# taz.de -- Grundsatzurteil: Abschiebungen nach Griechenland wieder möglich | |
> Bislang wurden fast keine Flüchtlinge nach Griechenland zurückgeschickt. | |
> Das Bundesverwaltungsgericht stellte nun fest, dass dort keine | |
> Verelendung drohe. | |
Bild: Gut genug, um dorthin abgeschoben zu werden? Flüchtlingswohnung in Athen | |
Leipzig taz | Flüchtlinge, die bereits in Griechenland anerkannt wurden, | |
können künftig dorthin zurückgeschickt werden. Das entschied an diesem | |
Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil. | |
Die Lage anerkannter Flüchtlinge in Griechenland ist schwierig. Während des | |
Asylverfahrens können sie in staatlichen Aufnahmeeinrichtungen leben. Doch | |
sobald sie anerkannt sind, müssen sie binnen 30 Tagen ausziehen. Sie haben | |
dann auch keinen Anspruch auf Sozialleistungen und kaum Chancen auf legale | |
Arbeit. | |
Viele anerkannte Flüchtlinge bleiben deshalb nicht in Griechenland, sondern | |
ziehen weiter. Allein im Vorjahr kamen rund 25.000 anerkannte Flüchtlinge | |
aus Griechenland nach Deutschland. | |
Der heute 32-jährige Somalier Mohamed H. kam im Februar 2018 nach | |
Griechenland und erhielt dort im November 2018 internationalen Schutz. Im | |
August 2019 flog er nach Deutschland, wo er im Oktober 2019 einen neuen | |
Asylantrag stellte, um hier bleiben zu können. | |
## Kafkaeske Situation auf dem Arbeitsmarkt | |
Das Bundesamt für Asyl und Migration (Bamf) lehnte den Antrag jedoch ab. | |
Laut Asylgesetz ist ein Asylantrag unzulässig, wenn der Flüchtling bereits | |
in einem anderen EU-Staat anerkannt worden war. Bisher jedoch wurden | |
anerkannte Flüchtlinge dennoch nicht nach Griechenland zurückgeschickt, | |
[1][weil ihnen dort die Verelendung drohte]. Da waren sich die deutschen | |
Verwaltungsgerichte ziemlich einig. | |
Im Fall des Somaliers billigten jedoch das Verwaltungsgericht Gießen und | |
der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel die Abschiebung nach Griechenland. | |
Da die Rechtsprechung nun nicht mehr einheitlich war, ließ der VGH die | |
Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Bei dieser (erst seit 2023 | |
zulässigen) Tatsachenrevision geht es ausnahmsweise nicht um Rechtsfragen, | |
sondern um die verbindliche Feststellung der Situation in einem bestimmten | |
Staat. | |
In der mündlichen Verhandlung schilderte H.s Anwalt Stephan Hocks die | |
kafkaeske Situation von anerkannten Flüchtlingen in Griechenland: „Um eine | |
Arbeitsstelle zu finden, braucht ein Flüchtling eine Steuernummer. Die | |
bekommt er aber nur, wenn ihm ein Arbeitgeber bestätigt, dass er einen | |
Arbeitsplatz hat“, so Hocks. „Das ist kein Behördendschungel, das ist eine | |
Mauer“, empörte sich seine Kollegin Juliana Harper. | |
Zwar hat Griechenland das Hilfsprogramm Helios+ für anerkannte Flüchtlinge | |
gestartet. „Das Programm ist aber nicht anwendbar, wenn ein Flüchtling | |
länger als zwei Jahre außerhalb Griechenlands lebte,“ so Anwalt Hocks. Der | |
Somalier H. würde bei einer Rückkehr leer ausgehen, denn er lebt seit 2019 | |
in Deutschland. | |
## Geld verdienen in der Schattenwirtschaft | |
Dennoch stellte das Bundesverwaltungsgericht nun fest, dass anerkannte | |
Flüchtlinge nach Griechenland zurückgeführt werden dürfen. Zwar gebe es | |
dort [2][erhebliche Defizite], aber alleinstehenden, männlichen, gesunden | |
Flüchtlingen drohe keine Verelendung, keine extreme materielle Not. „Sie | |
können ihre elementaren Grundbedürfnisse auf Unterkunft, Ernährung und | |
Hygiene befriedigen“, sagte der Vorsitzende Richter Robert Keller. | |
Er verwies vor allem auf die Möglichkeit durch Arbeit Geld zu verdienen, | |
insbesondere in der Schattenwirtschaft, also in der Schwarzarbeit. | |
Obdachlosigkeit sei unter anerkannten Flüchtlingen „kein Massenphänomen“, | |
es gebe temporäre Unterkünfte und Notschlafstellen. | |
Anders als der VGH verwies Keller nicht auf die Unterstützung von | |
ethnischen Communities. Anwältin Harper will nun eine Verfassungsbeschwerde | |
prüfen. Pro Asyl bezeichnete das Urteil als „nicht nachvollziehbar“. Pro | |
Asyl will die Situation in Griechenland weiter dokumentieren. Pro Asyl und | |
seine griechische Partnerorganisation Refugee Support Aegean wollen die | |
Situation in Griechenland weiter dokumentieren, um damit neue Klagen | |
begründen zu können. | |
16 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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