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# taz.de -- Signale vom Weltnaturgipfel: Die Menschheit kann auch anders
> Wie wird der Artenschutz ab 2030 finanziert? Die Vertragsstaaten der
> UN-Biodiversitätskonvention haben Antworten. Deutschland muss jetzt
> dranbleiben.
Bild: Ein Jaguar in Peru. Er wüsste es zu schätzen, wenn sein Wald nicht Palm…
Berlin taz | Nein, die Menschheit kann nicht nur Krieg und Machtkampf. Sie
kann auch klug sein und schützend. In der Nacht zum Freitag haben sich die
Vertreter:innen der 196 Mitgliedstaaten der UN-Konvention zur
Biologischen Vielfalt (CBD) in Rom darauf geeinigt, wie der globale
Naturschutz nach 2030 weiter finanziert werden kann. Dabei haben sie sich
auf ein Verfahren geeinigt, in dem sie die bisherigen Finanzstrukturen –
zum Beispiel Fonds – auf ihre Tauglichkeit prüfen und eventuell
weiterentwickeln können. Was technokratisch klingt, ist für eine global
gerechte Finanzierung von Naturschutz wesentlich.
Wie viel Geld bis 2030 zur Verfügung stehen soll, [1][war schon im Herbst
auf der ersten Verhandlungsrunde der Konferenz der Vertragsstaaten (COP16)
im kolumbianischen Cali beschlossen worden]. So sollen für den Naturschutz
in den nächsten fünf Jahren jährlich 200 Milliarden Dollar an staatlichem
und privatem Kapital mobilisiert werden. Zusätzlich sollen die
Industriestaaten pro Jahr 20 Milliarden an Länder des Globalen Südens
zahlen, um sie beim Schutz ihrer häufig besonders wertvollen biologischen
Vielfalt zu unterstützen.
Zudem einigte sich die Staaten in Rom auf Indikatoren, an denen der Erfolg
von Naturschutzprojekten gemessen werden soll. Künftig wollen die
Mitgliedstaaten ihre Bemühungen einheitlich einschätzen und gemeinsam
diskutieren. Eine erste Überprüfung ist für die 17. Weltnaturkonferenz im
kommenden Jahr vorgesehen.
Die Konferenz in Rom war nötig geworden, weil die [2][Verhandlungen in
Cali] nicht rechtzeitig abgeschlossen werden konnten. Am Ende waren so
viele Delegationen abgereist, dass die verbliebenen nicht mehr
beschlussfähig waren.
## Die Wirkung von politischer Strahlkraft
Beobachter:innen wie Katrin Böhning-Gaese, Wissenschaftliche
Geschäftsführerin des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig,
hielt die hiesige Lesart, die Konferenz sei „gescheitert“, schon damals für
unfair. Es seien wichtige Beschlüsse gefasst worden, etwa in Bezug auf die
Beteiligung indigener Gemeinschaften an der internationalen
Naturschutzpolitik. Die Ergebnisse der COP in Cali seien immens wichtig für
den globalen Schutz der Natur.
Die Bedeutung der Beschlüsse liege weniger in ihrer rechtlichen
Verbindlichkeit als in ihrer politischen Strahlkraft, sagt Sabine Schlacke,
Professorin für Verwaltungs- und Umweltrecht und Direktorin des Instituts
für Energie-, Umwelt- und Seerecht der Universität Greifswald.
„Werden Entscheidungen in Form von Beschlüssen von der
Vertragsstaatenkonferenz der CBD getroffen, handelt es sich nicht um
bindendes Völkerrecht“, sagt Schlacke, „sondern um sogenanntes Soft Law, im
Grunde also politische Absichtserklärungen.“ So sei auch der vor zwei
Jahren in Montreal beschlossene Globale Biodiversitätsrahmen ein
völkerrechtlich unverbindlicher Beschluss und kein völkerrechtlicher
Vertrag.
„Allerdings sollten die faktischen Wirkungen des Soft Law nicht
unterschätzt werden“, so Schlacke. Die Beschlüsse konkretisieren das
Übereinkommen zur Biologischen Vielfalt und machen es für die Regierungen
und Verwaltungen handhabbar. „Deshalb wird oft auch zäh um jede
Formulierung gerungen und verhandelt“, sagt Schlacke.
