# taz.de -- Konstantin von Notz über das AfD-Verbot: „Es kann schnell zu sp�… | |
> Der grüne Innenpolitiker von Notz drängt auf eine rasche Prüfung des | |
> AfD-Verbots und kritisiert den Innenminister: Dobrindt gehe zu lässig mit | |
> AfD-Beamten um. | |
Bild: Wie lange noch? Der extrem rechte Abgeordnete Maximilian Krah, AfD, bei d… | |
taz: Herr von Notz, Sie waren beim AfD-Verbot bislang eher skeptisch, hat | |
sich daran mit der [1][zeitweisen Hochstufung der Partei als gesichert | |
rechtsextrem] etwas geändert? | |
Konstantin von Notz: Ich bin nicht skeptisch beim AfD-Verbot, sondern | |
versuche meinen Teil dazu beizutragen, dass es rechtssicher aufgesetzt | |
wird. Die Hochstufung, die ja gerade juristisch überprüft wird, ist ein | |
zusätzliches Argument dafür, dass das Verbot nun umso ernsthafter geprüft | |
werden muss. Die damit zusammenhängenden Fragen müssen jetzt zeitnah | |
geklärt werden – alle Behörden des Bundes und der Länder müssen nun ihre | |
Informationen zusammentragen, um schnell darüber zu entscheiden. | |
taz: Haben die Behörden mit dem Verfassungsschutzgutachten [2][das nicht | |
gerade getan] und müsste die [3][Konsequenz nicht der Verbotsantrag] sein? | |
Von Notz: Haben Sie das Gutachten schon gelesen? | |
taz: Nein, nur die [4][kursierenden Auszüge]. | |
Von Notz: Ich auch nicht. Deswegen kann ich Ihnen bislang nicht sagen, was | |
drinsteht. Ich bin im Bundestag im parlamentarischen Kontrollgremium für | |
die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständig. Wir übernehmen nicht | |
unbesehen deren Berichte. Wir haben den Anspruch, uns die behördlichen | |
Einschätzungen mit Verstand anzugucken und zu sehen, ob sie tragen, solide | |
und vollständig sind. Ohne das Gutachten zu kennen, kann ich nicht seriös | |
beurteilen, ob die erfolgte Hochstufung auch Grundlage für ein | |
Verbotsverfahren sein kann. Die Kriterien für die Hochstufung allein | |
reichen nicht aus, für ein Verbot braucht es zusätzliche Aspekte, die zügig | |
zusammengetragen und geprüft werden müssen. | |
Was gibt es denn sonst noch zu bedenken? | |
Während die Einstufung als gesichert rechtsextremistisch „nur“ Gewissheit | |
über die Verfassungsfeindlichkeit voraussetzt, verlangt Art. 21 Abs. 2 des | |
Grundgesetzes für ein Parteiverbot, dass eine Partei nach ihren Zielen oder | |
nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf aus ist, die freiheitliche | |
demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den | |
Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Juristisch ist das | |
eine nochmals höhere Hürde – unsere Gerichte stellen da zu Recht darauf ab, | |
dass ein Parteiverbot natürlich ein nochmals deutlich stärkerer Eingriff in | |
die Chancengleichheit der Parteien ist und deshalb auch nochmals höhere | |
Voraussetzungen haben muss als die Einstufung. | |
taz: Weite Teile der Öffentlichkeit fordern die Veröffentlichung des | |
Gutachtens. Wie sehen Sie das? | |
Von Notz: Ich plädiere dafür, dass es eine Version zur Veröffentlichung vom | |
Bundesinnenministerium gibt. Aber auch im Prozess mit der AfD wird das | |
Gutachten der Partei voraussichtlich zur Kenntnis gegeben und unter | |
größtmöglicher rechtsstaatlicher Transparenz darüber verhandelt. | |
Gleichzeitig erwarte ich vom Innenministerium, dass es ein unter seiner | |
Fachaufsicht entstandenes Gutachten über eine Partei, die im Deutschen | |
Bundestag vertreten ist und in fast allen Parlamenten sitzt, auch begründet | |
und wesentliche Argumente und Aspekte des Gutachtens veröffentlicht. | |
taz: Ist die von der AfD im Eilverfahren eingeklagte [5][Stillhaltezusage | |
des Verfassungsschutzes] tatsächlich so ein großer Triumph, wie die AfD | |
gerade behauptet? | |
Von Notz: Nein, überhaupt nicht. In einem Rechtsstaat hat die AfD | |
selbstverständlich die Möglichkeit, sich juristisch, auch in einem | |
