# taz.de -- Sachsens Innenminister zu AfD-Einstufung: „Einen neuen Radikalene… | |
> Trotz Einstufung als rechtsextrem sieht Sachsens Innenminister Schuster | |
> keine Grundlage für ein AfD-Verbot. Die neue Bundesregierung werde die | |
> Partei kleinkriegen. | |
Bild: Nicht erst seit der Hochstufung durch den Verfassungsschutz rechtsextrem:… | |
taz: Herr Schuster, das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD | |
[1][bundesweit als gesichert rechtsextrem eingestuft]. Ein überfälliger | |
Schritt? Bei Ihnen in Sachsen erfolgte die Einstufung schon im Dezember | |
2023. | |
Armin Schuster: Überfällig ist hier der falsche Begriff. Das klingt nach | |
einer politisch-taktischen Erwägung – so wie viele Kommentare in den | |
letzten Tagen klangen. Aber so ist es ja nicht. Die Entscheidung, ob eine | |
Partei als extremistisch eingestuft wird, hat eine rein fachliche zu sein. | |
Eine knochentrockene, verfassungsrechtliche Bewertung. So läuft es | |
jedenfalls bei uns in Sachsen. Und dann gibt es am Ende Gründe für eine | |
Einstufung – oder eben nicht. | |
taz: Können Sie die Gründe für die bundesweite Einstufung der AfD | |
nachvollziehen? | |
Schuster: Ich kenne das Gutachten des Bundesamts noch nicht. Deshalb kann | |
ich nur für Sachsen sprechen. Und hier ist die Lage klar: Die AfD in | |
Sachsen ist ein rechtsextremistischer Landesverband. | |
taz: Die AfD beklagt, dass sie das Gutachten auch nicht kennt und fordert, | |
[2][dieses zu veröffentlichen]. Sie auch? | |
Schuster: Es gibt Gründe, dieses Gutachten nicht zu veröffentlichen. Wir in | |
Sachsen haben das bei unserem Gutachten auch nicht getan – und vor Gericht | |
damit recht bekommen. Das Vorgehen liegt auch auf der Hand: Es gilt, die | |
Arbeit und Quellen unserer Nachrichtendienste zu schützen. Und der AfD | |
erwächst daraus kein Nachteil, denn im Fall eines Rechtsstreits darf die | |
Partei ja Einsicht in das Gutachten nehmen. | |
taz: Bundesinnenministerin Nancy Faeser bekam das AfD-Gutachten am Montag | |
vor einer Woche und veröffentlichte das Ergebnis wenige Tage später [3][als | |
letzte Amtshandlung]. Hätte Faeser das der neuen Regierung überlassen | |
sollen? | |
Schuster: Wir haben bei uns seinerzeit im Ministerium eine rein fachliche | |
Prüfung vorgenommen, ob das Gutachten zur Einstufung gerichtsfest ist – | |
wohlgemerkt nur in der Fachabteilung, nicht auf der Leitungsebene. Eine | |
solche fachaufsichtliche Prüfung dürfte im Bundesinnenministerium wohl kaum | |
in der kurzen Zeit möglich gewesen sein. | |
taz: Was folgt nun aus der Einstufung? Ein [4][AfD-Verbotsverfahren]? | |
Schuster: Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Die Latte für ein Verbot | |
liegt weit höher. Ich kann deshalb den Furor nicht nachvollziehen, mit dem | |
viele jetzt ein Verbotsverfahren fordern. Denn für ein erfolgreiches Verbot | |
in Karlsruhe braucht es drei Bedingungen. Erstens ein Vorgehen der Partei | |
gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Zweitens eine | |
Potententialität, also die Möglichkeit, dass die Partei ihre Ziele auch | |
wirklich umsetzen kann. Diese beiden Punkte sind bei der AfD erfüllt, keine | |
Frage. Aber dann kommt Punkt drei: ein kämpferisch-aggressives Vorgehen, in | |
Wort und Tat, um demokratische Organe zu beseitigen. Also planvolle | |
Umsturzfantasien, die kämpferisch-aggressiv umgesetzt werden sollen. Und | |
das lässt sich bei der AfD bisher eben nicht so einfach belegen. | |
taz: Aber gerade die sächsische AfD fiel zuletzt mit zwei Funktionären auf, | |
die als „[5][Sächsische Separatisten]“ unter Terrorverdacht festgenommen | |
wurden. Dazu mischte eine [6][AfD-Bundestagsabgeordnete bei Reichsbürgern] | |
mit, die ebenfalls unter Terrorverdacht stehen. | |
Schuster: Aber diese Fälle müssen Sie der Gesamtpartei zurechnen können. | |
Die Frage ist, verfolgt die AfD auf höchster Ebene den großen Umsturzplan? | |
Gibt es da einen Auftrag oder sehen wir Personen, die eigenständig agieren? | |
Jedenfalls hat die Partei gegen die zwei sächsischen Terrorverdächtigen | |
sofort und ohne zu Zögern Ausschlussverfahren eingeleitet. Auch ihren | |
radikalen Flügel hat die Partei aufgelöst, ebenso ihre Parteijugend. | |
taz: Aber die Flügel-Leute sind weiter führend in der Partei aktiv. Die | |
Parteijugend wird neu gegründet. | |
Schuster: Entscheidend vor Gericht ist wieder die trockene, juristische | |
Bewertung. Und da gilt: Die problematischen Gruppierungen sind aufgelöst, | |
die problematischen Mitglieder werden rausgeworfen. | |
taz: Weitere problematische Mitglieder aber befinden sich noch in der | |
