# taz.de -- Vulkanausbrüche und Klimakrise: Feuer aus dem Eis | |
> Die Klimakrise erhöht nicht nur das Risiko für Extremwetterereignisse wie | |
> Starkregen oder Dürre. Sie macht auch Vulkanausbrüche wahrscheinlicher. | |
Bild: Gletscher – hier ein Exemplar in Kanada – haben Einfluss auf die Vulk… | |
Berlin taz | Es ist ein Zusammenhang, der zunächst verblüfft: Der | |
Klimawandel wird heftigere und häufigere Vulkanausbrüche und Erdbeben zur | |
Folge haben. Grund dafür ist das Abtauen von Gletschern und Eiskappen: | |
Weltweit schwindet die Eislast, was den Druck auf die Erdkruste verringert | |
und damit auch auf die Magmakammern der Vulkane und die Plattentektonik. | |
Forschungsergebnisse von Geologen in Südamerika legen nahe, dass durch die | |
steigenden Temperaturen mehrere hundert aktuell ruhende Vulkane ausbrechen | |
werden, vor allem in der Antarktis, aber auch in Nordamerika und Russland. | |
Ein Team um den Geologen Pablo Moreno-Yaeger von der US-amerikanischen | |
University of Wisconsin-Madison analysierte die Mineralien im Gestein rund | |
um den Mocho-Choshuenco. Das ist ein erloschener Vulkan in Chile am | |
Westrand der Andenkordillere. | |
Mittels radiometrischer Datierung bestimmte das Forscher-Team das Alter des | |
Vulkangesteins, das vor, während und nach der letzten Eiszeit entstanden | |
ist. Deren Höhepunkt war vor 26.000 Jahren. Damals war das Gebiet noch von | |
einem 1.500 Meter hohen Eisschild bedeckt. Das Gewicht des Eises drückte | |
mit seiner Last auf ein großes Magma-Reservoir in 10 bis 15 Kilometern | |
Tiefe unter der Oberfläche. | |
Mit der natürlichen Erwärmung vor rund 13.000 Jahren begann dann aber das | |
Eis zu schmelzen. Damit ließ der Druck auf die Magmakammer nach und Gase | |
dehnten sich aus: Eine Reihe explosiver Ausbrüche waren die Folge, wie die | |
Analyse und Datierung der Mineralien ergab. „Als die Gletscher weg waren, | |
brach der Vulkan viel häufiger aus“, erklärt Studienleiter Pablo | |
Moreno-Yaeger. Das geschmolzene Gestein sei dickflüssiger gewesen und bei | |
einem Ausbruch explosiver. | |
Dass die Klimaerhitzung auch Auswirkungen auf die Tektonik der Erde haben | |
wird – die klein- und großräumigen Bewegungen in der Erdkruste –, dafür … | |
es in der letzten Zeit immer wieder Indizien. So hatte ein Team der | |
Technischen Universität Dänemark [1][festgestellt], dass Grönland allein in | |
den letzten zehn Jahren um 23 Zentimeter aus dem Ozean empor gestiegen ist. | |
Eine Billion Tonnen Eis hat der grönländische Eispanzer seit den 1980ern | |
verloren, weshalb weniger Last auf das darunter liegende Land drückt. In | |
der Folge steigt die Landmasse nach oben. | |
## Hier sinkt der Meeresspiegel | |
In der Wissenschaft der Geotektonik wird dieser Vorgang als | |
„[2][isostatischer Aufstieg]“ bezeichnet: Beobachten lässt er sich | |
beispielsweise im freigeschmolzenen Skandinavien, das seit dem Ende letzten | |
Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren immer noch aufsteigt. Während der globale | |
Meeresspiegel aktuell um etwa 3 Millimeter pro Jahr steigt, ist der Pegel | |
in Stockholm seit dem 19. Jahrhundert um eine halben Meter gefallen. | |
Solch eine Entwicklung wird durch die Eisschmelze nun auch für die | |
„schlafenden“ Vulkane prophezeit: Milliarden Tonnen Eis lasten | |
beispielsweise auf Alaska, dem drittgrößten Gletschergebiet der Erde – | |
speziell auf den Bergen des [3][St.-Elias-Gebirge im Südosten]. Ihr | |
gigantisches Gewicht drückt auf die „[4][Nordamerikanische | |
