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# taz.de -- „Promi-Wahlkreis“ Potsdam: Allein unter Promis
> Im Bundestagswahlkreis 61 kandidiert Tabea Gutschmidt (CDU) gegen Olaf
> Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne). Chancenlos ist sie trotzdem
> nicht.
Bild: Ein Wahlplakat ist ein Wahlplakat ist ein Wahlplakat: hier eins von Tabea…
Potsdam taz | Bundeskanzler Olaf Scholz, der auf breiter SPD-Plakatwand vor
schwarz-rot-goldenem Hintergrund und unter dem Slogan „Mit Sicherheit“
gleich mehrere Versprechen abgibt. 100 Meter weiter Außenministerin
Annalena Baerbock von den Grünen, versehen mit nur einem Wort: „Zusammen“.
Dazu die frühere FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg. Allein der Weg
durch Potsdam zum CDU-Wahlkampfstand von [1][Tabea Gutschmidt] zeigt, warum
der Bundestagswahlkreis 61 als „Promi-Wahlkreis“ bekannt ist.
Tabea wer? In Gutschmidts Biografie steht: Stadtverordnete und Referentin
im Bundestag. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass gerade diese Frau,
die an diesem Wintermorgen in Potsdam-West um Stimmen wirbt, am 23. Februar
vor den großen Namen liegt.
Die CDU hat ihren Stand vor einem Kaufland im Westen der Stadt aufgebaut.
Gut ein halbes Dutzend Parteimitglieder, von der Jungen Union bis zum
Rentner, stehen in der Kälte und warten auf Einkäufer. „Ist ja noch nicht
so viel los hier“, sagt Gutschmidt. Eine altrosa Mütze verbirgt die blonden
Haare der 45-Jährigen, die sonst mit hohem Wiedererkennungswert von ihren
Wahlplakaten leuchten. Geht nicht anders, es ist knapp über null Grad.
Zu ihrem Wahlkreis gehört indes nicht nur Potsdam mit seinen rund 190.000
Einwohnern, sondern auch das weite Umland mit einigen Kleinstädten und
zahlreichen Kleinstgemeinden. Und die Historie des Wahlkreises ist nicht
unbedingt dazu geeignet, Gutschmidt Mut zu machen: Nur ein einziges Mal hat
ihn die CDU in neun Wahlen seit der Wende gewonnen. Wahlkreisprognosen,
denen zugegebenermaßen nur bedingt zu trauen ist, sehen auch diesmal die
SPD vorn.
## Der unbeliebte SPD-Kandidat
Auch sonst sieht es auf den ersten Blick nicht allzu grandios aus für die
CDU. In einer brandenburgweiten Umfrage zur Bundestagswahl dominierte
zuletzt die AfD mit 28 Prozent, die CDU kam hier auf 19 Prozent.
Das ist immerhin weitaus mehr als bei der Landtagswahl im September,
[2][als die Christdemokraten in der Mark auf 12,1 Prozent abstürzten]. Die
Wahl war bestimmt von dem verbreiteten Wunsch, die AfD nicht stärkste
Partei werden zu lassen – was auch CDU-Anhänger für die SPD stimmen ließ.
Genauer gesagt: für deren beliebten Ministerpräsidenten Dietmar Woidke.
Der aber steht am 23. Februar im Wahlkreis 61 nicht zur Wahl, sondern Olaf
Scholz. Und der SPD-Kandidat ist auch nicht beliebt, sondern laut Umfragen
der unbeliebteste Bundeskanzler seit langem. Aus diesem Grund wollten ihn
viele Brandenburger Parteifreunde auf keinen Fall in ihrem
Landtagswahlkampf sehen.
Als sicher gilt, dass Scholz im Wahlkreis nicht wieder derart weit vorn
liegen wird wie 2021, [3][als er mit 34 Prozent fast doppelt so viel holte
wie Annalena Baerbock, die hier damals auf Rang 2 landete]. Die
Grünen-Kandidatin ist als Außenministerin zwar medial sehr präsent. Ihre
Partei kommt in Umfragen trotzdem nur noch auf 12 bis 15 Prozent, in
Brandenburg liegt sie sogar lediglich bei 7 Prozent.
