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# taz.de -- Deutsche Wohnen & Co enteignen: Verhinderer gesucht
> Finanzsenator Stefan Evers (CDU) schreibt ein Gutachten für ein
> Rahmengesetz zur Vergesellschaftung aus. Warum so kompliziert? Die taz
> hilft weiter.
Bild: taz-Literaturtipp: Der vor zwei Jahren vorgelegte Abschlussbericht der vo…
Sehr geehrter Herr Evers,
mit großem Interesse haben wir Ihre aktuelle Ausschreibung eines
Rechtsgutachtens „zur Unterstützung bei der Erarbeitung eines
Gesetzentwurfs für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz“ zur Kenntnis
genommen. Ein erster Schritt der schwarz-roten Landesregierung in Richtung
Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co
enteignen“? Nun ja.
Die Veröffentlichung des Ausschreibungstextes am Donnerstag unmittelbar vor
Ostern ließ bei uns kurz den Verdacht aufkommen, es sei Ihnen daran
gelegen, den Ball mit Blick auf die Öffentlichkeit flach zu halten. Aber
das Timing war sicher nur Zufall. Wir sind jedenfalls Feuer und Flamme für
das Unterfangen.
Wie Ihr Haus, die Senatsfinanzverwaltung, jüngst [1][in einer Antwort auf
eine Anfrage der Grünen ja schon vorweggenommen hat], „stellt die
Beauftragung eines Rechtsgutachtens einen wesentlichen Fortschritt für das
weitere Vorgehen dar“. Da zählt jetzt jeder Tag. Zumal der
Ausschreibungstext [2][nach seiner ersten Ankündigung vor über einem Jahr]
etwas auf sich warten ließ, wegen der vielen „finalen“ Abstimmungen
zwischen mehreren Senatsverwaltungen.
## Gute Nachricht Nr. 1: Die 100.000-Euro-Fragen wurden schon beantwortet
Wir haben Verständnis. Es ist ja auch höllekompliziert. Schließlich ist es
mit dem Gutachten und dem Gesetzentwurf nicht getan. Dann braucht es noch
das Vergesellschaftungsrahmengesetz, das wiederum, wie Ihr Haus weiter
schreibt, „der Vorbereitung von einem oder mehreren Anwendungsgesetzen“
dienen soll. Um dann, ja dann den Volksentscheid vom September 2021
umzusetzen. Oder auch nicht.
Ebenfalls besagter Antwort konnten wir entnehmen, dass für das Gutachten
100.000 Euro aus dem klammen Landeshaushalt locker gemacht werden müssen.
Nach genauer Prüfung der [3][vierseitigen Leistungsbeschreibung der
Ausschreibung] haben wir nun eine gute Nachricht für Sie und uns alle: Das
Land Berlin kann sich das Geld sparen.
Denn einen wesentlichen Teil des nun von irgendeiner Anwaltskanzlei bis
Ende Oktober zu bearbeitenden Fragenkatalogs hat die noch von Ihrem
Vorgängersenat eigens eingesetzte, hochkarätig besetzte
Expert*innenkommission zur „Vergesellschaftung großer
Wohnungsunternehmen“ [4][in ihrem im Juni 2023 vorgelegten
Abschlussbericht] schon beantwortet.
## Gute Nachricht Nr. 2: Berlin kann Kompetenz
Zu Ihrer ersten Frage etwa, ob dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz
für den Erlass eines Rahmengesetzes für die Durchführung von
Vergesellschaftungen überhaupt zusteht, [5][heißt es dort
unmissverständlich]: „Das Land Berlin besitzt nach Artikel 70, 72 Absatz 1
Grundgesetz die Kompetenz für eine gesetzliche Regelung, mit der
Grundstücke in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft
überführt werden.“ Mehr muss dazu ja nicht gesagt werden.
Auch bei den weiteren Fragen, was denn vergesellschaftet werden soll und zu
welchem Preis, möchten wir Sie auf den 150-seitigen Bericht der 13
Expert*innen verweisen, der immerhin 1,5 Millionen Euro gekostet haben
soll. Die haben [6][nach einem Jahr Beratung aller rechtlichen Fragen zum
Thema Vergesellschaftung und unzähligen Anhörungen von noch mehr
Expert*innen] und mitunter sehr hitzigen Diskussionen einhellig
festgestellt, dass Artikel 15 des Grundgesetzes die Vergesellschaftung von
Grund und Boden, Naturschätzen und Produktionsmitteln erlaubt.
Falls Ihnen das nicht konkret genug ist, hilft der Blick auf Enteignungen
der vergangenen Jahrzehnte für Braunkohlebergbau, Autobahnen, Schienenwege
oder Flughäfen.
In welcher Höhe betroffene Unternehmen entschädigt werden müssen, ist in
der Verfassung zugegebenermaßen vage geregelt: „Die Entschädigung ist unter
gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu
bestimmen.“ Zum Glück ist die Kommission auch bei dieser Frage nicht
untätig gewesen und hält Entschädigungen unterhalb des Verkehrswerts der,
sagen wir mal spaßeshalber Immobilien, für machbar.
## Gute Nachricht Nr. 3: Die Sache mit dem Gemeineigentum ist ganz einfach
Nun möchten Sie noch gern wissen, was Gemeineigentum eigentlich ist. Eine
gute Frage, die allerdings erneut Zweifel aufkommen lässt, ob Sie den
Bericht der Kommission überhaupt gelesen haben. Auf Seite 33 heißt es dort:
„Die Überführung in Gemeineigentum meint die Übertragung des Eigentums vom
privaten Inhaber auf einen geeigneten öffentlich-rechtlichen Träger von
Gemeineigentum.“
Wichtig ist, dass es dabei um nicht profitorientierte Verwaltung geht: „Die
Bewirtschaftung der vergesellschafteten Gegenstände muss an öffentlichen
Zwecken ausgerichtet sein“, heißt es weiter. Das mag für die CDU schwer zu
verstehen sein, aber im Kern heißt das, dass nicht – wie derzeit – einige
wenige profitieren, sondern die Allgemeinheit.
Nicht zuletzt möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die renommierte
Berliner Kanzlei Geulen & Klinger im Auftrag der Initiative Deutsche Wohnen
& Co enteignen [7][längst an der Erarbeitung eines konkreten
Vergesellschaftungsgesetzes sitzt]. Also keine Umwege über Rahmen und
Folgegesetze nimmt, sondern einfach aufs Ziel zusteuert. Wir haben Ihre
Ausschreibung daher an besagte Kanzlei weitergeleitet, in der Hoffnung, den
Prozess zu beschleunigen – im Sinne aller Berliner Mieter*innen.
Mit freundlichen Grüßen,
Marie Frank und Rainer Rutz
22 Apr 2025
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6078640
[2] /Vergesellschaftung-in-Berlin/!5971318
[3] https://meinauftrag.rib.de/public/publications/537277
[4] /Gutachten-zu-Wohnungspolitik-in-Berlin/!5940303
[5] https://www.berlin.de/kommission-vergesellschaftung/_assets/abschlussberich…
[6] /Gutachten-zu-Enteignungen-in-Berlin/!5932840
[7] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!6023436
## AUTOREN
Marie Frank
Rainer Rutz
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