Kontinentalplatte]“ in dem darunterliegenden Erdmantel. Das Team um Pablo | |
Moreno-Yaeger warnt: Katastrophal sei die Schmelze auch für die mindestens | |
100 Vulkane in der Westantarktis. Noch drückt deren Eis auf die | |
Magmakammern, doch in den nächsten Jahrzehnten wird es rapide an Gewicht | |
verlieren. | |
„Vulkanausbrüche könnten den Planeten zunächst zeitweise wieder abkühlen�… | |
erklärt Studienautor Pablo Moreno-Yaeger. Die in die Atmosphäre gesprengten | |
Partikel würden das Sonnenlicht reflektieren, also den Energieeintrag auf | |
die Erde minimieren. In der Wissenschaft wird so etwas als „Geoengineering“ | |
geprüft: der künstliche Beschuss unserer Atmosphäre mit chemischen | |
Partikeln. Ein Experiment ohne Garantie: In Schweden wurde 2021 ein | |
Forschungsprojekt abgesagt, weil die Folgen als unkalkulierbar eingeschätzt | |
wurden. | |
Mit gutem Grund, wie ein Blick in die Geschichte zeigt: Nach dem Ausbruch | |
des Tambora in Indonesien vor gut 200 Jahren erlitt Europa eine große | |
Hungersnot. Auch der Vulkanausbruch auf der Insel Simuschir im Westpazifik | |
1831 hatte weltweite Auswirkungen. Der Komponist Felix Mendelssohn | |
Bartholdy – seinerzeit auf Wanderung in den Schweizer Alpen – notierte in | |
seinem Tagebuch: „Das Wetter hat furchtbar geras't, großen Schaden gethan, | |
Verwüstungen angerichtet; die Leute wissen sich keines ärgeren Sturmes und | |
Regens seit vielen Jahren zu entsinnen.“ | |
## Junge Erkenntnisse | |
Die Erkenntnisse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Geotektonik | |
sin[5][d noch relativ jung, wie eine Studie aus dem Jahr 2022] nachweist. | |
Überraschenderweise haben nicht nur schmelzende Gletscher Auswirkungen auf | |
künftige Vulkanausbrüche und Erdbeben, sondern etwa auch die [6][Zunahme | |
extremer Regenfälle]. Im August 2009 traf der [7][Taifun „Morakot“ auf die | |
Südküste Taiwans], der Sturm brachte drei Meter Niederschlag pro | |
Quadratmeter in 24 Stunden. Zum Vergleich: Bei der Elbeflut 2002 regnete es | |
im Erzgebirge 31 Zentimeter in derselben Zeit. Damals gab es in der Folge | |
mehrere Erdbeben auf der westpazifischen Insel, was Wissenschaftler in | |
Zusammenhang brachten. | |
Die Studie des wissenschaftlichen Teams um Pablo Moreno-Yaeger gilt noch | |
als unveröffentlicht, derzeit befindet sie sich in der Endphase der | |
Begutachtung durch eine wissenschaftliche Zeitschrift. Vorgestellt wurden | |
die Ergebnisse aber bereits Anfang Juli auf der [8][Goldschmidt-Konferenz] | |
für Geochemie in Prag. Zwar gilt Wissenschaft immer erst dann als | |
„erwiesen“, wenn Gutachter im sogenannten Peer-review-Verfahren die | |
wissenschaftlichen Standards einer Arbeit überprüft haben. Allerdings ist | |
die Goldschmidt-Konferenz die wichtigste wissenschaftliche Plattform der | |
Geochemie. | |
20 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.nature.com/articles/s43247-024-01968-6 | |
[2] https://www.dggv.de/portfolio/2-2-isostasischer-ausgleich/ | |
[3] https://www.peakbagger.com/range.aspx?rid=105 | |
[4] https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2001GC000252 | |
[5] https://link.springer.com/article/10.1007/s00445-022-01562-8 | |
[6] https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.220275 | |
[7] https://en.wikipedia.org/wiki/Typhoon_Morakot | |
[8] https://conf.goldschmidt.info/goldschmidt/2025/meetingapp.cgi/Paper/30438 | |
## AUTOREN | |
Nick Reimer | |
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