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# taz.de -- Blauer Engel für Software: „Den Recyclingansatz brauchen wir auc…
> Informatiker Stefan Naumann hat den Blauen Engel für Software
> mitentwickelt. Nachhaltiges Programmieren, sogenanntes Green Coding, soll
> Apps nachhaltiger machen.
Bild: Geht auch in Grün: Programmieren
taz: Herr Naumann, ob im Smartphone oder im Fahrkartenautomaten: Wir sind
umgeben von Software. Das kostet viel Strom. Green Coding soll die
Programme und Apps nachhaltiger machen. Wie geht das?
Stefan Naumann: Green Coding heißt übersetzt nachhaltiges Programmieren.
Aber eigentlich geht es um viel mehr. Es beginnt schon mit der Überlegung,
ob wirklich eine neue Software benötigt wird. Denn das ist bei dem, was
heute auf den Markt kommt, nicht immer der Fall.
taz: Also eine Art digitales Degrowth?
Naumann: Ja, so könnte man es sagen. Wir betrachten beim Green Coding den
gesamten Lebenszyklus: von der Idee bis zu dem Moment, wo ein Programm oder
eine App eingestellt werden soll, und auch, welche Hardware dafür
erforderlich ist.
taz: Wenn die Programmiererin oder ein Unternehmen, das sie beauftragt,
sich also entscheidet: Ja, die Welt braucht diese App wirklich. Was müsste
danach kommen?
Naumann: Zunächst die Frage, welche Funktionen eigentlich nötig sind.
[1][Gerade ist es ja beispielsweise in Mode, überall künstliche Intelligenz
reinzupacken]. Aber muss das wirklich sein? Oder reicht einfache Statistik?
Etwas überspitzt: Muss ich mit der Kamera-App auch Bilder bearbeiten
können? Oder muss die Textverarbeitung auch Minispiele anbieten? Nicht
selten lautet die Antwort: nein. Dann die Frage: Kann ich Code, den es
schon gibt, wiederverwerten? Den klassischen Recyclingansatz, den wir aus
dem Umweltschutz kennen, den brauchen wir auch für Software: reuse, reduce,
recycling.
taz: Also mehrfach nutzen, reduzieren, wiederverwerten.
Naumann: Dazu gehört beispielsweise auch, dass Softwareteile, die nicht
genutzt werden, abschaltbar sind. Und wenn ich dann direkt beim
Programmieren bin: Wie effizient ist mein Algorithmus, etwa was den
Stromverbrauch angeht? Wie häufig werden Updates nötig sein und [2][wie
lange werde ich Updates liefern]?
Spätestens da ist es wichtig, auch an die Hardware zu denken: Schließlich
ist es am Ende das Zusammenspiel von Hard- und Software, das zum Beispiel
für den Stromverbrauch entscheidend ist. Oder dafür, wie lange ich eine
Software nutzen kann. Denn was nützt mir ein Software-Update ohne echte
neue Funktionen, wenn es dazu führt, dass ich zum Beispiel ein neues
Smartphone kaufen muss, um davon zu profitieren?
taz: Und wenn es um das Ende des Lebenszyklus geht, was ist da wichtig?
Naumann: Viele Nutzer werden schon erlebt haben, dass sie alte Text- oder
Bilddateien gar nicht mehr öffnen können, weil die Dateiformate von
heutigen Programmen nicht mehr unterstützt werden. Das ist nicht
nachhaltig. Stattdessen ist es wichtig, schon am Anfang das Ende
mitzudenken. Mit offenen Schnittstellen können Menschen oder Firmen ihre
Daten aus einem Programm einfacher in ein anderes umziehen.
taz: Wie viel Energie lässt sich durch diesen nachhaltigen Ansatz
einsparen?
Naumann: Das ist sehr schwer zu sagen, weil es von sehr vielen Faktoren
abhängt. Aber im Schnitt lassen sich beim Energieverbrauch nach unserer
Erfahrung mindestens so 15 bis 20 Prozent rausholen.
taz: Für die Smartphone-Nutzung kann das schon einen Unterschied machen,
wenn der Akku dann entsprechend länger durchhält.
