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# taz.de -- Abwärmenutzung aus Rechenzentren: Wohlig warme Datenwärme
> Nebeneffekte der Digitalisierung: In Spandau sollen in Zukunft mit
> Abwärme aus einem großen Rechenzentrum Wohnungen und Gewerberäume geheizt
> werden.
Bild: Hier fließen keine Daten, nur Wasser
Berlin taz | Auch wenn gleich hinter dem Rechenzentrum des Konzerns NTT
Data an der Nonnendammallee der gewaltige Kühlturm des Kohlekraftwerks
Reuter West dampft: Das riesige Gewerbegebiet, das im Spandauer Osten an
die Siemensstadt anschließt, hat die Tage der klassischen Industrie längst
hinter sich. Heute wird hier der Rohstoff des 21. Jahrhunderts verarbeitet:
Daten. In einer Halle, in der AEG einmal ICE-Triebköpfe montierte, summen
und blinken Tausende Server, die Informationen aus Glasfaser- und
Mobilfunknetzen aufnehmen, verarbeiten und weiterleiten.
Der Pressetross, der am Mittwochmorgen zu einer Tour auf das Gelände
gelassen wird, bekommt davon allerdings rein gar nichts zu sehen. „Wir
haben hochsensible Kunden, staatliche und private, die nicht genannt werden
wollen“, erklärt ein Sprecher. Bei dem Rechenzentrum – genau genommen sind
es zwei an einem Standort – handele es sich um „kritische Infrastruktur“.
Entsprechend akribisch ist die Anmeldeprozedur mit biometrischem
Foto-Abgleich des Personalausweises, bevor man das Gelände betreten darf.
Bilder dürfen nur in wenigen, ausgewählten Bereichen gemacht werden.
Der Anlass für die Besichtigung ist der Startschuss für ein bislang
einzigartiges Projekt von NTT Data zusammen mit einer Joint Venture aus
Gasag und dem Energiedienstleister Engie. Geadelt wird das Ereignis durch
die Anwesenheit des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU). Und das
ist der Plan: Ein Teil der Abwärme, die im Rechenzentrum entsteht, wird
künftig über eine 2 Kilometer lange Wasserleitung in [1][das derzeit
entstehende Entwicklungsgebiet „Neues Gartenfeld“] geleitet. Dort soll sie
zur Wärmeversorgung von 4.500 Wohnungen, 200 Gewerbeeinheiten sowie Kitas
und Schulen beitragen.
Auch Gartenfeld, einst Endpunkt der immer noch brachliegenden Siemensbahn,
ist ein postindustrieller Standort: Siemens betrieb hier früher ein
Kabelwerk. Wegen seiner Lage zwischen zwei Kanälen wird bisweilen auch –
leicht übertrieben – von der „Insel Gartenfeld“ gesprochen. Im Jahr 2031
soll das Neubaugebiet fertig sein.
Viel mehr als eine Menge in schwarzes Isoliermaterial gehüllter Rohre und
Druckanzeiger im hinteren Teil der Halle bekommen die BesucherInnen nicht
zur Gesicht. Hier soll das Wunder seinen Anfang nehmen, das „mit Abstand
größte Projekt zur Nutzung von Abwärme aus einem Bestandsrechenzentrum in
Deutschland“, wie der NTT-Data-Sprecher erklärt.
So absurd es klingen mag: [2][Die Verarbeitung der rasant wachsenden
Datenmengen, von denen unser Alltag mittlerweile abhängt, ist eine
sekundäre Energiequelle.] IT-Server erzeugen im Betrieb Wärme – ein Effekt,
den jeder, der ein Handy in der Hosentasche mit sich herumträgt, im
Miniaturformat aus eigener Erfahrung kennt. Bislang wird der allergrößte
Teil dieser Energie einfach in die Umwelt abgegeben, meist als buchstäblich
heiße Luft.