Partei. Sie selbst nannten die AfD mal „Verbrecher“. Nun legt der | |
Verfassungsschutz noch 1.100 Seiten Material vor. Das alles reicht nicht? | |
Schuster: Wir haben ja gesehen, wie penibel bisher die Verfahren zu den | |
Einstufungen vor Gericht verhandelt wurden, auch in den Ländern. Da muss | |
sehr akkurates Material vorgelegt werden. Und erklären Sie mal vor dem | |
Verfassungsgericht, dass Sie eine Partei verbieten wollen, die bisher | |
überhaupt nur in drei Bundesländern als rechtsextrem eingestuft ist. | |
taz: Es war Ihr CDU-Kollege [7][Marco Wanderwitz], der ein | |
AfD-Verbotsverfahren mit anstieß. | |
Schuster: Schauen Sie mal, wie vorsichtig sich die Führungsleute im | |
Bundestag äußern, die in den entsprechenden Gremien sitzen und hinsichtlich | |
der Faktenlage gut im Bilde sind. Die sind fast alle skeptisch, was ein | |
AfD-Verbot angeht. | |
taz: Grüne und Linke fordern, der AfD nun [8][zumindest die staatliche | |
Parteienfinanzierung zu entziehen]. | |
Schuster: Hierfür braucht es fast die gleichen Bedingungen wie für ein | |
Verbot, nur dass die Potentialität wegfällt. Der Punkt des | |
Aggressiv-Kämpferischen bleibt die entscheidende Hürde, die deutlich höher | |
liegt als die aktuelle Einstufung als erwiesene extremistische Bestrebung. | |
taz: Hessen und Bayern kündigten an, Beamte mit AfD-Mitgliedschaft zu | |
überprüfen. Wird das in Sachsen auch passieren? | |
Schuster: Dienstherren kennen, aus guten Gründen, die Parteimitgliedschaft | |
ihrer Beschäftigten nicht. Das sollte auch so bleiben. Anders ist es, wenn | |
Beamte einen sicherheitsrelevanten Job anstreben. Dann gibt es schon heute | |
eine Überprüfung – und für Mitglieder einer extremistischen Partei ist das | |
ein Problem. Für das Gros der Beamten ist eine reine Mitgliedschaft nicht | |
ausreichend für die Annahme eines Dienstvergehens. Da muss weiteres | |
konkretes Handeln im Sinne der Partei dazukommen, etwa | |
verfassungsfeindliche Postings oder öffentliche Äußerungen. Hiervon müssen | |
wir amtlich Kenntnis erlangen. Eine anlasslose Gesinnungsprüfung oder einen | |
neuen Radikalenerlass wird es in Sachsen nicht geben. | |
taz: Ihr Parteikollege Jens Spahn plädierte jüngst für einen Umgang mit der | |
AfD [9][wie mit anderen Oppositionsparteien auch]. In Sachsen erhielten | |
AfD-Abgeordnete bereits Ausschussvorsitze. Geht das noch für eingestufte | |
Rechtsextreme? | |
Schuster: Das ist eine schwierige Frage, die rechtlich noch nicht final | |
geklärt ist. Ich finde: Das muss im Einzelfall geklärt werden. Da stellt | |
sich die Frage: Lässt sich der Abgeordnete außer seiner AfD-Mitgliedschaft | |
weiteres zu Schulden kommen? Oder gibt es konkrete Verfehlungen, die von | |
Wahlleuten berücksichtigt werden können und müssen? So ist es hier ja auch | |
beim Vorsitzenden des Justizausschusses in Sachsen passiert, der die zwei | |
„Separatisten“ als Mitarbeiter angestellt hatte und von seiner Funktion | |
abgewählt wurde. | |
taz: Zusammengefasst: Die bundesweite Einstufung der AfD verändert also | |
nichts? | |
Schuster: Mir kann man nicht mangelnde Konsequenz vorwerfen: Hier in | |
Sachsen ist die AfD längst als rechtsextrem eingestuft – anders als | |
anderswo. Und auch deshalb ändert sich gerade einiges. Ich glaube, dass die | |
AfD wirklich nervös ist, gerade was die Beamten in ihren Reihen angeht. Das | |
interne Durchkehren mit Parteiausschlüssen oder der Weisung von Chrupalla, | |
sich in der Sprache zu mäßigen, sind die Folgen von Wirkungstreffern. Die | |
Auflösung der Parteijugend ist ein gravierender Beleg dafür. | |
taz: Bisher ging der Weg der AfD immer nur weiter Richtung Radikalisierung. | |
Schuster: Ich bin da nicht so pessimistisch. Ich glaube, dass die | |
Einstufung nachhaltig Wirkung entfalten wird. | |
taz: In Sachsen wählten zuletzt bei der Bundestagswahl 37 Prozent die AfD, | |
also die Rechtsextremen. Wenn nicht mit einem Verbot: Wie fängt man das | |
wieder ein? | |
Schuster: Das kann ab diesem Dienstag mit dem Antritt der neuen | |
Bundesregierung beginnen. Die meisten AfD-Wähler sind weit entfernt von | |
extremistischem Gedankengut. Da gibt es einen großen Anteil, der wieder | |
zurücksegeln will, für den aber der Heimathafen erst wieder attraktiv | |
werden muss. Friedrich Merz kann und wird das ändern. Nun ist die | |
Gretchenfrage, ob auch die Sozialdemokraten zu einem Politikwechsel bereit | |
sind. Wenn der kommt, bin ich fest überzeugt, dass wir nächstes Jahr eine | |
Trendwende in den Wahlergebnissen erleben werden und die AfD wieder | |
deutlich absackt. | |
6 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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