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# taz.de -- Elias-Frank-Haus in Basel: Nachfahren von Anne Franks Familie wolle…
> Die Familie Elias überlebte in ihrem Haus in Basel den Holocaust. Nun
> droht das Stück Weltgeschichte Gegenstand von Immobilienspekulationen zu
> werden.
Bild: Kämpfen um das Haus ihres Großvaters in Basel: Hannah-Milena und Leyb-A…
Berlin taz | Das Haus, das Hannah und Leyb-Anouk Elias vor dem Verkauf
retten wollen, ist nicht irgendeines. Es ist das Haus ihrer Großeltern in
Basel, und sie sind Verwandte von Anne Frank. Das Tagebuch, in dem das
jüdische Mädchen ihr Leben im [1][Versteck während des Nationalsozialismus]
beschreibt, gehört zu den bekanntesten Zeugnissen von Opfern des Holocaust.
Leyb-Anouk und Hannah Elias' Großvater, der 2015 verstorbene
[2][Schauspieler Bernhard „Buddy“ Elias], war Anne Franks Cousin. Nun droht
das Haus der Familie, in dem Anne Franks Vater Otto Frank nach der
Befreiung des KZ Auschwitz Zuflucht fand, in fremde Hände verkauft zu
werden. Wegen einer Erbregelung.
Das Haus [3][im Stadtteil St. Johann], der im Norden an Frankreich grenzt,
ist auch ein Stück Weltgeschichte. „Das ist der Ort, wo die Familie
gemeinsam darüber gesprochen hat, die Schriften von Anne Frank zu
veröffentlichen“, erzählt Leyb-Anouk Elias. „Die letzte Postkarte der
Franks aus Amsterdam ist auch dorthin, nach St. Johann, nach Basel
geschickt worden.“
Früher gehörte das Haus dem Großvater und ihrer Großmutter Gerti, die noch
immer in dem Haus lebt. Dann wurde es an die nächste Generation
weitergegeben. „Leider ist die letzte Person, der das Haus gehört hat,
gestorben“, sagt Leyb-Anouk Elias. Deshalb gehört die Immobilie derzeit
einer Erb:innengemeinschaft aus mehreren Nachkommen der Großeltern.
Die ist sich jedoch uneinig. Ein Teil der Gemeinschaft möchte das Haus
verkaufen, Hannah und Leyb-Anouk Elias möchten es hingegen der
Öffentlichkeit zugänglich machen. Das Haus dürfe nicht zum Objekt von
Immobilienspekulationen werden. Die beiden wollen die anderen Erb:innen
auszahlen und das Haus in Familienhänden halten. Dafür brauchen sie 1,7
Millionen Schweizer Franken, rund 1,8 Millionen Euro.
## Kampagne gestartet
„[4][Eine Erbregelung] macht es möglich, dass unsere Familie das Haus
nutzen kann, solange unsere Großmutter lebt“, sagt Leyb-Anouk Elias. Sie
habe dort lebenslanges Wohnrecht. „Aber sie ist jetzt 91 Jahre alt. Wir
haben nur noch so lange die Möglichkeit, das Geld zusammenzusammeln, bis
unsere Großmutter verstirbt.“
„Anlässlich des 100. Geburtstages unseres Großvaters und des [5][80.
Jahrestages der Ermordung Annes] möchten wir das Haus im Herzen Basels der
Öffentlichkeit zugänglich machen. Als Begegnungsstätte für den
interreligiösen und interkulturellen Dialog“, heißt es in einem Schreiben
der Kampagne „Rettet das Elias-Frank-Haus“.
Die beiden Geschwister haben sie zusammen initiiert. Schnell seien jedoch
auch Freund:innen und Familie mit eingestiegen. „Für uns ist es wichtig,
[6][Orte jüdischen Lebens zu erhalten und sichtbar zu machen]“, sagt
Leyb-Anouk Elias. Auch die 91-jährige Großmutter unterstützt die beiden
dabei. Mit der Stadt Basel habe die Familie Elias ebenfalls Kontakt
aufgenommen, jedoch bisher ohne konkrete Ergebnisse.
## Zwischen Weltgeschichte und Zuhause
Nach seiner Befreiung aus [7][Auschwitz zog auch Otto Frank], der Vater von
Anne Frank, in die Dachkammer des Hauses ein. Auch für die weiteren
Generationen bleibe es ein wichtiger Ort: „Es ist ganz einfach das Haus, in
dem unsere Familie Nazideutschland überlebt hat. Also der Grund, warum ich
hier sitzen kann“, betont Leyb-Anouk Elias.
Die Familie Elias konnte in den Jahren kurz vor der Machtübergabe an die
Nazis von Frankfurt nach Basel migrieren. 1941 erkannten die
Nationalsozialisten ihnen als im Ausland lebende jüdische Deutsche die
Staatsbürgerschaft ab - die Familie wurde staatenlos.
Die Schweizer Staatsbürgerschaft bekamen sie erst 1952. Teilweise lebten
die Familienmitglieder da schon 23 Jahre in Basel. 1942 führte die Schweiz
eine restriktive Asylpolitik ein, viele Flüchtende, [8][insbesondere
jüdische Menschen], wurden abgewiesen.
## Die Rolle der Schweiz
Ihre Familie konnte viele materielle und nicht-materielle Erinnerungsstücke
bewahren, sagt Leyb-Anouk Elias. Das liege auch daran, dass die Schweiz
sich nicht aktiv im Zweiten Weltkrieg an Kämpfen beteiligt habe. Es gebe
aber ein großes Aufarbeitungspotenzial, die [9][Schweizer „Neutralität“ s…
ein großes Problem]: „Im Zuge unserer Kampagne wollen wir auch das
adressieren: die Frage nach der Schweizer Verantwortung“.
