| # taz.de -- Naturschutz in Deutschland: Auch Wanstschrecken brauchen Wohnraum | |
| > Zwei Prozent der Fläche in Deutschland soll wild sein, das fordert die | |
| > nationale Biodiversitätsstrategie. Gerade mal ein Drittel davon ist | |
| > erreicht. | |
| Bild: In der Wildnis des Nationalparks Bayerischer Wald an der Grenze zu Tschec… | |
| Berlin taz | Allein die Fläche, die Straßen und Parkplätze in | |
| Nordrhein-Westfalen belegen, ist größer als die Fläche aller deutschen | |
| Wildnisgebiete zusammen. Mit 0,62 Prozent der Landesfläche umfassen die | |
| Wildnisgebiete derzeit etwas mehr als 220.000 Hektar, haben die Heinz | |
| Sielmann Stiftung, die Stiftung des BUND Thüringen und die Zoologische | |
| Gesellschaft Frankfurt errechnet. Flächen für den Verkehr beanspruchen in | |
| NRW laut Statistischem Bundesamt mehr als 240.000 Hektar. | |
| „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass wir trotz der Bemühungen von Bund | |
| und Ländern sowie der Beiträge von Naturschutzorganisationen von der | |
| Umsetzung des Zwei-Prozent-Wildnis-Ziels in Deutschland noch weit entfernt | |
| sind“, sagt Heiko Schumacher, Leiter des Bereichs Biodiversität bei der | |
| Sielmann Stiftung, die selbst Wildnisflächen besitzt. Hochrechnungen der | |
| drei Naturschutzorganisationen zeigten, [1][dass sich auf weiteren 1,67 | |
| Prozent der Landesfläche zusätzliche großflächige Wildnisgebiete etablieren | |
| ließen]. Das in der nationalen Biodiversitätsstrategie von 2007 vorgegebene | |
| Ziel, dass 2 Prozent der Fläche in der Bundesrepublik naturbelassen sein | |
| sollen, wäre also erreichbar. | |
| Auf Wildnisflächen – die im lange und dicht besiedelten Deutschland nie | |
| ganz unberührt sind – kann sich die Natur weitgehend ungesteuert | |
| entwickeln. Als Untergrenze für sogenannte großflächige Wildnisgebiete | |
| sehen Bund und Länder einen Umfang von 1.000 Hektar vor, bei Auen, Mooren, | |
| Küsten und Seen sind es 500 Hektar. | |
| Diese Größenordnung sei sinnvoll, damit sich „natürliche Prozesse in ihren | |
| vielfältigen Ausprägungen wirksam entfalten können und Konflikte mit der | |
| angrenzenden Kulturlandschaft minimiert werden“, so die Sielmann Stiftung. | |
| Wildnis liefere einen wichtigen Beitrag zum Schutz der biologischen | |
| Vielfalt, zum Klima- und Hochwasserschutz, zu Wissenschaft und Forschung | |
| sowie Bildung und Naturerleben. | |
| ## Keine Wildnis, aber wichtiger Lebensraum | |
| Ähnlich wichtig ist auch das Grüne Band entlang der ehemaligen | |
| innerdeutschen Grenze, das am 9. Dezember 1989 gegründet wurde und somit | |
| diese Woche 35. Geburtstag feiert. Auf 1.393 Kilometern reihen sich | |
| verschiedene Schutzgebiete aneinander und bilden den größten deutschen | |
| Biotopverbund. | |
| „Das Grüne Band bietet halboffene Landschaften, die in unserer aufgeräumten | |
| Agrarlandschaft so häufig verloren gegangen sind“, sagt Melanie Kreutz, | |
| stellvertretende Leiterin des Nationalen Kompetenzzentrums Grünes Band. Die | |
| sogenannten Ökotone, also Übergänge von Lebensräumen, spielten dabei eine | |
| besondere Rolle, sie bilden ein kleinräumiges Mosaik aus kurz gehaltenen, | |
| aber nur selten gemähten Wiesen, aus Büschen und Waldrändern. „Auf intensiv | |
| genutzten Flächen liegt sechsmal jährlich gemähtes Grünland neben | |
| Fichtenforst“, so Kreutz, „damit kommen viele Arten nicht zurecht“. | |
| Bodenbrüter wie etwa das Braunkehlchen benötigen Altgras-Fluren, in denen | |
| sie ungestört ihre Nester bauen können. Auch die eher immobile | |
| Wanstschrecke, eine Heuschrecke, braucht Wiesen, die nur selten gemäht | |
| werden und Raum für Verstecke bieten. Ohne menschliches Zutun kommt das | |
| Grüne Band aber nicht aus. „Diese Vielfalt können wir nur mit einer | |
| behutsamen Nutzung erhalten“, sagt Kreutz. Daher arbeitet der BUND mit | |
| Landwirten zusammen, die die Schutzgebiete mit Beweidung und Mahd offen | |
| halten. | |
| 9 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://wildnisindeutschland.de/gebiete/ | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
| ## TAGS | |
| Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland | |
| Naturschutz | |
| Wildnis | |
| GNS | |
| Naturschutz | |
| Biodiversität | |
| Natur | |
| Wölfe | |
| Naturschutz | |
| Biodiversität | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Tod von Umweltschützer Hubert Weinzierl: Einer, der Natur fühlte | |
| Er gründete den ersten deutschen Nationalpark und führte jahrzehntelang die | |
| großen Verbände. Hubert Weinzierl prägte die Umweltpolitik. Nun ist er | |
| gestorben. | |
| Signale vom Weltnaturgipfel: Die Menschheit kann auch anders | |
| Wie wird der Artenschutz ab 2030 finanziert? Die Vertragsstaaten der | |
| UN-Biodiversitätskonvention haben Antworten. Deutschland muss jetzt | |
| dranbleiben. | |
| Weltweiter Artenschutz: Igel, Koralle und Banteng in Not | |
| Die Umweltorganisation WWF zieht eine durchwachsene Jahresbilanz. Arten wie | |
| Luchs und Seeadler geht es besser. Viele Arten aber verschwinden. | |
| Europarat beschließt neuen Schutzstatus: Harte Zeiten für den Wolf | |
| Der Ausschuss des Europarats hat den Schutzstatus des Wolfes herabgestuft. | |
| Jagd- und Landwirtschaftsverbände fordern, die nun notwendigen | |
| Gesetzesreformen zügig anzugehen. | |
| Naturschutz für Wiesen: Sieg für Schmetterlinge vor Europäischem Gerichtshof | |
| Deutschland habe Wiesen mit vielen Tier- und Pflanzenarten ungenügend | |
| geschützt, so der EuGH. Naturschutzregeln für Bauern müssten verbindlich | |
| sein. | |
| UN-Konferenz zur Biodiversität in Cali: Zu viel Gipfeltheater in Berlin | |
| Cali war der passende Ort, über die Rettung der Natur zu verhandeln – und | |
| doch zu weit weg. Die Ampel müsste begreifen, was das mit uns zu tun hat. |