# taz.de -- Stromfresser Künstliche Intelligenz: „Die Energieverbräuche dur… | |
> Überall ist Künstliche Intelligenz eingebaut, selbst in Zahnbürsten, | |
> dabei verbraucht sie Unmengen an Strom. Der Forscher Rainer Rehak sagt, | |
> was wir tun können. | |
Bild: Auf Hochtouren für die KI: Die Kühlung eines Meta-Rechenzentrums in Sch… | |
taz: Herr Rehak, Künstliche Intelligenz gilt als der neue große | |
Energiefresser. Wie schlimm ist es wirklich? | |
Rainer Rehak: Es ist tatsächlich sehr, sehr schlimm: Die Energieverbräuche | |
durch KI gehen durch die Decke. Das liegt zum einen daran, dass diese | |
Systeme sehr rechenintensiv sind. Der Serverbetrieb braucht Energie, ebenso | |
die Kühlung der Rechenzentren, wo die KI trainiert wird und läuft. Auch die | |
Herstellung der Hardware braucht Energie, viel mehr als bei | |
Nicht-KI-Systemen. Und die haben schon einen Riesenabdruck. | |
taz: Dabei gibt es gar keine konkreten Zahlen. Die Internationale | |
Energieagentur (IEA) schätzt, dass Rechenzentren, Kryptowährung und KI | |
derzeit zwei Prozent des weltweiten Stromverbrauchs ausmachen und sich das | |
in den kommenden Jahren verdoppelt. Wie präzise gibt das wirklich den | |
Energieverbrauch von KI wieder? | |
Rehak: Tatsächlich fehlen exakte Zahlen. Es gibt kaum Transparenz, [1][weil | |
die Unternehmen kein Interesse daran haben, ihre Interna offenzulegen, und | |
entsprechende Pflichten gibt es nicht.] Da muss die Politik dringend | |
nachbessern und klare Vorgaben machen. Aber wir haben drei Anhaltspunkte. | |
taz: Welche sind das? | |
Rehak: Erstens können wir Modellrechnungen anstellen. Sie modellieren ein | |
KI-System und basierend darauf können wir Schätzungen zum Energieverbrauch | |
machen. Zweitens sehen wir, wie die entsprechenden Anbieter von großen | |
KI-Modellen wie Google oder Microsoft jedes Jahr ihre Prognosen für den | |
Energiebedarf nach oben korrigieren. Sie selber sagen, dass im Wesentlichen | |
KI-Anwendungen dafür verantwortlich sind. Und drittens gibt es einen | |
kleinen transparenten Bereich, nämlich die öffentlichen Anbieter. Da ist | |
zum Beispiel das Leibniz-Rechenzentrum in München, was praktisch das | |
Rechenzentrum für die Münchner Unis ist. Die dortigen Entwicklungen und | |
Planungen, was Rechenleistung und Stromverbrauch angeht, bestätigen diese | |
Tendenzen. Zahlen wie die der IEA halte ich daher für realistisch. | |
taz: Was macht KI so energieintensiv – das Training oder die Anwendung? | |
Rehak: Wenn wir heute KI sagen, dann meinen wir damit meist große | |
Sprachmodelle. | |
taz: Zum Beispiel GPT-4o von OpenAI oder Llama von Meta. | |
Rehak: Genau. Die großen Sprachmodelle sind zwar nur ein kleiner Teil von | |
KI, aber aktuell das bestimmende Thema in der Debatte. Sie basieren auf | |
künstlichen neuronalen Netzen, die ursprünglich vom Aufbau unseres Gehirns | |
inspiriert waren, auch wenn sie im Detail anders funktionieren. Bei ihnen | |
verbrauchen sowohl Training als auch Nutzung sehr viel mehr Energie als das | |
Programmieren und die Nutzung von Software ohne KI. | |
taz: Zumindest die Nutzung können wir ja beeinflussen. | |
Rehak: Je populärer die Anwendung, desto höher ist der Energieverbrauch | |
insgesamt. Mittlerweile steckt ja in jeder Google-Suche KI. Aber es reicht | |
auch nicht, sich in der Debatte nur auf die ganz großen Player zu | |
