# taz.de -- Flüchtlingsanwältin über Bamf-Chef: „Herr Sommer sollte zurüc… | |
> Anwältin Berenice Böhlo kritisiert die Forderung des Bamf-Chefs, das | |
> Recht auf Asyl durch Aufnahmeprogramme zu ersetzen. Sie sieht eine | |
> Kampagne dahinter. | |
Bild: Schutz nur als Gnadenakt? Eine der wenigen Afghaninnen, die über das Bun… | |
taz: Frau Böhlo, der Präsident des Bundesamts für Migration und | |
Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, schlägt vor, das individuelle Asylrecht | |
[1][durch humanitäre Aufnahmeprogramme zu ersetzen.] Wo ist das Problem? | |
Berenice Böhlo: Was Herr Sommer gesagt hat, ist ein Frontalangriff auf das | |
individuelle Asylrecht. Dabei ist er Chef der Behörde, die dieses Recht | |
umsetzt. Er sollte zurücktreten. | |
taz: Nur wegen dieser einen Aussage? | |
Böhlo: Mit seinen Aussagen rüttelt Herr Sommer am Refoulement-Verbot, laut | |
dem niemand zurückgeschickt werden darf, wenn Folter oder | |
Menschenrechtsverletzungen drohen. Genau das würde passieren, wenn man | |
seine Aussagen umsetzt. Es geht dabei auch um die Grundlagen einer | |
Demokratie, der Flüchtlingsschutz ist eine unmittelbare Konsequenz aus dem | |
Nationalsozialismus. | |
taz: Würden Geflüchtete nicht stattdessen über die Aufnahmeprogramme Schutz | |
finden, die Herr Sommer vorschlägt? | |
Böhlo: Das Asylrecht steht potenziell jedem und jeder zu. Es wird nach | |
berechenbaren Kriterien vergeben und ist notfalls einklagbar. | |
Aufnahmeprogramme sind dagegen eine Art Gnadenakt. Man bewirbt sich, wird | |
vielleicht ausgewählt – oder auch nicht. Es gibt keinen Rechtsweg, keine | |
klaren Kriterien, alles liegt im Ermessen der Behörden. Das ist das | |
Gegenteil von verlässlichem Schutz. | |
taz: Auf das Wort der Bundesregierung wäre kein Verlass? | |
Böhlo: Die Erfahrung mit Aufnahmeprogrammen zeigt, wie unsicher solcher | |
Schutz ist. Die Ampelkoalition [2][wollte Tausende Afghanen*innen | |
evakuieren], die von den Taliban bedroht sind. Doch nur wenige wurden | |
wirklich eingeflogen. Und selbst gegen diese vereinzelten Evakuierungsflüge | |
[3][wetterten Unionspolitiker*innen zuletzt.] | |
taz: Dabei sind es ja gerade CDU-Politiker wie Thorsten Frei, die | |
Aufnahmeprogramme immer wieder ins Gespräch bringen. Sie argumentieren, das | |
Asylsystem bevorzuge junge Männer, die die Kraft haben, sich nach Europa | |
durchzuschlagen. | |
Böhlo: Ich halte das für ein vorgeschobenes Argument. Nichts hindert die | |
Union daran, in der kommenden Bundesregierung Aufnahmeprogramme zusätzlich | |
zum Asylrecht umzusetzen. Herr Frei kann sich gern dafür einsetzen, gezielt | |
Frauen aus Konfliktgebieten zu holen. Außerdem gehören junge Männer oft zu | |
den gefährdetsten Gruppen: Sie riskieren Wehrdienst, Folter oder Tod. | |
taz: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Sommers Äußerungen, den jüngsten | |
Ideen der Union, Flüchtlinge zurückzuweisen und den Koalitionsverhandlungen | |
mit der SPD? | |
Böhlo: Da läuft eine Kampagne, das bestehende Asylsystem abzuschaffen und | |
Deutschland abzuschotten. Humanitäre Aufnahmeprogramme sollen | |
rechtfertigen, Geflüchtete an den Grenzen abzuweisen. Das hieße, die Genfer | |
Flüchtlingskonvention und das Asylrecht über Bord zu werfen. | |
taz: Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Aufnahme von | |
Geflüchteten einschränken will. Muss sich nicht wirklich etwas ändern? | |
Böhlo: Dass es Fragen und Sorgen in der Bevölkerung gibt, muss man | |
anerkennen. Es braucht eine ehrliche Analyse der Fakten. Doch was gerade | |
passiert, ist das Gegenteil. Emotionen und Ängste werden ausgenutzt und | |
geschürt, um restriktive Politik durchzusetzen. So sensible Fragen darf | |
man nicht an aktuellen Umfragen oder temporären Mehrheiten auszurichten. Da | |
müssen wir uns gegen stemmen. | |
3 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
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