# taz.de -- Ausstellung über Frauengeschichte: Berlin – das hieß Freiheit | |
> Die Stadt ermöglichte vielen Frauen ein Leben jenseits gesellschaftlicher | |
> Zwänge. Eine Ausstellung im Ephraim-Palais dokumentiert das anhand von 20 | |
> Porträts. | |
Bild: Die gefeierte Fliegerin Elly Beinhorn - hier bei einer Ankunft in Tempelh… | |
Ob Politik, Kunst, Arbeit oder Wissenschaft – in Berlin ging für viele | |
Frauen meist mehr als anderswo. So kam die damals 21-jährige Elly Beinhorn | |
nach Berlin, weil der Präsident des Aeroclubs in ihrer Geburtsstadt | |
Hannover sie nicht als Flugschülerin zulassen wollte. In Berlin-Staaken | |
machte sie 1929 ihren Sportpilotenschein. Sie arbeitete danach als | |
Kunstfliegerin und wurde durch ihre spektakulären Alleinflüge und eine | |
Weltumrundung berühmt. Damit setzte Beinhorn sich nicht nur gegen den | |
Widerstand ihrer Eltern, sondern auch gegen gesellschaftliche Zwänge durch. | |
Beinhorns Geschichte ist nur eine von 20 Biografien, die das Stadtmuseum | |
jetzt in der Ausstellung „Berlin – Stadt der Frauen“ im Ephraim-Palais | |
zeigt. Mit Ausstellungsstücken, einem Audioguide und an Medienstationen | |
wird das Leben von Frauen vermittelt, die die Geschichte Berlins geprägt | |
und sich damit oft über gesellschaftliche Vorstellungen hinweggesetzt | |
haben. | |
Dabei sei es gar nicht leicht gewesen, passende Ausstellungsobjekte zu | |
finden, erklärt Martina Weinland, die die Ausstellung konzipiert hat: „Wo | |
Persönliches fehlte, mussten wir eher allgemeine Objekte nehmen.“ Auch das | |
erzähle einen Teil der Geschichte der Frauen in der Stadt – dass sie | |
nämlich im historischen Bewusstsein wenig vertreten seien, weil wenig von | |
ihnen aufbewahrt wurde. „Dabei haben Frauen schon immer die Hälfte der | |
Stadtbevölkerung ausgemacht.“ | |
Von Beinhorn gibt es einen Höhenmesser in der Größe einer Taschenuhr, der | |
ihr gehört hat und den sie bei ihren Langstreckenflügen dabeihatte. Daneben | |
stehen Modelle ihrer Flugzeuge. An der Wand hängt eine große Tafel mit | |
einem Text über die Lebensstationen der Fliegerin, eine Karte mit ihren | |
Flugrouten und Fotos von ihr in Fliegerkleidung. Außerdem eine Postkarte | |
mit ihrem Porträt: Die gab es damals in verschiedenen Motiven zu kaufen. | |
## Fotos und Filme | |
Ähnliche Ausstellungsstücke illustrieren auch die anderen Stationen der | |
Ausstellung, wobei die Künstlerinnen – darunter die Grafikerin und Malerin | |
Käthe Kollwitz und die Zeichnerin Jeanne Mammen – auch mit eigenen Werken | |
vertreten sind. Von der Fotojournalistin Eva Kemlein sind eine ganze Reihe | |
Bilder zu sehen, die sie im Nachkriegsberlin gemacht hat, und Filmaufnahmen | |
der Tänzerin Mary Wigman, einer weiteren vorgestellten Frau. | |
Doch am nächsten kommen einem die Frauen, wenn sie selbst zu Wort kommen. | |
„Alles in allem war ich ein Glückspilz, der seinem Hobby frönen konnte“, | |
steht als Zitat neben einem Foto von Katharina Heinroth, der ersten | |
Zoodirektorin Deutschlands. Sie studierte in Breslau, wo sie ebenfalls als | |
erste Frau in Zoologie promovierte. 1933 hatte sie den Direktor des | |
Berliner Aquariums, Oskar Heinroth, geheiratet, mit dem sie während des | |
Kriegs auch auf dem Gelände des Zoos lebte. | |
Nach seinem Tod 1945 wurde ihr die Leitung des stark zerstörten Zoos | |
übertragen. Sie schaffte es, den Zoo wiederaufzubauen, und vergrößerte den | |
Bestand der Tiere von 91 am Kriegsende auf über 1.900 im Jahr 1956. Daneben | |
gab sie zahlreiche naturwissenschaftliche Bücher heraus. Dass sie ihre | |
Lebensleistung in dem Zitat unter den Begriffen Glück und Hobby | |
zusammenfasst, zeigt, dass sie sich nicht als Teil einer allgemeinen | |
Frauenbewegung sah, sondern ihr Leben als individuelles Schicksal fasste. | |
Die Ausstellung erzählt die Geschichte Berlins als Geschichte der Frauen. | |
Dazu trug auch der 1866 gegründete Lette-Verein bei, der unverheirateten | |
Frauen oder jungen Witwen Bildung ermöglichte (und dessen 150. Geburtstag | |
ein Anlass für die Ausstellung ist). Später, 1945, zur sogenannten Stunde | |
null, waren es die Frauen, die die Stadt von den Trümmern befreiten und – | |
zum Teil aus Mangel an Männern – leitende Ämter bekleideten. | |
Dass die Ausstellung die Biografien nach Themen anordnet und nicht nach | |
Lebensdaten, ist manchmal verwirrend, weil das Gefühl für das Besondere der | |
historischen Situation verloren geht, wenn etwa das Schicksal einer Malerin | |
aus dem späten 19. direkt neben dem einer Journalistin aus dem 20. | |
Jahrhundert steht. | |
## Stadt der Möglichkeiten | |
Die These der Ausstellung, dass die in Berlin lebenden Frauen innerhalb der | |
letzten 150 Jahre mehr Möglichkeiten hatten als in anderen Städten, zeigt | |
sich auch an einer weiteren Gemeinsamkeit der Biografien: Die meisten der | |
vorgestellten Frauen sind keine Urberlinerinnen. Sie sind im Laufe ihres | |
Berufslebens, nach ihrer Heirat oder eben – wie Beinhorn – aus eigenem | |
Antrieb, mit einem bestimmten Ziel in die Stadt gekommen. | |
Und eine dieser Frauen, Marie von Bunsen, stellt mit ihrem Unternehmergeist | |
sogar die 700 Quadratmeter große Schau im Ephraim-Palais in den Schatten. | |
1912 veranstaltete sie selbst die Ausstellung „Die Frau im Beruf und Haus“, | |
auf 9.000 Quadratmetern. Die war wirtschaftlich so erfolgreich, dass ihr | |
Club sich davon ein Vereinshaus am Lützowplatz kaufen konnte. | |
17 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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