fokussieren. In Rheinland-Pfalz zum Beispiel gibt es jetzt eine Software | |
für Schulen, die den Lehrkräften dabei helfen soll, automatisiert Klausuren | |
zu korrigieren. Die basiert auf ChatGPT und funktioniert im Übrigen gar | |
nicht gut. Da muss man schon fragen, ob das wirklich sinnvoll und nötig | |
ist, allein schon ökologisch gesehen. | |
taz: Ist also das Problem weniger die einzelne KI als die Masse der | |
Anwendungen? | |
Rehak: In der Tat. Das Problem ist die Tendenz, KI überall einzubauen, | |
losgelöst davon, ob es Sinn ergibt. [2][Ich habe schon elektrische | |
Zahnbürsten gesehen, die irgendwie KI drin haben, mit App.] Ich bezweifele, | |
dass damit der Putzerfolg signifikant besser wird. Aber zu sagen, dass | |
irgendwo KI drin ist, das hat mittlerweile eine Funktion über die | |
tatsächliche Anwendung hinaus: Es demonstriert Modernität. Deswegen steckt | |
KI in Navis, Hilfechatbots, Kaffeemaschinen, Zahnbürsten, Suchmaschinen und | |
Kinderspielzeug. | |
taz: Wie kommen wir dahin, dass KI wirklich nur dort eingesetzt wird, wo | |
sie auch einen Mehrwert schafft? | |
Rehak: Hier sind zwei Strategien notwendig: Erstens müssen Produkte und | |
Dienstleistungen insgesamt die ökologischen Kosten, die sie verursachen, | |
widerspiegeln. Die bildet unser Wirtschaftssystem einfach nicht ab – und | |
das ist bei KI ebenso ein Problem wie bei Plastik, Baustoffen oder | |
tierischen Produkten. Der ökologische Fußabdruck wird momentan | |
externalisiert, die Kosten trägt also die Gemeinschaft. Das muss sich | |
ändern. | |
taz: Und zweitens? | |
Rehak: Kein KI-Anbieter schreibt derzeit schwarze Zahlen. Da werden | |
Milliarden verbrannt, weil es einfach Investmentgeld ist oder anders | |
querfinanziert. Für die Konzerne ist das kein Problem, weil sie die | |
Rentabilität in die Zukunft schieben können. Wo Kosten kein Argument sind, | |
müssen wir also ordnungspolitisch ran. Dabei könnten zum Beispiel | |
CO2-Kontingente dafür sorgen, die Emissionen massiv zu senken. Denn das | |
Problem ist ja nicht der Stromverbrauch an sich. [3][Das Problem sind die | |
dadurch verursachten CO2-Emissionen] und weitere Folgen wie | |
Biodiversitätsverluste oder Wasserknappheit. | |
taz: In den USA wollen Tech-Konzerne stärker auf Atomkraft setzen, | |
Harrisburg reaktivieren, kleine modulare Reaktoren neu bauen. Für wie | |
realistisch halten Sie solche Pläne? | |
Rehak: Das wird maßgeblich vom regulatorischen Umfeld abhängen. In Europa | |
wäre das Quatsch, Atomkraft ist hierzulande einfach der teuerste Strom. | |
Völlig unrentabel unter Marktbedingungen ohne staatliche Hilfen. In den USA | |
ist das momentan noch ähnlich – aber wir sehen ja gerade, dass dort die | |
Gesetze und deren Anwendung komplett auf den Kopf gestellt werden. Insofern | |
halte ich das für eine reale Gefahr. | |
taz: Ist denn die Wirtschaftlichkeitsfrage wirklich entscheidend? Bei den | |
großen Tech-Konzernen geht es ja häufig erst mal darum, den Markt | |
abzustecken, zu dominieren. Der Preis ist egal, denn welcher Konzern Nummer | |
Eins wird, diktiert später dem Markt die Regeln. | |
Rehak: Das stimmt, das ist die Strategie. Die würde aber nur greifen, wenn | |
die Konzerne die AKWs auch selbst betreiben können und das entsprechend in | |
der Bilanz verbuchen. Wenn sie Energie einkaufen müssen, dann geht dafür | |
reales Geld raus. Aber wir sehen jetzt schon, dass Konzerne wie Alphabet | |
