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# taz.de -- Gesunde Böden, Gewässer, Wälder: Bauernverband möchte lieber ke…
> Drei Wirtschaftsverbände schreiben ans Kanzleramt, um die Verordnung zur
> Wiederherstellung der Natur zu beseitigen. Sie nutzen ein bewährtes
> Argument.
Bild: Schön und gut: Alpenblumenwiese mit Schlangenknöterich
Berlin taz | Landbesitzerverbände fordern Kanzleramtschef Thorsten Frei
(CDU) auf, sich „entschieden auf nationaler wie europäischer Ebene für eine
Rücknahme, mindestens aber eine grundlegende Überarbeitung“ der Verordnung
zur Wiederherstellung der Natur einzusetzen. In ihrem Brief an Frei von
Ende Juni schließen sich der Deutsche Bauernverband, die Familienbetriebe
Land und Forst sowie der Verband Die Waldeigentümer [1][einer Forderung von
CDU-geführten Agrarministerien aus acht Bundesländern an]. Sie hatten die
EU-Kommission aufgefordert, das Wiederherstellungsgesetz „vollständig
aufzuheben“. [2][Damit waren sie auf breite Ablehnung bei Kollegen aus
Umweltresorts], bei den Grünen, Umweltverbänden und der ökologischen
Lebensmittelwirtschaft gestoßen.
Die Verordnung würde „die Land- und Forstwirtschaft ebenso wie die
zuständigen Verwaltungen massiv belasten“, heißt es in dem neuen Schreiben
der Verbände. Vor dem Hintergrund der „Krisen- und Kriegssituation in
Europa“ dürfe die heimische Versorgung nicht eingeschränkt werden. Mit
diesem Argument hatten die Bauern Anfang 2024 die damalige Ampelregierung
dazu gebracht, sie von der Verpflichtung zu befreien, Brachflächen
auszuweisen.
„Allein die Bürokratiekosten eines einzigen Artikels der
Wiederherstellungsverordnung belaufen sich auf 1,7 Milliarden Euro –
Mittel, die in zahlreichen sinnvollen Projekten besser investiert wären als
in zusätzliche Bürokratie“. Die Zahl stammt aus einem Papier der
„Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und
Erholung (LANA)“, einem Arbeitsgremium der Umweltministerkonferenz von
Anfang des Jahres und bezieht sich auf Artikel 4 der Verordnung. Dieser
sieht die Wiederherstellung von „Land-, Küsten- und Süßwasserökosystemen�…
vor und enthält konkrete, zeitgebundene Ziele für die Umsetzung von
Wiederherstellungsmaßnahmen, um den Zustand von Naturschutzgebieten zu
verbessern.
Die LANA-Expertengruppe „Naturschutzfinanzierung und Agrarreform“ listet in
einer Tabelle auf, wie viel Geld etwa für Ausgleichszahlungen für
Artenschutzmaßnahmen, die Bewirtschaftung von Offenland oder Maßnahmen im
Wald notwendig werden könnten. Dieses Geld würde auch an
Landbesitzer:innen fließen, die geschützte Flächen besitzen, wenn sie
dort Naturschutzmaßnahmen durchführen. Insgesamt errechnen die Experten die
Summe von 1.731,9 Millionen Euro – und benennen auch Möglichkeiten, sie zu
finanzieren. So stünden den Ländern aus den Töpfen der Gemeinschaftsaufgabe
der Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes sowie dem
Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz erhebliche Mittel bereit.
## Jenseits deutscher Realitäten
Auch an anderer Stelle bedienen sich die Verbände aus einem Zahlenwerk, das
sie nur unvollständig wiedergeben. So heißt es in dem Brief: „Eine Studie
des Thünen-Instituts warnt zudem, dass die vollständige Umsetzung der
EU-Biodiversitätsstrategie – und damit auch der
EU-Naturwiederherstellungsverordnung – den Holzeinschlag in der EU je nach
Szenario um bis zu 48 Prozent beziehungsweise rund 36 Millionen Kubikmeter
pro Jahr verringern würde.“ [3][Die zitierte Studie beruht auf einem
Arbeitspapier des Thünen-Instituts für Internationale Waldwirtschaft und
Forstökonomie aus dem Jahr 2020.]
Die Wissenschaftler modellieren darin drei verschiedene
Naturschutz-Szenarien und rechnen den jeweils möglichen Holzeinschlag hoch.
Im extremsten Schutzszenario gehen sie davon aus, dass 30 Prozent der
deutschen Waldfläche zusätzlich zu bestehenden Schutzgebieten nur noch
eingeschränkt forstlich zu nutzen wären. Diese Zahl nutzen die Verbände in
ihrem Schreiben.
Diese Annahme liegt weitab der Realitäten in deutschen Naturschutzgebieten.
[4][Regelmäßig beklagen Umweltorganisationen wie Greenpeace eine zu
intensive Holznutzung in geschützten Wäldern.] So stand Deutschland in der
EU zuletzt in der Kritik, weil die Bundesländer das Naturschutzrecht nicht
konsequent umsetzen. 2023 und 2024 verurteilte der EuGH Deutschland dazu,
das Management dieser Gebiete zu verbessern und drohte mit Strafzahlungen.
Zudem stellte das Bundesamt für Naturschutz schon im vergangenen Jahr klar,
dass die Wiederherstellung „eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht
ausschließt“. Vielmehr sollten Maßnahmen ergriffen werden, die die
Biodiversität in Wäldern erhöhten, etwa, einige alte ökologisch besonders
wertvolle Bäume stehen zu lassen.
Der Brief der Landbesitzerverbände sei ein „Angriff auf die
Existenzgrundlage unserer bäuerlichen Betriebe“, sagt Jan-Niklas Gesenhues,
umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag. Gesunde
Landwirtschaft und bezahlbare Lebensmittel gebe es nur mit gesunder Natur.
Beim Renaturierungsgesetz gehe es darum, Natur schützen und zu heilen, auch
um eine stabile Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern“, so Gesenhues.
Wie Kanzleramtschef Frei mit dem Brief umgehen und ob er im Sinne der
Verfasser gegen das Naturschutzrecht vorgehen wird, war bis
Redaktionsschluss nicht zu erfahren.
14 Jul 2025
## LINKS
[1] /Gesetz-zur-Wiederherstellung-der-Natur/!6096565
[2] /Mehr-als-Naturschutz/!6095893&s=CDU+Minister/
[3] https://www.thuenen.de/de/fachinstitute/waldwirtschaft/projekte-liste/verla…
[4] /Neue-Studie-zu-Wald-und-Klimakrise/!5815268
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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