Eilverfahren, [6][zu wehren]. In einem solchen Eilverfahren ist es völlig | |
normal, dass Behörden Stillhaltezusagen abgeben, bis sich das Gericht in | |
der Sache mit der streitigen Frage beschäftigen konnte. Das ist eine | |
prozessuale Selbstverständlichkeit und bedeutet in keiner Weise, dass der | |
Verfassungsschutz seine Auffassung ändert. Übrigens hat die AfD | |
vergleichbare Eilverfahren in der Vergangenheit ausnahmslos verloren. | |
taz: Wissenschaftler*innen und Journalist*innen reden bei der AfD | |
angesichts ihrer anhaltenden Radikalisierung schon lange [7][von einer | |
mittlerweile extrem rechten Partei]. Die Belege dafür sind zahlreich | |
bekannt. Warum braucht man dafür überhaupt die Expertise eines | |
Verfassungsschutzes, der als Frühwarnsystem eher hinterherhinkt? | |
Von Notz: Das BfV-Gutachten kann nur ein Aspekt sein. Wir müssen nun auch | |
aus parlamentarischer Perspektive gucken, ob es andere Aspekte gibt, die | |
vom Nachrichtendienst nicht berücksichtigt worden sind. Ebenso ist der sehr | |
unterschiedliche Umgang der Landesämter für Verfassungsschutz mit der AfD | |
erklärungsbedürftig: Warum stuft er eigentlich die Gesamtpartei als | |
rechtsextrem ein, aber einzelne Landesverbände noch nicht? Das ist | |
mindestens komisch. Völlig unabhängig davon sind ein erfolgreiches | |
Parteiverbot und die erfolgreiche Hochstufung, wie gesagt, zwei | |
unterschiedliche Paar Schuhe. | |
taz: Bei aller Zurückhaltung beim Parteiverbot: Ist es nicht besser, wenn | |
ein Verbotsverfahren scheitert, als wenn die Demokratie scheitert? | |
Von Notz: Das kann man nicht so gegeneinander stellen: Wenn das Verfahren | |
scheitert, kann es mindestens ebenso gut sein, dass die Demokratie | |
scheitert. Aber natürlich gibt es beim Parteienverbot einen großen | |
Zeitdruck. Man kann nicht ewig damit warten, die Frage nach dem Verbot muss | |
jetzt geklärt werden. Aber auch, wenn es eine hochpolitische Frage ist: Die | |
Entscheidung wird von der unabhängigen Justiz gefällt, dem zweiten Senat | |
des Bundesverfassungsgerichts, und zwar nach juristischen Kriterien. Wenn | |
man sich nicht ausreichend mit der juristischen Fragestellung | |
auseinandersetzt, tut man der AfD einen Gefallen und läuft blindlings in | |
ein Verfahren, das man nicht versteht. Damit geht man ein großes Risiko | |
ein. Wenn das Verfahren scheitert, wird die AfD daraus ableiten, dass sie | |
nicht verfassungswidrig oder gar „verfassungsrechtlich geprüft“ sei. Das | |
hätte auch Implikationen – und zwar keine guten. | |
taz: Sie sagen, die Zeit drängt. Bis wann sollte diese Entscheidung stehen? | |
Von Notz: Die Sicherheitsbehörden, das Bundesinnenministerium und die | |
Landesbehörden sind in der Verantwortung, in den nächsten Wochen zügig ihre | |
Informationen zusammenzutragen und dann zu bewerten, damit die drei | |
antragsberechtigten Verfassungsorgane – Bundestag, Bundesrat oder | |
Bundesregierung – eine substantiierte Entscheidung treffen können. Das muss | |
auch unabhängig von der juristischen Auseinandersetzung mit der Hochstufung | |
geschehen. Wir können nicht sagen: Wir warten erstmal jahrelang die Urteile | |
ab und gucken dann. Man sieht ja in anderen Ländern: Es kann schnell zu | |
spät sein. Wir müssen nun zügig und sorgfältig handeln. | |
taz: Also hat ihr Fraktionskollege Till Steffen, der einen neuen | |
Verbotsantrag angekündigt hat, ihre Unterstützung? | |
Von Notz: Meine Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann hat öffentlich doch | |
längst gesagt, dass wir an einem Antrag arbeiten. Wir haben ein großes | |
Interesse daran, das mit den anderen demokratischen Fraktionen zusammen zu | |
machen – und auch gemeinsam mit den Ländern und der Bundesregierung. | |
taz: Halten Sie die [8][Streichung der Parteienförderung] für sinnvoll, | |
auch wenn die juristischen Hürden fast genauso hoch sind? | |
