# taz.de -- Satirezeitschrift gegen die Nazis: Spottverse aus dem Versteck | |
> Versteckt auf einem Dachboden in den Niederlanden, produzierte Curt Bloch | |
> ein einmaliges Satireblatt gegen die Nazis: das „Unterwasser-Cabaret“. | |
Bild: „Geschrieben ist's mit Freiheitstinte,/die Haltung: eine rot gesinnte.�… | |
Berlin taz | Was macht der Mensch, wenn er, zur Untätigkeit verbannt, auf | |
einem Dachboden sitzen muss, nicht dazu in der Lage, auf der Straße zu | |
spazieren? Wie hält er das aus, eingesperrt zu sein, während draußen seine | |
Todfeinde, die Nazis, die Freunde verfolgen und umbringen? Viel ist in den | |
letzten Jahren über Juden geschrieben worden, die [1][in der NS-Zeit] bei | |
Bekannten oder Unbekannten untertauchten. Keine spaßige Lektüre, denn diese | |
Menschen kämpften um ihr Leben, viele von ihnen verloren es. Sie wurden | |
geschnappt und deportiert. | |
Curt Bloch war so ein Untergetauchter. Der junge jüdische Mann war nach der | |
NS-Machtübernahme aus Dortmund in die Niederlande geflüchtet. Als nach der | |
Besatzung Hollands durch die Wehrmacht 1942 die Judenverfolgung eskalierte, | |
verbarg er sich mit weiteren Verfolgten auf einem Dachboden in Enschede. | |
Doch Blochs Hinterlassenschaften sind überhaupt nicht traurig. Sie zu lesen | |
macht vielmehr einen Heidenspaß. Hier entpuppt sich Humor als Waffe. | |
Bloch hockte im Versteck, immerhin bei Freunden. Außerdem war er verliebt. | |
Und unglaublich kreativ. Und so begann er zu schreiben. Kein Tagebuch, | |
nein, auch keine traurigen Verse. Curt Bloch wurde zum Begründer, | |
Herausgeber, Autor, Chefredakteur und Illustrator einer Wochenzeitung, die | |
die Nazis mit bissigem Spott verhöhnte. Er nannte sein Periodikum das | |
„Unterwasser-Cabaret“ oder, auf Niederländisch, „Het Onderwater-Cabaret�… | |
Und wenn die Gestapo auch sein Blatt nicht lesen konnte, denn dieses war, | |
den Umständen seiner Entstehung geschuldet, ja ein Unikat, so half es doch | |
dem Autor über eine – man verzeihe die Wortwahl – beschissene Zeit hinweg. | |
Und es bestärkte seine Freunde und Mitgefangenen, weiter durchzuhalten, bis | |
zum Sieg der Alliierten. | |
## Herr Göring behielt seinen Bauch | |
80 Jahre nach der Befreiung sind jetzt Auszüge aus dem Unterwasser-Cabaret | |
erschienen. Hier ein paar Kostproben daraus: | |
„Denn Adolf kam dann zur Regierung, | |
Er nahm die Sache in die Hand | |
Und dank der weisen Hitlerführung | |
Geschah’s, dass erst die Wurst verschwand. | |
Und Butter, Speck und Fettigkeiten | |
Kaffee und Tee verschwanden auch, | |
Doch trotz der Magerkeit der Zeiten | |
Behielt Herr Göring seinen Bauch.“ | |
Das „Unterwasser-Cabaret“ war mehr als nur eine niederländisch-deutsche | |
Gedichtsammlung. Curt Bloch illustrierte sein Blatt auch – mit Montagen, | |
die er mithilfe alter Zeitschriften zusammenstellte. Mit [2][den Deutschen] | |
hatte Block gebrochen, sie, die Teile seiner Familie ermordeten, sollten | |
nun ernten, was sie in Europa angerichtet hatten. | |
„Lässt mich das Elend oft verstummen | |
Und schickt mir düst’re Phantasien, | |
Hör ich dann mit Motorbrummen | |
Die R.A.F. nach Deutschland zieh’n. | |
Dorthin wird ihre Fracht getragen, | |
Nach Hamburg und ins Ruhrgebiet, | |
Das mindert Leiden und Verzagen, | |
Ich summ dann das Propellerlied: | |
Wir bieten euch ’ ne Riesenshow, | |
Ob Krankenhaus, ob Kriegsdepot, | |
Nichts wird verschont und nirgendwo, | |
Ob Stahlwerk, Hafen oder Haus, | |
Dem Dritten Reich droht der Garaus.“ | |
19 Monate lang, bis zum April 1945, hielt Block in seinem Versteck durch, | |
jede Woche eine neue Ausgabe des „Unterwasser-Cabarets“ dichtend. Insgesamt | |
95 Ausgaben erschienen, die an die engsten Freunde gingen. Allerdings | |
dachte der Jurist schon damals daran, dass sein Werk möglicherweise nach | |
der Befreiung in höherer Auflage erscheinen könnte: | |
„Herr Göbbels hat nun jahrelang | |
Das Denken euch vergiftet, | |
Nun kriegt ihr, wisst dem Himmel Dank, | |
Die Hirne ausgelüftet“, | |
reimte Bloch im Januar 1944. Doch aus der Publikation für ein breiteres | |
Publikum wurde nichts, genauso wenig wie aus seiner großen Liebe zu | |
Kriegszeiten. 1948 zog Curt Bloch mit seiner neuen Partnerin Ruth nach New | |
York. Sein „Unterwasser-Cabaret“ landete gebunden im Wohnzimmerschrank im | |
[3][Haus der Familie in Queens] – bis Aubrey Pomerance, Archivleiter des | |
Jüdischen Museums in Berlin, darauf aufmerksam wurde und nach einer | |
Ausstellung jetzt Blochs Buch herausgebracht hat. | |
Und sollte es noch jemanden geben, der an der Aktualität seiner Verse | |
zweifelt, der möge lesen, was Bloch im Juni 1944 unter der Überschrift „An | |
meine deutschen Leser“ zu Papier brachte: | |
„Ihr wähnt euch endgültig entflohen | |
Dem Schatten der Vergangenheit | |
Und denkt nicht dran, dass euch bedrohen | |
Der gleiche Schmerz, das gleiche Leid.“ | |
18 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Sylvia-Salomon-ueber-Familiengeschichte/!6058303 | |
[2] /Deutsche-Bahn-und-NS-Widerstand/!6096164 | |
[3] https://www.aufbau-verlage.de/die-andere-bibliothek/im-gespraech/curt-bloch… | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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