| # taz.de -- Foto-Ausstellung über Nachkriegsberlin: Propaganda und Alltag | |
| > Als Schüler ist Werner Droste nach Berlin gekommen und hat die geteilte | |
| > Stadt fotografiert. Nun gibt es eine Ausstellung der zufällig gefundenen | |
| > Fotos. | |
| Bild: Tribüne auf dem Marx-Engels-Platz 1958 in Berlin-Mitte. Im Hintergrund d… | |
| Der Sozialismus siegt. Nur nicht über den [1][Berliner Dom]. Selbst die | |
| sozialistischen Gewährsleute Marx, Engels und Lenin sind da machtlos. Im | |
| Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, traute sich SED-Chef Walter Ulbricht | |
| nicht, Berlins bedeutendsten Kirchenbau zu schleifen. | |
| Das Stadtschloss war 1958, als diese Aufnahme entstand, dagegen schon | |
| gesprengt. An seiner Stelle wurde am [2][Marx-Engels-Platz] die Tribüne | |
| errichtet, an der die Massen am 1. Mai der Staats- und Parteiführung | |
| huldigten. Den Rest des Jahres wirkte die Tribüne bis zum Bau des | |
| [3][Palastes der Republik] irgendwie lost. Es ist ein trauriger | |
| Sozialismus, der da siegt. Nicht einmal der Mopedfahrer, der Richtung | |
| Zeughaus knattert, würdigt das Banner eines Blickes. | |
| 13 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reist der damals 18-Jährige | |
| Werner Droste mit der „Ost West AG“ seines Gymnasiums in Gelsenkirchen nach | |
| Berlin. Er findet eine Stadt vor, in der die Spuren des Krieges noch | |
| allgegenwärtig sind, die gleichzeitig aber auch nach vorne schaut. Die | |
| Häuserzeile rechts der [4][Gedächtniskirche] ist noch unbewohnbar, | |
| gegenüber sind jedoch Geschäfte eingezogen. Die davor parkenden Autos | |
| verkünden die frohe Botschaft, dass das Wirtschaftswunder auch in | |
| Westberlin angekommen ist. Und ein wenig Farbe in die sonst noch so graue | |
| Stadt bringt. | |
| Farbe gibt es auch im Osten, auch wenn sie nicht selten politische | |
| Botschaften untermalt. Am Bahnhof Alexanderplatz hängt ein Banner mit der | |
| Losung „Für den gemeinsamen Kampf und die Solidarität der Berliner Arbeiter | |
| mit den arabischen Völkern“. An anderer Stelle droht die Nato dem Land mit | |
| „Atomtod“. | |
| Die farbigen Aufnahmen von Werner Droste waren zu dieser Zeit keine | |
| Selbstverständlichkeit, erzählt [5][Oliver Kleinschmidt]. Kleinschmidt hat | |
| die Fotografien, die noch bis zum 11. April in der Galerie der | |
| [6][Buchhandlung Golda] ausgestellt werden, im Nachlass seines Stiefvaters | |
| in einem Heizungskeller entdeckt. Aufgenommen wurden sie mit einer Leica | |
| Kamera mit Kleinbild-Dia-Farbfilm. Die besondere Plastizität der Aufnahmen, | |
| ihre fast surreale Räumlichkeit, ist das Ergebnis einer lithografischen | |
| Umwandlung der Kleinbild-Farbdias in Farbdrucke. | |
| Anlass für den Besuch der Ost West AG im Ostteil der Stadt ist ein | |
| Sportfest im Thälmann-Park. Dort treffen die Gymnasiasten auch eine Gruppe | |
| jüngerer Ostberliner Schülerinnen und Schüler. Einen „staunenden | |
| Beobachter“ nennt Kleinschmidt seinen 1940 geborenen Stiefvater, der 2020 | |
| starb. Trotz der fotografierten Losungen wirken die Aufnahmen nicht | |
| ideologisch. Eine Seltenheit im Berlin des Kalten Krieges. Vielleicht | |
| brauchte es dafür auch den Blick von außen. | |
| Drei Jahre später, da ist er schon Student, kehrt Werner Droste nach Berlin | |
| zurück. Vor allem der Bau der Mauer fasziniert den jungen Hobbyfotografen, | |
| der schon mit 17 einen Fotokurs bei seinem Onkel bei LeFotica gemacht hat. | |
| An der Bernauer, Ecke Gartenstraße fängt er die Szene ein, in der ein | |
| Bagger Platz schaufelt für einen neuen Mauerabschnitt. Auf der | |
| gegenüberliegenden Straßenseite steht eine Gruppe Westberliner und | |
| beobachtet die Szenerie mit einer neugierigen Gelassenheit, die einen im | |
| Nachhinein staunen macht. | |
| Von der aufgeheizten Stimmung dieser Tage des Mauerbaus im August 1961 | |
| zeugt nur die Reihe von VW-Bussen mit aufmontierten Lautsprechern. Die | |
| Busse gehören zum sogenannten [7][„Studio am Stacheldraht“], mit dem der | |
| Westberliner Innensenator politische Botschaften Richtung Osten schickt. Es | |
| ist der Beginn des „Berliner Lautsprecherkriegs“, der bis zum Oktober 1965 | |
| dauern wird. | |
| Mit dem Mauerbau wird Berlin endgültig zur geteilten Stadt. Im Westen kehrt | |
| man der Mauer den Rücken und feiert, was soll man auch tun, das | |
| Lebensgefühl einer Insel der Freiheit. Von den Ruinen rund um die | |
| Gedächtniskirche ist auf einer Aufnahme Drostes von 1961 nichts mehr zu | |
| sehen. Westberlin brummt. | |
| Ost-West-AG. Fotoausstellung in der Buchhandlung Golda, noch bis zum 11. | |
| April 2025. Anklamer Straße 39 in Mitte | |
| 18 Mar 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.berlinerdom.de/besuchen-wissen/ueber-den-dom/ddr-zeit-und-wiede… | |
| [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schlo%C3%9Fplatz_(Berlin) | |
| [3] https://www.humboldtforum.org/de/programm/laufzeitangebot/ausstellung/hin-u… | |
| [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Kaiser-Wilhelm-Ged%C3%A4chtniskirche | |
| [5] https://www.buero-kleinschmidt.de/ | |
| [6] https://goldabooks.de/ | |
| [7] https://de.wikipedia.org/wiki/Studio_am_Stacheldraht | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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