# taz.de -- Soziologe über rechten Libertarismus: „Sie wollen so viel wie m�… | |
> Der Libertarismus ist der ideologische Rahmen für rechte | |
> Politiker*innen weltweit. Andreas Kemper über die rechte Aneignung | |
> des einst linken Begriffs. | |
Bild: Will eine anarcho-kapitalistische Gesellschaft: Javier Milei, hier bei ei… | |
taz: Herr Kemper, was haben Elon Musk, Yavier Milei und Alice Weidel | |
gemeinsam? | |
Andreas Kemper: Sie verbindet eine Ideologie: der Libertarismus. Sie wollen | |
so viel wie möglich vom Staat abschaffen. Der Sozialstaat soll abgeschafft, | |
Bildungs- und Familienministerien sollen weggeschnitten werden. Javier | |
Milei geht in Argentinien noch weiter. Er will eine | |
[1][anarcho-kapitalistische Gesellschaft], in der überhaupt nichts | |
Staatliches mehr übrigbleibt und es nur noch Unternehmen gibt. Polizei, | |
Militär, Bildung und Gesundheit – alles soll privatisiert werden. | |
taz: Gehört der Begriff Libertarismus nicht ursprünglich zur linken | |
Terminologie? | |
Kemper: Ja, libertär bedeutet eigentlich etwas ganz anderes. Er kommt aus | |
dem Sozialanarchismus und ich sehe mich selber auch in dieser Tradition. | |
Aber in der rechten Szene wurde seine Bedeutung ins Gegenteil verwandelt. | |
Javier Milei fordert zum Beispiel einen freien Organhandel. Für ihn wäre es | |
Freiheit, wenn die Menschen ihre eigenen lebenswichtigen Organe | |
kommerzialisieren. Das hat nichts mehr mit einer menschenrechtlichen | |
Tradition zu tun. | |
taz: Seit einiger Zeit ist dies ja keine akademische Diskussion über | |
politische Theorien mehr. Entspricht es nicht auch dieser Ideologie, wenn | |
US-Präsident Donald Trump die Universitäten finanziell austrocknen und das | |
Public Radio abschaffen will? | |
Kemper: Ja, aber bei Trump ist es komplizierter, weil er verschiedene | |
Gruppen von seinen Unterstützern bedienen muss. Das sind die [2][völkischen | |
Nationalisten mit seinen „Proud Boys“], die evangelikanischen Fanatiker und | |
schließlich seine kapitalistischen Freunde um [3][Elon Musk], die einen | |
„hightech libertanism“ anstreben. Aber dazu passt seine Zollpolitik | |
überhaupt nicht. | |
taz: In ihrem Gespräch mit Elon Musk vor der Bundestagswahl hat Alice | |
Weidel die AfD als eine „libertär konservative Partei“ bezeichnet. Hat sie | |
das gemacht, um Musk auf ihre Seite zu ziehen oder um diese Terminologie | |
auch in Deutschland durchzusetzen? | |
Kemper: Bisher hatte sie ihre Partei immer als liberal konservativ | |
bezeichnet. Aber sie kommt selber aus dieser Denkschule und innerhalb der | |
AfD gibt es ja Richtungsstreitigkeiten. In Elon Musk hat sie einen | |
mächtigen Menschen, der die AfD unterstützt und der diese Ideologie mit ihr | |
teilt. Und das stärkt den libertären Flügel der Partei. | |
taz: Dieser Umkehrung der ursprünglichen Bedeutung des Wortes entspricht ja | |
auch [4][Alice Weidels absurde Aussage, Hitler wäre ein Linker gewesen.] | |
Kemper: Ja, denn für die ist alles Sozialismus. Ex-Bundeskanzlerin Angela | |
Merkel war eine Sozialistin, die Kontaktbeschränkungen wegen Corona waren | |
Seuchensozialismus, Maßnahmen gegen die Erderwärmung sind Klimasozialismus | |
und für Javier Milei ist auch der Neoliberalismus eine Art von Sozialismus. | |
Hans-Hermann Hoppe, einer der Vordenker der Bewegung, hat gesagt, er sehe | |
keinen großen Unterschied zwischen dem Parteiprogramm der FDP und dem | |
kommunistischen Manifest von Karl Marx. | |
taz: Sehen Sie die Gefahr, dass sich auch andere Staaten in diese Richtung | |
verändern? | |
Kemper: Ja, zum Beispiel Großbritannien. Der Brexit ging ja auch in diese | |
Richtung. Der Handelsberater von Boris Johnson, Shanker Singham, hat | |
gesagt, der [5][Brexit] sei dafür da, Großbritannien für die Globalisierung | |
zu öffnen. Ohne die Regulierungen durch die EU sollen „property zones“ | |
geschaffen werden, also Leuchtturmstädte, zwischen denen der Handel | |
zollfrei sein würde. Die Londoner „finance city“ wäre dann eine eigene | |
Stadt innerhalb von London und sie würde mit Städten wie Dubai und Singapur | |
Geschäfte machen. | |
taz: Und dann? | |
Kemper: Es geht darum, wie viel Autonomie man diesen Städten überlässt. In | |
denen gäbe es dann immer weniger Staatlichkeit und das würde immer weniger | |
Demokratie, Gewerkschaftsrechte sowie Umweltstandards bedeuten. Und dieses | |
Freihäfen-Programm wird von der jetzigen britischen Regierung | |
weitergeführt. | |
17 May 2025 | |
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## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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