## Gutschmidt steht hinter Merz
Gutschmidts CDU hingegen steht deutlich besser da als bei der vorherigen
Bundestagswahl. Bisher jedenfalls. Der Samstagmorgen vor Kaufland ist der
Tag nach der Bundestagsdebatte und der Abstimmungsniederlage beim
„Zustrombegrenzungsgesetz“, bei dem die Unionsfraktion im Bundestag die
Unterstützung der AfD in Kauf genommen hatte. Noch am Vorabend hat es
dagegen Demonstrationen gegeben. Gutschmidt steht hinter dem Kurs ihres
Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.
Die Stimmung ist ruhig. Die Reaktion „Faschisten, nehm ich nicht“ eines
Kaufland-Einkäufers auf das angebotene CDU-Material bleibt die Ausnahme. Es
gibt wie so oft an Wahlkampfständen das stumme Ablehnen per vorgehaltener
Handfläche, aber auch Menschen, die von sich aus den Kontakt suchen und
eine Werbekarte von Gutschmidt mitnehmen.
Jüngst hat es im Osten des Wahlkreises [4][im 20.000-Einwohner-Ort
Kleimachnow bei einer Bürgermeisterwahl] ein überraschendes Ergebnis
gegeben, das durchaus Rückschlüsse auf den Bundestagswahlausgang zulässt.
Dort stellte die Union letztmals 1946 den Bürgermeister, nun hat ihr
Kandidat im ersten Wahlgang klar gewonnen und nur knapp die absolute
Mehrheit verpasst. 13 Prozentpunkte lag der CDU-Kandidat vor seinem
SPD-Konkurrenten, noch weiter vor der Grünen-Bewerberin Alexandra Pichl,
immerhin die Landesvorsitzende ihrer Partei. Vor diesem Hintergrund und der
bundesweiten Umfrageführung kann sich also auch Gutschmidt gewisse Chancen
ausrechnen.
Die setzt am Stand vor Kaufland darauf, dass sich die Leute in Potsdam und
Umgebung lieber jemanden vor Ort wünschen und nicht jemanden wie Scholz
oder Baerbock, die im Bundeskabinett sitzen. „Wahlkreis statt Weltpolitik“
steht auf ihrer Wahlwerbung. Bei ihrer Nominierung im Dezember hieß es von
ihr: „Scholz und Baerbock sind in ARD und ZDF, ich bin an Ihrer Haustür.“
## Am Wahlkampfstand vor Kaufland
Es ist Gutschmidts erste Bundestagskandidatur. 2021 trat in Potsdam noch
die frühere CDU-Landesvorsitzende Saskia Ludwig vom rechten Parteiflügel
an, die kandidiert nun im Nachbarwahlkreis. Im Januar [5][hatte Ludwig
bundesweit für Schlagzeilen gesorgt], als sie in einem Fernsehinterview
sagte: „Wenn über 50 Prozent Mitte-rechts wählen, dann muss es auch eine
Mitte-rechts-Regierung geben für die Bürger.“ Das wurde allgemein als
Werben für eine CDU-AfD-Koalition aufgefasst. Ludwig selbst bezeichnete das
als „bemerkenswert freie Interpretation“. Gutschmidt sagt dazu: „Das war
nicht hilfreich.“
Anders als die prominente Konkurrenz stammt Gutschmidt aus der Gegend, zu
ihrem Geburtsort Kloster Lehnin sind es von Potsdam aus knapp 25 Kilometer.
Baerbock ist in Hannover geboren, kam allerdings schon 2008 in den
Landesvorstand der brandenburgischen Grünen. Scholz, geborener Osnabrücker
und langjähriger Erster Bürgermeister von Hamburg, verlegte seinen
Hauptwohnsitz erst 2018 nach Potsdam.