Naumann: Das stimmt. Aber trotzdem sehe ich noch nicht, dass die Frage der
Nachhaltigkeit bei Apps oder bei Software generell für viele Menschen ein
Kauffaktor ist.
taz: Aber es ist ja nicht nur, dass die Nachfrage nicht so groß ist. Auch
das Angebot ist klein. Es gibt gerade einmal drei Programme, die mit dem
Blauen Engel ausgezeichnet sind, einem der bekanntesten Siegel für
nachhaltige Produkte. Warum sind das nur so wenige?
Naumann: Ich denke, das hat mehrere Gründe. Nehmen wir als Beispiel einen
Hersteller von Staubsaugerbeuteln. Da hängt eine Reihe von Produkten im
Baumarkt oder in der Drogerie. Die Beutel sind ansonsten gleichwertig,
sodass der Hersteller genau messen kann, wie viel mehr Marge er durch das
Siegel erzielen kann. Und so kann er ausrechnen, ob sich der Aufwand für
ihn lohnt.
Bei Software ist das anders, schon weil Nutzer für zahlreiche
Softwareprodukte überhaupt kein Geld zahlen. Und weil sich auch die
Mentalität durchgesetzt hat, dass Apps oder die Nutzung einer Plattform
oder einer Suchmaschine kostenlos sind. Ein Produkt, das zwar nachhaltiger
ist, aber mit Geld bezahlt werden muss, hat es da sehr schwer.
taz: Und zweitens?
Naumann: Wir bekommen häufig Mails von Firmen, die nach dem
Zertifizierungsprozess für den Blauen Engel fragen. Und wenn sie dann
hören, dass man dafür schon ein bisschen was machen muss, zum Beispiel
Messungen des Energieverbrauchs, dann winken die Firmen häufig ab und
sagen, sie würden die Kriterien zwar einhalten, aber die Zertifizierung
lohne sich nicht. Weil man eben auf dem Markt nicht so einen Vorteil hätte
wie der Hersteller von den Staubsaugerbeuteln. Und für die großen
internationalen Tech-Konzerne, das muss man ehrlich sagen, ist so etwas wie
der Blaue Engel in Deutschland ohnehin ziemlich weit weg.
taz: Was künstliche Intelligenz angeht, wächst das Bewusstsein, dass
Software häufig wenig nachhaltig ist. Braucht es verpflichtende Vorgaben
für die Unternehmen?
Naumann: Ein erster großer Schritt wäre schon mal Transparenz. Dass wir
wissen, welche Programme, Apps, KI-Dienste und Plattformen wie viel Strom
und andere Ressourcen verbrauchen. Und auf der Grundlage können wir dann
diskutieren, ob Empfehlungen reichen oder ob wir verbindliche Vorgaben
brauchen.
taz: Warum sollten Unternehmen auf Basis von Empfehlungen freiwillig
handeln? Der Markt belohnt gerade die Firmen, die schnell neue Funktionen
in ihre Software einbauen, [3][möglichst mit KI], die auf Basis möglichst
großer Datenmengen trainiert wurde.
Naumann: Ich hoffe, dass öffentlicher Druck etwas bewirkt. Ich forsche
jetzt schon seit den 90er Jahren zu dem Thema – und damals galten
IT-Unternehmen noch per se als grün. Mittlerweile, vor allem mit den
wachsenden Bergen an Elektronikschrott, ist allen klar, dass diese Annahme
falsch war. Diese Erkenntnis ist der erste Schritt und die Voraussetzung
dafür, dass es für Vorgaben dann auch die gesellschaftliche Akzeptanz gibt.
Letztlich müssen auch IT-Unternehmen – wie alle anderen – ihren Beitrag zu
mehr Nachhaltigkeit leisten.
22 Apr 2025
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## AUTOREN
Svenja Bergt
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