Von Notz: Ich persönlich finde es schwer erträglich, dass mit öffentlichen | |
Mitteln eine gesichert extremistische Partei finanziert wird. Eine Partei, | |
die eigentlich im Sinne unserer liberalen Demokratie arbeiten sollte, aber | |
laut Verfassungsschutzes in die gegenteilige Richtung unterwegs ist. Daher | |
ist es richtig, alle Sanktionsmöglichkeiten zu prüfen. Richtig ist aber | |
auch: De facto sind die juristischen Hürden dieselben. | |
taz: Merz und weite Teile der CDU, aber auch Klingbeil und große Teile der | |
SPD säen mit Blick auf das AfD-Verbot eher Zweifel und verweisen auf die | |
politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen. | |
Von Notz: Die beiden Optionen sind keine Alternativen: Wir brauchen einen | |
Multiansatz in der Auseinandersetzung mit der AfD. Man muss sich auch | |
inhaltlich weiter hart auseinandersetzen und klar benennen, wohin diese | |
Partei will: Sie will eine autoritäre Gesellschaft, ist anti-liberal, | |
anti-vielfältig und antidemokratisch. Ihre Alliierten sind Putin und andere | |
Autokraten. Daneben braucht es die zügige Prüfung des Parteiverbots. Ebenso | |
braucht es Schutz für jene Strukturen, die unsere Demokratie schützen und | |
für sie arbeiten. Menschen, die sich im Ehrenamt für unsere Demokratie | |
engagieren, müssen gestärkt und besser gegen Anfeindungen und Bedrohungen | |
geschützt werden. Wir treten deswegen weiter vehement für ein | |
Demokratiefördergesetz ein. | |
taz: Welche Konsequenzen hat die Neubewertung der AfD für den Bundestag? | |
Von Notz: Hier im Haus gibt es schon lange eine hohe Skepsis gegenüber der | |
AfD. Die wurde durch die Hochstufung natürlich bestätigt. Bei der AfD | |
handelt es sich, auch nach meiner Wertung, um eine rechtsextreme Partei. | |
Was das für sicherheitsrelevante Ausschüsse und Zugang zu Dokumenten | |
bedeutet, wird im Ältestenrat besprochen. Im Parlamentarischen | |
Kontrollgremium gibt es aus gutem Grund eine zusätzliche Hürde durch die | |
Wahl aus der Mitte des Deutschen Bundestags. Man muss eine Mehrheit auf | |
sich vereinen – das ist nicht so ohne, wie wir nicht erst seit Friedrich | |
Merz erstem Kanzlerwahlgang wissen. Das hat seine Berechtigung: Es geht in | |
einigen Ausschüssen um sehr sensible Informationen. | |
taz: Aber wer sagt das jetzt dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn, der | |
noch vor der Hochstufung noch für eine Normalisierung der AfD im Bundestag | |
warb? | |
Von Notz: Ich gehe davon aus, dass die Mehrheit des Hauses durch die | |
Hochstufung für das Thema sensibilisiert ist. Ich persönlich sehe das sehr | |
kritisch – gerade in Zeiten, in der von außen Angriffe auf unsere | |
Demokratie stattfinden, sehe ich ein stark erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. | |
Aber ich will da nicht vorweggreifen – es sind demokratische | |
Entscheidungen. | |
taz: Sprechen wir über die Folgen der Hochstufung für AfD-Mitglieder: Viele | |
in der Partei atmeten zuletzt erleichtert auf, als Bundesinnenminister | |
Alexander Dobrindt (CSU) sagte, es werden [9][keine pauschalen Konsequenzen | |
für Beamte mit AfD-Parteibuch] geben. Wie sehen Sie das? | |
Von Notz: Ich finde das, was man aus dem Beamtenbund und auch vom frisch | |
gebackenen Innenminister Dobrindt mit einer völligen Nonchalance hört, ein | |
bisschen zu lässig – es geht um Staatsbedienstete, die Mitglied einer offen | |
rechtsextremistischen Partei sind. Natürlich braucht es für | |
disziplinarrechtliche Maßnahmen noch zusätzliche Punkte. Aber es stellen | |
sich doch eine Vielzahl von Fragen und ich verlange, dass die | |
verantwortlichen Stellen der Kommunen, des Landes und des Bundes diese | |
Fragen unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten sehr ernsthaft prüfen – | |
und nicht nur mit den Schultern zucken. | |
11 May 2025 | |
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