und Meta massiv in Infrastruktur investieren, zum Beispiel in | |
Unterseekabel. Ich halte es also für realistisch, dass sie auch selbst AKWs | |
betreiben. | |
taz: In China ist im Februar mit DeepSeek ein neues Modell auf den Markt | |
gekommen, das angeblich energiesparend trainiert worden sein soll. Ist das | |
ein Trend? | |
Rehak: Ich finde es noch deutlich zu früh, um das zu beurteilen. | |
Grundsätzlich glaube ich aber, dass der Nachhaltigkeitsgedanke in den | |
Unternehmen nur eine nachrangige Rolle spielen wird. In erster Linie wird | |
es da um Akteurskonstellationen und Marktmacht gehen. Wenn eine Anwendung | |
dann nebenbei noch energiesparender ist als die der Konkurrenz, dann ist | |
das maximal ein netter Nebeneffekt. | |
taz: Bergen sparsamere Systeme nicht ohnehin das Rebound-Risiko? Also dass | |
sie auf Grund ihrer Sparsamkeit vermehrt eingesetzt werden? | |
Rehak: Ja, das kann passieren und ist wahrscheinlich. Das spannende am | |
Rebound-Effekt ist ja, dass er in der Regel nicht geplant ist und auch | |
nicht gut vorhersagbar. Bleiben wir mal beim Zahnbürsten-Beispiel: Wenn die | |
KI da so sparsam ist, dass die Rechenleistung nicht mehr auf einen Server | |
ausgelagert werden muss, sondern direkt in einem Chip in der Zahnbürste | |
passiert – was heißt das? Müssen dann die Akkus größer werden, weil die | |
Geräte mehr Strom verbrauchen? Wird es nur noch elektrische Zahnbürsten mit | |
KI geben? Oder passiert etwas ganz anderes? Der Gesamtenergieverbrauch wird | |
aber vermutlich steigen. | |
taz: Befürworter:innen von KI führen häufig an, dass die Technologie | |
auch dazu beitragen kann, die Klimakrise einzudämmen oder die Anpassung zu | |
verbessern. Zum Beispiel Vorhersagen von Extremwetter oder die energetische | |
Steuerung von Gebäuden. Wie groß bewerten Sie dieses Potenzial? | |
Rehak: Es gibt natürlich KI-Systeme, die Gutes für die Umwelt leisten | |
können. In der Landwirtschaft können sie helfen, den Verbrauch an Wasser | |
und die Menge an Dünger zu reduzieren. Sie können Vogelflugrouten präziser | |
vorhersagen als wir das mit konventionellen Mitteln schaffen und damit die | |
Planung von Schutzgebieten optimieren. Sogar die Kühlung in Rechenzentren | |
lässt sich verbessern und damit Energie sparen. Das Problem ist: Die Masse | |
der KI-Anwendungen sind am Ende keine Umweltschutzsysteme, sondern drehen | |
sich um KI-generierte Videos, Bilder und Texte oder lustige Filter und | |
Effekte bei Tiktok oder Adobe. Das Gute, was KI im ganz kleinen Maßstab | |
schafft, ist daher nicht mehr als ein Feigenblatt. Und schlimmer noch: Es | |
führt dazu, dass wir an Probleme zu technokratisch herangehen. | |
taz: Was meinen Sie damit? | |
Rehak: Nehmen wir eine durchschnittliche Stadt mit ihren üblichen Problemen | |
für Menschen auf Parkplatzsuche. Die Politik will eine Lösung finden. Und | |
weil KI so angesagt ist, wird eine App programmiert, die mittels KI den | |
Verkehrsfluss steuert und demnächst freie Parkplätze vorhersagt. Dabei wäre | |
es vielleicht die viel bessere Lösung, auf eine fahrradzentrierte | |
Innenstadt zu setzen, aber stattdessen diskutieren wir über KI-Methoden. | |
Der Fokus auf KI schafft also nicht unbedingt Lösungen – er verhindert auch | |
echtes Handeln. | |
5 Apr 2025 | |
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Svenja Bergt | |
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