## Nur ein Bruchteil schon genutzt
Für Rechenzentren, die ab Mitte 2026 in Betrieb gehen, schreibt das
Energieeffizienzgesetz vor, dass 10 Prozent ihrer Abwärme weiter genutzt
werden müssen, dieser Anteil soll kontinuierlich steigen. Für bereits
bestehende Zentren wie das von NTT Data gilt das nicht. Es nutzt zwar schon
jetzt die eigene Abwärme zur Beheizung seiner Gebäude, allerdings wird
dafür nur ein Bruchteil des vorhandenen Potenzials genutzt.
[3][Das nun angestoßene Projekt] sieht den Bau eines Wärmetauschers im
Rechenzentrum vor, aus dem kontinuierlich 20 bis 30 Grad heißes Wasser in
Richtung Gartenfeld gepumpt wird. 8 Megawatt an Wärmeenergie sollen dort in
einer Energiezentrale ankommen, die das Wasser mit Wärmepumpen – also unter
Einsatz zusätzlicher elektrischer Energie – auf eine Temperatur von 65 Grad
bringt. Dann wird es in ein separates Nahwärmenetz eingespeist, das die
Gebäude des Neubaugebiets versorgt.
Über ihre Kosten und Gewinnerwartungen schweigen sich die Unternehmen am
Mittwoch erwartungsgemäß aus – es ist aber davon auszugehen, dass sich das
Geschäft für alle Beteiligten lohnt. Auch das Klima profitiert, denn
sogenannte unvermeidbare Abwärme, die bei industriellen Fertigungs- und
Dienstleistungsprozessen entsteht, gilt als CO2-neutral. Laut
Engie-Geschäftsführer Niklas Wiegand soll das Gartenfeld-Projekt jährlich
6.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen.
Die boomenden KI-Anwendungen werden künftig noch gigantische Mengen an
Elektrizität benötigen, überall sind neue Rechenzentren in der Planung.
Wirklich klimafreundlich wird aber auch das Heizen mit der digitalen
Abwärme erst, wenn der eingesetzte Strom komplett aus erneuerbaren Quellen
stammt – bis dahin handelt es sich immerhin um einen Effizienzgewinn.
Aber was passiert, wenn die Servertechnologie einmal deutlich
energiesparender werden sollte? Und was hieße es für die künftigen
Gartenfeld-BewohnerInnen, wenn – warum auch immer – der
Rechenzentrumsbetreiber den Standort aufgeben oder verkleinern würde? Dann
fiele ein großer Teil des Energieinputs auf einmal weg. Steht NTT-Data hier
in einer Lieferpflicht?
## Neue Abhängigkeiten?
Immerhin spricht Kai Wegner bei seinem Besuch des Rechenzentrums davon,
dass Berlin unabhängig von Energieimporten werden müsse. Aber wird das
Entwicklungsgebiet Gartenfeld durch den Abwärmedeal nicht vom Schicksal
eines privaten Konzerns abhängig, dessen geschäftlicher Zweck eigentlich
gar nicht in der Bereitstellung von Wärme besteht?
Auch hier bleiben die Beteiligten etwas wortkarg und verlängern den Status
quo hoffnungsvoll in die Zukunft: „Wir sind schon seit fast 20 Jahren an
diesem Standort und haben auch vor zu bleiben“, sagt Konstantin Hartmann,
Managing Director im NTT-Data-Konzern. Im Übrigen habe der
Rechenzentrenbetreiber selbst ein großes Interesses an der Abnahme seiner
Abwärme.
Und für den schlimmsten Fall, dass der Wärmeinput – vielleicht auch nur
durch ein Havarie – einmal ausbliebe, werde man ohnehin für ein Backup
sorgen, sagt Matthias Trunk vom Vorstand der Gasag: Die Gartenfelder
Energiezentrale erhalte neben den Wärmepumpen und einer
„Power-to-Heat“-Anlage zur Abfederung von Spitzenlasten im Winter auch
einen eigenen Heizkessel mit Erdgasbetrieb. „Ich gehe nicht davon aus, dass
wir den einsetzen müssen“, glaubt Trunk.
3 Apr 2025
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/sen/stadtentwicklung/neue-stadtquartiere/das-neue-gar…
[2] /Berliner-Waermewende/!6045601
[3] https://www.gasag-solution.de/referenzen/gartenfeld/
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Daten
Fernwärme
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Künstliche Intelligenz
Energie
Fernwärme
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