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# taz.de -- Großer Zapfenstreich für Olaf Scholz: Sozialdemokratischer Wahlka…
> Die Bundeswehr verabschiedet den sozialdemokratischen Kanzler
> höchstzeremoniell mit Musik. Scholz wünscht sich zum Abschied Beatles,
> Bach und Soul.
Bild: Das war’s: Olaf Scholz tritt ab
Berlin taz | Es ist 21:34 Uhr, als die 300 Soldatinnen und Soldaten des
Stabsmusikkorps der Bundeswehr und des Wachbataillons auf den Paradeplatz
des Verteidigungsministeriums einmarschieren. Im Gleichschritt, mit
Marschmusik und begleitet von Fackelträgern. Ein bisschen gestrig [1][wirkt
das Ganze schon].
Aber das passt ja auch zum Anlass, verabschiedet wird am Montagabend der
Mann, der noch für einige, wenige Stunden Bundeskanzler ist: Olaf Scholz.
„Herr Bundeskanzler, großer Zapfenstreich zu Ihren Ehren angetreten“,
meldet der Kommandant.
Als Angela Merkel, Scholz’ Amtsvorgängerin, am 2. Dezember 2021 als
Bundeskanzlerin [2][mit Pomp und Musik verabschiedet wurde], war die
Temperatur bei Null. Bei Scholz herrschen immerhin Plusgrade.
Merkel hatte 16 Jahre regiert, aber auch ihre Musikauswahl war auf drei
Stücke beschränkt. Die Truppe bringt ein wenig Egalität in den Machtzirkus
– egal, wie lange du durchhältst, am Ende bleiben dir drei Titel.
## Brandenburg, oh Brandenburg
Drei Musikstücke hat sich auch Scholz, der neunte Bundeskanzler der
Bundesrepublik Deutschland, zum Abschied ausgesucht. Musik, die auch etwas
über ihn aussagt. Zunächst intonieren die Musiker „In my life“, ein
Liebeslied von den Beatles, als Blasmusikarrangement. Wohl eine
Liebeserklärung an seine Frau Britta Ernst, die er einmal als die Liebe
seines Lebens bezeichnet hat und der er sein Buch „Hoffnungsland“ widmete.
Sie begleitet ihn auch an diesem Abend.
Ob das Lied wirklich auf sie anspielt, ist schwer zu sagen. Der
Bundeskanzler, der beim Zuhören zwischen Verteidigungsminister Boris
Pistorius und dem obersten Bundeswehrsoldaten Carsten Breuer steht,
verzieht keine Miene.
Es folgt ein Ausschnitt aus den Brandenburgischen Konzerten von Bach.
Potsdam ist Scholz’ Wahlheimat, der umliegende Landkreis
Mittelmark-Teltow-Fläming sein Wahlkreis. Er hat ihn direkt gewonnen,
obwohl die SPD gerade im Osten bei der Bundestagswahl abgestraft wurde. Die
Ironie der Geschichte: Es ist das einzige sozialdemokratische Direktmandat
in einem ostdeutschen Flächenland. Auch deshalb wird Scholz dem Bundestag
in den nächsten vier Jahren wohl als direkt gewählter Hinterbänkler
angehören, pflichtbewusst über das Ende seiner politischen Karriere hinaus.
Zum Abschluss der Scholz’schen Playlist spielt das Musikkorps „Respect“ in
der Fassung von Aretha Franklin. Die schmissige Soulhymne, der Scholz
tatsächlich lächelnd Beifall spendet, erinnert an den sozialdemokratischen
Wahlkampfschlager von 2021. Mit dem Slogan „Respekt“ und Forderungen nach
einem Mindestlohn von 12 Euro gewann die SPD mit Scholz als Spitzenkandidat
die Bundestagswahl.