## Was macht Brandenburg?
Ein Beispiel für solch eine Umsetzung ist die Verordnung der
Wiederherstellung der Natur (Nature Restauration Law, NRL), die die EU im
vergangenen Sommer beschlossen hat. „Damit hat die EU das an sich
völkerrechtlich unverbindliche Ziel des Global Biodiversity Framework, bis
2030 mindestens 30 Prozent der geschädigten Land-, Süßwasser-, Meeres- und
Küstenökosysteme wiederherzustellen, rechtlich verankert und damit zu einem
unmittelbar in jedem Mitgliedstaat geltenden Ziel transformiert“, sagt
Schlacke. Als Verordnung muss die NRL nicht in nationales Recht
umgesetzt werden.
Das NRL zeigt aber auch das Konfliktpotenzial konkreter Naturschutzpolitik.
So hat die neue brandenburgische Landwirtschaftsministerin Hanka
Mittelstädt (SPD) zeitgleich zu den Verhandlungen in Rom beschlossen, das
NRL in Brandenburg auszusetzen. Ihr sei es ein Anliegen, „deutlich zu
machen, dass im Land Brandenburg nicht irgendeine nicht näher definierte
Natur zu schützen ist“, teilte die Ministerin am Mittwoch mit, „sondern die
Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaften im Konsens mit berechtigten
Naturschutzinteressen im Vordergrund steht.“ Bis zur Erreichung dieses
Konsenses würden keine vollendeten Tatsachen geschaffen.
„Es gibt rund 600 FFH-Gebiete in Brandenburg, die nach der europäischen
Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt sind“, sagt Björn Ellner,
Landesvorsitzender des Naturschutzbunds in Brandenburg, „und 27
EU-Vogelschutzgebiete.“ In ihnen gehe es darum, zum Beispiel wieder
artenreiches Grünland zu schaffen, Wiesen seltener zu mähen und zu düngen.
„Die Methoden und Instrumente sind da“, sagt Ellner, „wir brauchen
Vertragsnaturschutz, Anreize für die Landbesitzer:innen und
gesetzliche Vorgaben, was sie in Schutzgebieten dürfen – und was nicht.“
Dazu das Bundesnaturschutzgesetz neu zu formulieren, hält Ellner nicht für
erforderlich. „Wir verlieren nur wertvolle Zeit.“
## Herausforderung: Gelder verteidigen
Das sieht Umweltrechtlerin Schlacke zwar ähnlich: „Die
Wiederherstellungsziele sind ambitioniert, und die Umsetzung sollte nicht
verzögert werden“, sagt sie, außerdem enthalte die NRL sehr konkrete
Begriffsbestimmungen und „listet im Anhang einzelne Lebensraumtypen auf,
die zu renaturieren sind“, so Schlacke.
Im Anhang finde sich eine Beispielliste für
Wiederherstellungsmaßnahmen wie die Entfernung von
Entwässerungsstrukturen für Moorböden – was für Brandenburg als Land mit
zahlreichen trockengelegten Moorflächen relevant sei. Allerdings bestehe
„möglicherweise Bedarf für Gesetzesänderungen im Raumordnungsrecht, um
Flächen für die Renaturierung zügiger ausweisen zu können“.
Außerdem müsse man überprüfen, ob die Ziele des Naturschutzgesetzes an das
NRL angepasst werden müssten. Bislang sind sie nämlich stärker auf den
Schutz des Status quo ausgerichtet, was einer Wiederherstellung nicht
unbedingt entsprechen muss.
Das Naturschutzgesetz neu zu fassen, ist also ein Thema für die oder den
nächste:n Umweltminister:in. Die größere Herausforderung wird sein,
die Gelder für das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ (ANK) zu
verteidigen, welche Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zäh durch alle
Haushaltsverhandlungen der Ampel gerettet hat. Bislang hat das BMUV in
seinem Rahmen „rund 1,2 Milliarden Euro eingesetzt und für die Folgejahre
gebunden, mehr als 9.000 Projekte sind bewilligt“, so das Ministerium.
[3][Die Projekte verbinden Natur- mit Klimaschutz, etwa durch die
Renaturierung von Auen oder dem Erhalt von Wildnisgebieten.] Insgesamt sind
für das ANK bis 2028 rund 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. Eine neue
Bundesregierung könnte die zwar einkassieren. „Wir gehen jedoch fest davon
aus, dass das ANK auch in der kommenden Legislaturperiode weitergeführt
wird“, heißt es aus dem Ministerium. Schließlich entspreche es den
internationalen Verpflichtungen, die sich auch aus der CBD ergeben.
1 Mar 2025
## LINKS
[1] /UN-Biodiversitaetskonferenz/!6043084
[2] /UN-Konferenz-zur-Biodiversitaet-in-Cali/!6044601
[3] /Welt-Biodiversitaetsrat/!6054385
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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