sie würden wohl auf unbestimmte Zeit in den Verliesen El
Salvadors verschwinden.
Aber welcher Nachteil drohte der Regierung? Nach eigener Aussage, dass eine
außenpolitische Vereinbarung mit El Salvador, sein berüchtigtes
Hochsicherheitsgefängnis Cecot (Centro de Confinamiento del Terrorismo) für
Ausgewiesene aus den USA zu öffnen, möglicherweise widerrufen werde. Das
ist zynisch und zudem unglaubwürdig. Denn El Salvador bekommt Geld für die
Unterbringung, und Präsident Nayib Bukele ist ein treuer Gefolgsmann
Trumps.
Für fünf der neun obersten Richter:innen war es aber genug, um im
verkürzten Verfahren ohne große Erörterung folgenreiche Entscheidungen zu
treffen: Eine Auslieferung nach El Salvador sei einer Freilassung so
ähnlich, dass das einzig über den sogenannten Habeas Corpus verlangt werden
könne. Dem Verfahren also, das nur vorgesehen ist, um sich gegen eine
ungerechtfertigte Festnahme zu wehren. Solche Klagen können nur dort
eingereicht werden, wo die Antragsteller:innen in Haft sind. Die aber
hatten nicht in Texas geklagt, sondern in der Hauptstadt – die Anträge
wurden abgewiesen.
## Nach Texas oder Louisiana verfrachtet
Die sich zunehmend wie die Gestapo gerierende Einwanderungspolizei ICE
macht es sich indes zur Gewohnheit, Inhaftierte unmittelbar an einen Ort zu
verfrachten, an dem sie mit Richter:innen rechnet, die ihnen gewogen
sind, beispielsweise nach Texas oder Louisiana. Zwar erkannten die obersten
Richter:innen den venezolanischen Migranten ein Mindestmaß an
rechtsstaatlichem Verfahren zu. Darüber, wie die Regierung die örtliche
Zuständigkeit manipuliert, verloren sie indes kein Wort, was für die eine
Ermutigung ist, so weiterzumachen wie bisher.
Die Frage, ob das Gesetz überhaupt anwendbar ist, wurde umgangen, die eine
Invasion feststellende Proklamation des Präsidenten wird gerichtlich nicht
hinterfragt. [3][Der braucht also nur das Wort Invasion in den Mund zu
nehmen, um Ausweisungen durchführen zu können.]
Zwar hat der Supreme Court inzwischen in einem Eilbeschluss die
Auslieferung weiterer vermeintlicher Mitglieder von Tren de Aragua nach El
Salvador vorübergehend gestoppt, aber nur solange, bis entschieden ist, ob
ihnen ein Mindestmaß an rechtsstaatlichem Verfahren gewährt wird.
## Gesetz könnte Trump erlauben das Militär einzusetzen
Die Anerkennung einer nicht hinterfragbaren Einschätzung des Präsidenten
dürfte dann auch für den Insurrection Act von 1807 gelten, der es dem
Präsidenten erlaubt, mit einer entsprechenden Proklamation einen Aufstand
festzustellen und dagegen das Militär einzusetzen. Nützlich, wenn es zu
Unruhen kommen sollte, weil der Präsident die Verfassung grob verletzt oder
nach Ablauf seiner Amtszeit nicht zurücktreten will.
In einem weiteren Fall, in dem es um einen in dasselbe Gefängnis
verbrachten Salvadorianer ging, dem ohne Beweise vorgehalten wurde, er sei
Mitglied der terroristischen Bande MS-13, kam der Supreme Court zu einer
für die Regierung nur geringfügig unvorteilhafteren Entscheidung: Ein
Einwanderungsrichter hatte [4][Ábrego Garcias] Schutz vor einer Ausweisung
nach El Salvador gewährt.
Auch hier hatte das Oberste Gericht den Eilantrag der Regierung angenommen,
sie aber verpflichtet, sich um Rückholung zu bemühen. Die Details solle die
Distriktrichterin bestimmen, die aber Rücksicht darauf zu nehmen habe, dass
ein Gericht der Regierung keine Vorschriften bei der Gestaltung ihrer
Außenpolitik machen dürfe. Was sie nunmehr zum Anlass nimmt, den Wunsch des
Obergerichts zu missachten.
Dabei hilft es, dass der Supreme Court einer Doktrin anhängt, die viele
Entscheidungen der Exekutive als gerichtlich nicht überprüfbar ansieht.
Warum aber sollte die Verletzung der in der Bill of Rights statuierten
Grundrechte nicht gerichtlich anfechtbar sein? Und warum wird ein
Inlandsfall durch rechtwidriges Handeln der Regierung zu Außenpolitik und
damit unüberprüfbar? Vielleicht sind solche Fragen überflüssig, denn gerade
dieser Fall zeigt, dass Trump notfalls auch bereit ist, sich über
Entscheidungen des höchsten Gerichts offen hinwegzusetzen.
24 Apr 2025
## LINKS
[1] /-USA-unter-Trump-/!6083077
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[3] /Rechtsstreit-um-US-Abschiebungen/!6077634
[4] /Peter-Hegseth-in-Signal-Gruppe/!6079533
## AUTOREN
Manfred H. Wiegandt
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