Ende Januar, als noch nicht feststeht, dass ihre Parteifreundin Pichl bei
der Bürgermeisterwahl untergehen wird, schaut Baerbock in Kleinmachnow
vorbei, der brandenburgischen Grünen-Hochburg. Gut 200 Menschen warten am
dortigen Kulturzentrum, als sie samt Begleitschutz des Bundeskriminalamts
in schwerem Wagen vorfährt. „Es geht erst los, wenn alle drin sind“,
beruhigt sie die Wartenden. Bei ihr als Außenministerin gibt es hohe
Sicherheitsvorkehrungen, Abtasten und Taschenkontrolle.
Die Morde von Aschaffenburg liegen noch nicht lange zurück, Baerbock zeigt
sich erschüttert, mahnt aber zu Besonnenheit. Weil es ein gemeinsamer
Auftritt mit der Bürgermeisterkandidatin ist, pendeln die Fragen aus dem
Publikum zwischen örtlichem Kinderspielplatz und Weltpolitik. Über fehlende
Präsenz vor Ort wegen der vielen Termine als Ministerin beklagt sich
niemand.
## Monopoly-Spiel vor der Landtagswahl
Ihr Noch-Chef im Bundeskabinett legt währenddessen viel Wert darauf,
klarzumachen, dass Potsdam für ihn nicht bloß eine Postadresse ist. „Hier
lebe ich mit meiner Frau, hier gehe ich joggen und kaufe ein“, ist auf der
Internetseite von Olaf Scholz zu lesen. Seine Frau, das ist Britta Ernst,
die bis 2023 in Brandenburg Bildungsministerin gewesen ist.
Am vergangenen Samstag sitzt Scholz in einer großen restaurierten
Industriehalle am Havelufer auf einem Barhocker. Der DGB hat zu einer
„Wahlarena“ eingeladen. Baerbock ist auch dabei, nicht so Gutschmidt: Es
ist eine Runde der Brandenburger Spitzenkandidaten – und Gutschmidt steht
auf der CDU-Landesliste erst auf Platz 7, jenseits des allgemeinen
CDU-Hochs eine eher chancenlose Position.
2021 reichte gerade noch Platz 4 für ein Parlamentsmandat. Der
Wahlkreissieg ist also Gutschmidts einzige Chance auf den Bundestag. Scholz
und Baerbock hingegen können dank vorderstem Listenplatz davon ausgehen,
auch bei einer Niederlage im Parlament zu bleiben.
In der Halle am Havelufer, wo die Kandidaten eine Art Wahl-Monopoly zu
spielen haben, lässt Baerbock mehrfach ihre Kenntnis der Region
durchblicken, spricht von Aktivitäten in Treuenbrietzen und lobt die
Feuerwehr in Ludwigsfelde. Scholz’ Antworten hingegen könnten so fast
durchweg auch in Friesland oder Bayern fallen.
Dasselbe Monopoly-Spiel hat der DGB vor der Landtagswahl im September
[6][schon Scholz’ Parteifreund Dietmar Woidke und dessen damalige
Konkurrenz spielen lassen]. Der war dabei eher glücklos und sagte nachher
Richtung erfolgreicherer Konkurrenz: „Glück im Spiel, Pech bei der Wahl.“
Scholz hingegen würfelt an diesem Samstag – 15 Tage vor der Bundestagswahl
– durchaus hohe Punktzahlen.
10 Feb 2025
## LINKS
[1] https://www.cdu-potsdam.de/bundestagswahl
[2] /Landtagswahl-in-Brandenburg/!6037857
[3] /Wahlkreis-von-Scholz-und-Baerbock/!5802207
[4] /Buergermeisterwahl-in-Kleinmachnow/!6064822
[5] /Debatte-um-Migrationsrecht/!6062144
[6] /Landtagswahlkampf-in-Brandenburg/!6036143
## AUTOREN
Stefan Alberti
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