| # taz.de -- Einigung zwischen Grünen, SPD und Union: Ein neuer grüner Deal | |
| > Die Grundgesetzänderung von SPD und Union ist ein Skandal. Und trotzdem | |
| > darf man sich freuen, dass die Grünen durchgesetzt haben, was möglich | |
| > war. | |
| Bild: Sondersitzung des ‚alten‘ Bundestages zur Grundgesetzänderung, am 13… | |
| Man muss, bevor es um [1][die Details der Einigung] und die | |
| Politchecker-Frage geht, wer sich denn nun durchgesetzt hat, einen Schritt | |
| zurücktreten und feststellen: Die geplante Grundgesetzänderung ist ein | |
| Skandal. Was sich in den vergangenen drei Wochen seit der Bundestagswahl | |
| abspielt, schadet dem Vertrauen in die Demokratie. | |
| Erst hat [2][Friedrich Merz], der nicht besonders überzeugend die | |
| Bundestagswahl gewonnen hat, angekündigt, das Gegenteil von dem zu tun, was | |
| er vor der Wahl behauptet hatte. Und er lässt nun, weil ihm das | |
| Wahlergebnis nicht passt, den alten Bundestag innerhalb weniger Tage ein | |
| Gesetz mit größtmöglichen Folgen verabschieden. | |
| Wenn die Linke, aber auch die AfD dies als [3][undemokratisch] bemängeln, | |
| dann muss man sagen: Sie haben recht. | |
| [4][Die Grünen haben das Gesetz nicht rundheraus abgelehnt], das kann man | |
| ihnen vorwerfen. So hätten sie die Union zwingen können, mit der Linken im | |
| neuen Bundestag über eine komplette Abschaffung der Schuldenbremse zu | |
| verhandeln. | |
| ## Folgen einer Ablehnung wären nicht absehbar | |
| Nur, man kann den Grünen viel vorwerfen, aber nicht, dass sie die Grünen | |
| sind. Wer sich jahrelang jeden Morgen die „staatspolitische Verantwortung“ | |
| ins Müsli rührt, kann nicht plötzlich auf Fundamentalopposition schalten. | |
| Zumal die Folgen einer Ablehnung nicht absehbar gewesen wären: Wäre die | |
| künftige Koalition schon vor ihrer Gründung geplatzt? Hätte sich Merz dann | |
| doch noch der AfD zugewandt? Und wenn nicht: Hätte die Linke sich auf einen | |
| Kompromiss eingelassen, oder wären sie so beratungsresistent geblieben wie | |
| etwa bei ihrem Nein zu Waffenlieferungen? Zu viele Fragen mit offenem | |
| Ausgang, zu viel Risiko für die Grünen, eine Partei, die das Nein sagen | |
| gerade erst wieder lernen muss. | |
| Dieses Gesetz ist also ein Skandal. Und trotzdem darf man sich darüber | |
| freuen, dass es nun wohl kommt und voraussichtlich am kommenden Dienstag im | |
| Bundestag beschlossen wird. Deutschland sagt sich 15 Jahre nach Einführung | |
| der Schuldenbremse endlich los von einer neoliberalen Doktrin, die dem Land | |
| schweren Schaden zugefügt hat, die Brücken und Schulen kaputt gemacht, die | |
| Wirtschaft abgewürgt, und Menschen ihre Arbeit genommen hat. | |
| Wenn man die Entscheidung, zu einer Lösung im alten Bundestag Ja zu sagen, | |
| einmal akzeptiert, lässt sich die Einigung selbst in den Blick nehmen. | |
| [5][Und da zeigt sich, dass die Grünen gut verhandelt haben.] Sie haben die | |
| Summe, die Schwarz-Rot für den Klimaschutz angeboten hat, verdoppelt. 100 | |
| Milliarden aus dem Sondervermögen sollen in diesen Bereich fließen. Und sie | |
| haben erkämpft, dass das Sondervermögen zusätzlich zu bereits geplanten | |
| Investitionen ausgegeben wird. So wollen sie sicherstellen, dass | |
| Schwarz-Rot es nicht über Umwege für Wahlgeschenke ausgibt. | |
| Trotzdem ist der Kompromiss kein großer Erfolg für die Grünen. Rechnet man | |
| das geplante Sondervermögen auf das Jahr um, ist es zu niedrig. ÖkonomInnen | |
| gehen davon aus, dass in Deutschland zwischen 70 und 85 Milliarden Euro | |
| Investitionen im Jahr notwendig wären. Und die Gefahr besteht, dass die | |
| Änderung der Schuldenregel, die am kommenden Dienstag beschlossen wird, für | |
| viele Jahre die letzte gewesen sein wird. Mit ihrer Zustimmung haben die | |
| Grünen die Schuldenbremse also gleichzeitig reformiert und auf Jahre hinaus | |
| zementiert. | |
| ## Noch einmal feiern | |
| Es hat eine gewisse Ironie, dass die Partei ausgerechnet in dem Moment, in | |
| dem sie sich aus der Regierung verabschiedet und kurz bevor sie auf der | |
| Oppositionsbank landet, ihre größtmögliche Macht entfaltet. Wenn die Grünen | |
| aus dieser denkwürdigen Woche eines mitnehmen können, dann ist es das: | |
| Manchmal ist es gut, laut und deutlich Nein zu sagen, Bündnispartei hin | |
| oder her. | |
| Ihren Erfolg dürfen die Grünen nun ruhig ein paar Tage feiern. Denn es wird | |
| voraussichtlich auf absehbare Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass jemand | |
| auf sie hört. | |
| 14 Mar 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Kersten Augustin | |
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