## Kanzler der Zeitenwende
Das ist nicht einmal vier Jahre her und wirkt doch wie aus einem anderen
Zeitalter. Man debattierte über die Bonpflicht und die Impfpflicht. Scholz
schmiedete ein Dreierbündnis zusammen mit Grünen und FDP. Es sollte eine
Regierung des Aufbruchs und des Fortschritts werden. Man wolle so regieren,
dass man nach vier Jahren wieder gewählt werden würde, legte Scholz die
Latte zu Amtsbeginn hoch. Es wurde die kürzeste Amtszeit eines
sozialdemokratischen Bundeskanzlers, sie dauerte nicht einmal eine volle
Legislatur.
Gescheitert ist Scholz nicht in erster Linie an sich selbst. Aber auch.
Wenige Tage nachdem der russische Präsident Wladimir Putin am 24. Februar
2022 die Ukraine überfallen ließ, [3][hielt Scholz noch die stärkste Rede
seiner Amtszeit und rief eine Zeitenwende aus]. Verteidigungsminister Boris
Pistorius, den Scholz ins Kabinett nachholte und der ihn als
Regierungsmitglied nun überleben wird, erinnert daran, dass Scholz
Wortschöpfer und Kanzler der „Zeitenwende“ sei. Der Deutschland besonnen
durch diese stürmische Zeit geführt habe.
Wohl wahr. Doch der russische Dauerkrieg in der Ukraine, die nach oben
schnellenden Preise, die dauerzankende Ampelkoalition, all das machte viele
Menschen kirre. Scholz hätte sie wohl besser mitnehmen müssen durch die
Dauerkrisen. Und er hätte die Koalition, als das Geld ausging, noch mal neu
aufsetzen oder früher beenden müssen. Letzteres räumte er selbst zu
Jahresbeginn ein, ersteres sprach SPD-Chef Lars Klingbeil jüngst im
Zeitpodcast „Alles gesagt“ an.
Aber immerhin ist Scholz nicht allein. Das von Klingbeil ausgerufene
„sozialdemokratische Jahrzehnt“ scheiterte weltweit. Fast überall erlitten
linke Parteien zuletzt Niederlagen durch erstarkenden Rechtspopulismus, die
Verwerfungen infolge des russischen Krieges in der Ukraine und die eigene
sozialdemokratische Unbestimmtheit.
## Merz wünscht er Glück
Scholz lässt sich sein Scheitern am Abend seines Abschieds nicht anmerken.
In seiner Abschiedsrede schlägt er versöhnliche Töne an und wirkt mit sich
im Reinen. Dem Land als Bundeskanzler zu dienen, „das war und das bleibt
die Ehre meines Lebens.“ Als ob er, der gerade in einer seiner letzten
Amtshandlungen den evangelischen Kirchentag besucht hatte, dort auch einen
Workshop in Demut und Achtsamkeit besucht hat.
Scholz bedankt sich gleich mehrfach – bei seinen Weggefährtinnen, Kollegen
und Freunden, den Soldat:innen und den Bürger:innen des Landes. Er
ruft zum Zusammenhalt auf. Und wünscht seinem Nachfolger Friedrich Merz
„Fortüne und eine glückliche Hand“. Er hat schon angekündigt, dass er ihn
am nächsten Tag mit zum Bundeskanzler wählen wird.
Ja, auch der künftige Kanzler Merz von der CDU und seine Frau Charlotte
sind unter den Ehrengästen auf der Tribüne und klatschen Scholz Beifall. Es
ist wohl eine Stärke der deutschen Demokratie, dass Regierungswechsel hier
noch so langweilig, gesittet und zeremoniell ablaufen.
Um 22:04 erklingt die Nationalhymne, dann salutiert der Kommandant ein
letztes Mal vor Scholz: „Herr Bundeskanzler, ich melde den Großen
Zapfenstreich ab.“ Scholz verbeugt sich vor der Tribüne, einmal, zweimal.
Dann steigen er und seine Frau in die wartende Limousine, und weg sind sie.
Am nächsten Tag wird der zehnte Bundeskanzler gewählt. Friedrich Merz.
6 May 2025
## LINKS
[1] /Zapfenstreich-in-Berlin/!5804160
[2] /Bundeswehr-Dirigent-ueber-Zapfenstreich/!5815893
[3] /Bundestags-Sondersitzung-zur-Ukraine/!5835039
## AUTOREN
Anna Lehmann
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