Zwar seien jüdische Menschen weniger gesetzlichen Repressalien ausgesetzt
gewesen als in Deutschland, doch [10][auch in der Schweiz war
Antisemitismus allgegenwärtig]: „Unser Großvater hat erzählt, dass es auch
in der Schweiz an der Tagesordnung war, als ‚Judensau‘ beschimpft zu
werden“, erzählt Elias.
„Die Zugverbindungen und Infrastruktur wurden trotzdem von den Nazis
genutzt, für Waffen und andere Transporte. [11][Die Schweiz hat
Nazideutschland einen finanziellen Umschlagsplatz] geliefert.“ Auch
Deportationen, bei denen Geflüchtete, vor allem jüdische Menschen, den
Nazis übergeben wurden, gab es.
Da müsse auch ein Gegenwartsbezug hergestellt werden: „Wie ist denn heute
die Situation für geflüchtete Menschen oder generell die Migrationspolitik
der Schweiz? Das ist noch immer sehr restriktiv“, so Elias.
Seit 1999 ist die [12][Schweizer Volkspartei (SVP)] die stimmenstärkste
Partei im Land. „Ideell ist sie auf dem Niveau der AfD, aber vom Standing
her eher wie die Union. Es gibt hier einfach seit Langem eine ganz andere
Toleranz gegenüber rechter Politik“, sagt Hannah Elias. Geschichtliche
Aufarbeitung, wie sie in Deutschland zum Beispiel in Schulen stattfindet,
habe es in der Schweiz lange kaum gegeben.
## Tausende Briefe und Fotos gefunden
Als die Elias-Geschwister Kinder waren, sei das Haus ihrer Familie voll
gewesen mit alten Kleidern, Briefen, Erinnerungsstücken. Vieles sei noch
immer dort, vor allem Familienerbstücke. „Aber auch Dinge von anderen
jüdischen Familien, die sie [13][dort zur Verwahrung abgegeben hatten], in
der Hoffnung, sie nach dem Krieg wieder abzuholen“, sagt Leyb-Anouk Elias.
Vor einigen Jahren hat ihre Großmutter etwa auf dem Dachboden über 1.000
Briefe und Fotos der Familie gefunden, die bis dahin noch nicht bekannt
waren. Aus denen ist 2011 ein Buch entstanden. „Du spielst da als Kind
zwischen den ganzen Sachen. Und dann schaust du dir Kinderbücher an, die
jemandem drei Generationen vor dir gehört haben“, sagt Hannah Elias.
Aber es ist auch Zuhause. Trotzdem sei das Familienerbe eine
Herausforderung, sagt Leyb-Anouk Elias: „Stell dir vor, du gehst in ein
Museum und auf einmal siehst du Bilder von deiner Familie an der Wand. Das
fühlt sich immer wieder total absurd an, dass die Weltöffentlichkeit über
deine Familie so gut Bescheid weiß“. Hannah Elias ergänzt: „Diese
[14][Spannung zwischen etwas sehr Privatem und gleichzeitig etwas so
Öffentlichem] zieht sich einfach durch unser Leben.“
„Gleichzeitig geht damit für mich eine große Verantwortung einher. Gerade
jetzt rund um die Bundestagswahlen und dem Erstarken von rechtem
Gedankengut überall“, sagt sie.
## Sprechen über Anne Frank
In der Familie Elias wurde über diese Themen hingegen viel gesprochen. „Ich
kann mich nicht an einen Zeitpunkt erinnern, an dem entschieden wurde
[15]['Jetzt reden wir über den Holocaust]‘. Das war immer ein Thema. Wir
sind mit den Geschichten aufgewachsen. Vor allem unser Großvater war sehr
aktiv, die Erinnerungen weiterzutragen“, sagt Hannah Elias.
Auch über seine Cousine [16][Anne Frank habe Buddy Elias] oft gesprochen.
Die beiden hätten ein sehr enges Verhältnis gehabt.
„Diesen familiären, ganz persönlichen Einblick zu bekommen, abseits von der
[17][historischen Figur Anne Frank], die sie ja geworden ist, ist wirklich
kostbar“, sagt Leyb-Anouk Elias. „Mitzubekommen, dass sie ein junges
Mädchen war, ein Kind wie du und ich, wie wir alle. Gar nicht berühmt und
groß, sondern einfach erstmal ein Mensch, mit Wünschen und Ängsten, Sorgen
und Hoffnungen.“
All dieses Wissen konnte in der Familie Elias weitergetragen werden. Und in
ihrem Haus. „Es ist so eine Art Museum entstanden, das die
[18][Familiengeschichte über so lange Jahre dokumentiert]. Das ging auch,
weil das Haus in der Hand der Familie geblieben ist“, sagt Hannah Elias.
Hunderte Gegenstände aus dem Haus befinden sich im Jüdischen Museum
Frankfurt.
„Wir sind beide in einem Haushalt aufgewachsen, in dem die Überzeugung
bestand, dass wir uns einsetzen müssen für die Dinge, die uns wichtig
sind“, sagt Hannah Elias. Mit der [19][Kampagne „Rettet das
Elias-Frank-Haus“] wollen die Geschwister aber nicht nur das Gebäude
bewahren, sondern es für alle öffnen. Einen Begegnungsort schaffen, an dem
interkultureller Austausch und ein friedliches Miteinander gelebt werden
können.
„Aber davor muss dieses Haus erst gerettet werden. Das größte Ziel ist
jetzt, das Geld dafür zusammenzubekommen“, sagt Hannah Elias.
22 Mar 2025
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[18] /Umgang-mit-Erinnerungskultur/!5789388
[19] https://www.eliasfrankhaus.org/heute#Kampagne
## AUTOREN
Marco Fründt
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